Predigt zum Dreifaltigkeitssonntag 2004
Lesung: Spr. 8, 22-31
Evangelium: Joh. 16, 12- 15
P.Heribert Graab S.J. nach einer Vorlage von Uwe Beck in "Gottes Volk" 5/2004
Ein Problem kann man lösen,
vor einem Geheimnis jedoch gilt es, 
in Ehrfurcht zu schweigen oder einfach anzubeten.

Wir feiern heute am Dreifaltigkeitssonntag
ein solches Geheimnis - ja, sogar das Geheimnis schlechthin: 
Das tiefste Geheimnis Gottes.

Dennoch ist es erlaubt nachzudenken -
nicht um das Geheimnis zu „begreifen",
wohl aber um etwas von seiner Größe zu erahnen
und seine Bedeutung für uns selbst und für unser Leben zu erschließen.

Dass Gott der Quell der Schöpfung, 
der Ursprung aller Dinge und so auch des Menschen ist, 
wird in der Bibel immer wieder bezeugt.
Einen wunderschönen Text dazu haben wir in der Lesung gehört. 
Jesus selbst zeigt uns Gott als Vater 
und verheißt uns zugleich den Beistand des Heiligen Geistes - 
im heutigen Evangelium ist davon die Rede. 

Unabhängig davon, wie das denn genau zusammen gehen soll 
- der eine Gott in drei Personen - 
wird doch überall in der frohen Botschaft,
zumal des Neuen Testamentes deutlich:
Gott ist die Liebe schlechthin. 
Die Liebe ist das Wesen Gottes.

Wenn Gott die Liebe ist, 
dann wird man sagen dürfen und sagen müssen: 
Gott ist als eine besonders gelungene Form von Beziehung, 
von Begegnung zu denken. 
Gott kann lieben - Wie könnte Er anders Liebe sein?
Diese Liebe bleibt nicht auf Gott beschränkt.
Diese Liebe haben schon Abraham und ganz Israel in seiner Geschichte erfahren. 
Und wir dürfen die Liebe Gottes in Jesus fast hautnah erleben. 
In die Beziehung des Vaters, des Sohnes und des Geistes
sind auch wir Menschen einbezogen.
Unsere Liebe zueinander spiegelt die Liebe des dreifaltigen Gottes.
Sind wir doch nach Seinem Ebenbild geschaffen.
Mehr noch:
Weil Gott uns Seine Liebe schenkt,
können auch wir in Beziehung treten zum dreifaltigen  Gott selbst. 
Gott ist die Liebe, und die Liebe ist auch der Weg zu ihm.

Die biblische Tradition und unser Glaube sagt uns:
Weil Gott die Liebe ist, 
ist Gott ist sehr wohl einer, aber eben nicht einer allein. 
Gott ist dreifaltig, vielfältig. 
Gottes Einheit ist nicht gleichbedeutend mit Uniformität, 
mit langweiliger Einfältigkeit. 

Jesus spricht oft in Gleichnissen vom Geheimnis Gottes.
So dürfen auch wir uns in Vergleichen diesem Geheimnis nähern.
Die Kunde von Jesus Christus und seiner Frohen Botschaft
wird vielfältig bezeugt.
So wird das eine Evangelium Jesu Christi nicht nur einmal erzählt, 
sondern gleich vierfach und auf unterschiedliche Weise. 
Lukas ist nicht Matthäus, 
und der Evangelist Johannes ist schon gleich gar nicht Markus - 
und doch bezeugen sie alle das eine Evangelium Jesu Christi. 
Die frühe Kirche hat sich nicht für das Evangelium eines Evangelisten entschieden, 
sondern das Zeugnis aller Vier als Reichtum 
und als vielfältige Bezeugung der einen Kunde 
von der Frohen Botschaft verstanden.

Dass Einheit nicht Uniformität heißen muss,
das wird auch deutlich in der Tatsache der vielen Kirchen, 
und dies trotz der einen, heiligen, katholischen und apostolischen Kirche. 
Es gibt schließlich eine Vielzahl von Kirchen. 
Über 200 Kirchen sind es allein, 
die dem Weltrat der Kirchen angehören. 
Das letzte Konzil hat diesen Umstand positiv gewürdigt. 
Es versteht andere Kirchen nicht mehr als Abspaltungen,
sondern als Kirchen oder kirchliche Gemeinschaften
in der einen Kirche Jesu Christi. 
Auch unsere  römisch-katholischen Kirche 
ist schließlich nicht ein uniformer Block,
sondern eine vielfältige Einheit von Ortskirchen
unterschiedlicher Kulturen und Traditionen.

Der einen Kirche Jesu Christ „fehlt" etwas, 
solange all diese Kirchen nicht als Reichtum 
und Entfaltungen der einen Kirche begriffen werden können. 
Wer sich selbst als Ganzes sieht, 
bringt sich um den möglichen Reichtum der Vielfalt 
und macht sich mitschuldig an der Fortsetzung der Spaltung. 
Wie die Einheit Gottes ist auch die Einheit der Kirche 
und der Kirchen nur als Vielfalt zu denken.

Lebendige Vielfalt gehört sehr wohl auch zum Leben einer christlichen Gemeinde. 
Auch dort ist offenkundig vieles möglich und denkbar. 
Andere Glaubensauffassungen, 
andere Formen der Spiritualität, 
unterschiedliche politische Akzentsetzungen, 
andersgeartete Aufgaben, Dienste und Charismen. 
Marianische Gebetsgruppen sind nicht identisch 
mit Vertretern einer politischen Theologie; 
kritische Kreise in der Gemeinde vertreten mitunter 
andere Positionen als der Bischof, 
und doch müssen sie alle zu der einen Kirche Jesu Christi gehören können 
und dort auch bleiben dürfen -
jedenfalls dann, wenn wir Ernst machen mit dem Gedanken, 
dass die Vielfalt Gottes 
eine legitime Vielfalt im Glauben und Leben der Kirche zulässt. 
Viele Ausprägungen des einen Evangeliums
und viele Dienste und der Dienst vieler sind notwendig.
Auch die unterschiedlichen Antworten vieler Theologen 
auf die Fragen ihrer jeweiligen Zeit gehören  gleichfalls 
zur Vielfalt der Kirche. 
Auf eigentümliche Weise bezeugen alle, 
die Evangelien und die Kirchen, 
die Gemeinden und die Theologen (und erst die Theologinnen!) 
die Lebendigkeit und die dreifaltige Vielfalt unseres Gottes.

Lasst uns ehrfürchtig und demütig, 
vor allem aber auch dankbar am heutigen Tag 
die Dreifaltigkeit unseres Gottes feiern.

Amen.