Die Stadtsilhouette von Jerusalem im Kontext einer
Weihnachtskrippe
mag überraschen. Jedenfalls ist sie in diesem Zusammenhang
ungewöhnlich.
Dennoch steht Jerusalem in einem engen Zusammenhang mit dem, was wir
Weihnachten
feiern:
* Gottes Heil, das Er durch Jesus Christus wirkt, beginnt im
Tempel
zu Jerusalem. Dort verkündet der Engel Gabriel dem Zacharias die
Geburt
des Vorläufers Johannes, der gesandt ist, "das Volk für den
Herrn
bereit zu machen" (Lk. 1 , 8 ff).
* Der Weihnachtsstern führt die Weisen aus dem Morgenland
zunächst
nach Jerusalem, zu Herodes, der sie mit üblen Hintergedanken
weiterschickte
nach Bethlehem (Mt. 2, 1 ff).
* Am achten Tag nach seiner Geburt brachten die Eltern Jesus nach
Jerusalem
in den Tempel, um ihren Erstgeborenen entsprechend dem jüdischen
Brauch
"dem Herrn zu weihen" (Lk. 2, 21 - 40). Bethlehem liegt übrigens
nur
11 km südlich von Jerusalem.
* Noch eine weitere Szene der Kindheitsgeschichte Jesu spielt im Tempel
zu Jerusalem: Der Zwölfjährige wandert mit seinen Eltern zum
Pesachfest dorthin und bleibt - von seinen Eltern unbemerkt - im Haus
seines
"Vaters" (Lk. 2, 41 - 52).
* Schließlich geschieht Jesu ganzes öffentliches Wirken
auf dem Weg nach Jerusalem, wo er am Ende seines irdischen Lebens nach
Kreuz und Auferstehung in den Himmel auffährt.
Wichtiger jedoch als die "äußeren" Wegstationen
Jesu in Jerusalem
sind deren
theologische Hintergründe:
Ihre theologische Bedeutung erhält die Stadt durch David,
der zwar
als junger Mann in Bethlehem lebte und dort auch von Samuel zum
König
gesalbt wurde, der als König jedoch Jerusalem eroberte und diese
Stadt
zur Hauptstadt seines Reiches machte (im 11. Jahrhundert v.Chr.). Von
da
an ist Jerusalem die "Stadt Davids". Von Jerusalem (vom Zion) aus
herrscht
- durch Jahwe - der davidische König: "Ich selber habe meinen
König
eingesetzt auf Zion, meinem heiligen Berg" (Ps. 2, 6).
Bereits David übertrug die "Bundeslade", die Zeichen der
Gegenwart
Jahwes war, nach Jerusalem und Salomo baute dafür den Tempel, das
Haus Gottes. Damit wurde Jerusalem zur Heiligen Stadt Jahwes und der
Zion
zu Seiner Wohnung und zu Seinem Heiligen Berg (Pss. 46; 48; 76; 87).
Die messianischen Verheißungen, die den Messias als
einen Nachkommen
Davids sehen, beziehen sich auf Jerusalem. So die Jesaja-Lesungen aller
drei Messen des Weihnachtstages:
Ein Kind ist uns geboren, ein Sohn ist uns geschenkt.
Die Herrschaft liegt auf seiner Schulter;
man nennt ihn:
Wunderbarer Ratgeber, starker Gott,
Vater in Ewigkeit, Fürst des Friedens.
Seine Herrschaft ist groß,
und der Friede hat kein Ende.
Auf dem Thron Davids herrscht er über sein Reich.
(Jes. 9, 5 f; Lesung der Christmette)
Sagt der Tochter Zion:
Sieh her, jetzt kommt deine Rettung...
Und dich nennt man
die begehrte, die nicht mehr verlassene Stadt.
(Jes. 62, 11 f; Lesung der Weihnachtsmesse am Morgen)
Horch, deine Wächter erheben die Stimme,
sie beginnen alle zu jubeln.
Denn sie sehen mit eigenen Augen,
wie der Herr nach Zion zurückkehrt.
Brecht in Jubel aus, jauchzt alle zusammen,
ihr Trümmer Jerusalems!
Denn der Herr tröstet sein Volk,
er erlöst Jerusalem.
(Jes. 52, 8 f; Lesung der Weihnachtsmesse am Tage)
Auch die wunderbare Jesaja-Vision von Jerusalem als
Mittelpunkt des
messianischen Friedensreiches ist ein "weihnachtlicher" Text:
Das Wort, das Jesaja... in einer Vision über Juda und
Jerusalem
gehört hat:
Am Ende der Tage wird es geschehen:
Der Berg mit dem Haus des Herrn
steht fest gegründet als höchster der Berge;
er überragt alle Hügel.
Zu ihm strömen alle Völker.
Viele Nationen machen sich auf den Weg;
sie sagen:
Kommt, wir ziehen hinauf zum Berg des Herrn
und zum Haus des Gottes Jakobs.
Er zeige uns seine Wege,
auf seinen Pfaden wollen wir gehen.
Denn von Zion kommt die Weisung des Herrn,
aus Jerusalem sein Wort.
Er spricht Recht im Streit der Völker,
er weist viele Nationen zurecht.
Dann schmieden sie Pflugscharen aus ihren Schwertern
und Winzermesser aus ihren Lanzen.
Man zieht nicht mehr das Schwert, Volk gegen Volk,
und übt nicht mehr für den Krieg. (Jes. 2, 1 - 4)
In der Deutung der neutestamentlichen Evangelien finden all
diese messianischen
Verheißungen ihre anfanghafte und nicht mehr revidierbare
Erfüllung
in der Geburt Jesu. Das "neue Jerusalem" wird auch im Neuen Testament
verstanden
als die "Stadt Gottes", in der Christus als der messianische
Friedenskönig
herrscht und die Fülle des "Reiches Gottes", dessen Anbruch er in
seinem irdischen Leben verkündet hat, heraufführt (Offb. 21
).
So geht denn auch die Verkündigung dieser frohen Botschaft von
Jerusalem
aus. Dort bildet sich die erste christliche Gemeinde.
Unsere Stadtsilhouette
von Jerusalem ist nicht "historisch", da das biblische
Jerusalem eine
"ideale" und "überzeitliche" Stadt ist - Symbol der
Verheißungen
Gottes. So orientieren sich die drei Schichten der Silhouette an Stilen
ganz verschiedener Zeiten: Der Tempel im Hintergrund entspricht der
Rekonstruktion
des "Allerheiligsten" zur Zeit Jesu; die Stadt im Mittelgrund spiegelt
eine "orientalische" Stadt aus der Zeit der muslimischen Herrschaft
über
Jerusalem (seit 638 n.Chr.); die Stadtmauer im Vordergrund entspricht
eher
dem Stil "Kreuzfahrer" (von 1099 bis 1244).
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