Primizpredigt zur Primiz
von P.Christoph Soyer S.J.
Am 22. September 2007 wurde P.Christoph Soyer S.J. zum Priester geweiht. Am 1. Oktober trat er offiziell sein neues Amt als Kaplan an St.Michael in Göttingen an. Bereits am Sonntag, dem 30. September, an dem wir das Fest des Erzengels Michael gefeiert haben, wurde zugleich seine Primiz in St.Michael gefeiert.
Primizprediger war P.Heribert Graab S.J.
Liebe Gemeinde, lieber Christoph,

vermutlich hat in den letzten Tagen
so manch einer durchblicken lassen,
Du seist jetzt „etwas ganz Besonderes",
jemand, der herausgehoben ist aus dem „Volk der Laien" -
eben Priester.

Ich weiß nicht, ob Du Dir je Gedanken darüber gemacht hast,
warum das Sakrament der Priesterweihe
auch „Ordination" heißt, bzw. „sacramentum ordinis".
In alter römisch-lateinischer Tradition bedeutet „ordo"
die Zugehörigkeit zu einem bestimmten „Stand",
beispielsweise zum „ordo equestris", zum „Ritterstand" also.

In den alten Monarchien war die Gesellschaft
durch solche „Stände" von oben nach unten gegliedert.
In der Bibel spiegeln sich z.B. die ganz und gar irdischen „Ordines",
die den Hofstaat des persischen Großkönigs hierarchisch gliederten,
in den Vorstellungen vom himmlischen „Hofstaat Gottes".
Der „große König" des Himmels und der Erde
war umgeben von „Fürstentümern", „Herrschaften",
„Thronen", „Mächten" und „Gewalten".
Neben „Cherubim" und „Serafim" gab‘s Engel und Erzengel,
von denen wir die drei namentlich genannten heute feiern:
Michael, Gabriel und Raffael.

In dieses zunächst politische
und dann auch religiös überhöhte Ständedenken
wurde schon früh nach vorchristlichem Vorbild
der Klerikerstand eingeordnet.
Er erhielt nicht nur eine Sonderstellung,
sondern wurde seinerseits noch weiter gegliedert
in eine Vielzahl ebenfalls hierarchisch strukturierter Unterordnungen.
Die waren und sind mit den verschiedensten Titeln versehen,
und jeder dieser Titel ist - um meinen Kirchenrechtslehrer zu zitieren -
durch „ein auszeichnendes Kleidungsstück" hervorgehoben.
Mit einem in dieser Weise „auszeichnenden Kleidungsstück"
haben wir Dich, lieber Christoph, bisher noch nicht gesehen.
In den vergangenen Tagen unserer Romfahrt jedoch
konnten wir solche Kleidungstücke in großer Vielfalt bewundern.

Das sieht sehr bunt und auch schön aus,
ist sicher auch ganz und gar „menschlich",
steht allerdings auch in einem gewissen Spannungsverhältnis
zum modernen Priesterbild,
das durch das Zweite Vatikanische Konzil
weitgehend neu konzipiert wurde.
Das Konzil nimmt im Grunde genommen Abschied
von einem auch gesellschaftlich überholten Ständedenken.
Es sieht den Priester zunächst als einen Teil des Gottesvolkes.
„Volk" das ist „laós".
Und davon ist das Wort „Laie" abgeleitet!
Der Priester gehört dazu!
Er ist den „Laien"
durch das grundlegende Sakrament der Taufe verbunden.
Er ist mit dem „laós theou", mit dem wandernden Gottesvolk unterwegs.

Die Priesterweihe versteht das Konzil nicht so sehr statisch
als seinsüberhöhende Angleichung
an den eigentlichen Hohenpriester Jesus Christus,
sondern vor allem dynamisch als Sendung im Heiligen Geist,
die Anteil gewährt an die Sendung Jesu Christi,
des Lehrers, Priesters und Hirten.
Durch die Verkündigung des Wortes Gottes,
durch die Feier der Liturgie,
und durch das „Hirtenamt"
steht der Priester ganz und gar im Dienste des Gottesvolkes.
„Hirtenamt" meint im Sinne des Konzils
keineswegs nur Leitung,
sondern in erster Linie Seelsorge.
Diese Deinstfunktion darf nicht nur symbolisch
und am Gründonnerstag zum Ausdruck kommen,
wenn selbst der Papst zwölf alten Männern die Füße wäscht.

In diese Dienstfunktion wird der Priester
seit apostolischer Zeit durch Handauflegung und Gebet
in der gottesdienstlich versammelten Gemeinde hineingenommen.
Das ist ein - in meinen Augen bewegender - Aspekt
der vieldiskutierten apostolischen Sukzession.
Darin wird deutlich, daß diese Sendung und dieser Dienst
auf Jesus Christus selbst zurückgeht,
und daß Sendung und Dienst nur im Sinne und im Geiste
Jesu Christi gelebt werden können und dürfen.

So sehr der Priesterweihe durch Handauflegung und Gebet,
sowie als Sakrament eine besondere Würde zukommt,
so wenig vermittelt sie jedoch dem einzelnen Priester
und deren Gesamtheit eine das Gottesvolk überragende „Würde".
Die Priesterweihe grenzt weder aus,
noch schließt sie Nichtgeweihte
einfachhin von einer priesterlichen Sendung aus.
Das Zweite Vaticanum hat sehr bewußt dem allgemeinen Priestertum
wieder neue Geltung verschafft.
Dieses allgemeine Priestertum
war durch Reformation und Gegenreformation
ein wenig in Vergessenheit, um nicht zu sagen in Mißkredit geraten.
Spätestens in Situationen des Priestermangels
bleibt nicht viel anderes übrig, als sich neu darauf zu besinnen.

Nicht selten wird ja aus der Not eine Tugend.
So gibt es heute - jedenfalls bei uns -
eine Vielzahl von pastoralen Berufen,
die mit offizieller Sendung der Kirche
und durchaus unter Berufung auf das allgemeine Priestertum
Aufgaben wahrnehmen, die lange Zeit ausschließlich
dem geweihten Priester vorbehalten waren,
und die man sich anders auch gar nicht vorstellen konnte.

Etwas scherzhaft wird hier und da angemerkt,
den Priestern werde diese Sendung
durch die Handauflegung des Bischofs übertragen,
während andere sich mit bischöflichem Handschlag
zufrieden geben müßten.
Solche Bonmots zeigen eine gewisse Verunsicherung an,
die nach dem Konzil gerade unter Priestern entstanden ist.
Und sicher hat das Konzil eine Entwicklung in Gang gesetzt,
die längst nicht an ihrem Ende angekommen ist,
die noch mancher Klärungen bedarf
und voraussichtlich sowohl Korrekturen,
als auch Weiterentwicklungen nach sich ziehen wird.

Auch und gerade unter diesen Voraussetzungen
wünschen wir Dir, lieber Christoph,
ein möglichst natürliches Selbstbewußtsein als Priester,
das nicht darauf zielt,
schälen Blickes den Dienst am Glauben
nur für sich selbst zu reklamieren,
sondern voller Freude und im Team mit anderen
der Berufung als Priester Hand, Fuß und Herz gibt.
Wir wünschen Dir von ganzem Herzen
die Fülle des Heiligen Geistes,
der Dir durch die Handauflegung des Bischofs
für Deine priesterlichen Aufgaben von Gott geschenkt wurde.
Wir wünschen Dir, daß dieser Geist in Dir lebendig bleibt -
ein Leben lang;
und daß Du Sein Wirken - hier und da wenigstens -
auch spürbar erfährst.

Amen.