Predigt zum 32. Sonntag im Jahreskreis (C)
am 7. November 2004
Evangelium: Lk. 20, 27 - 38
Autor: P.Heribert Graab S.J.
An der Frage nach der Auferstehung scheiden sich
offenkundig zu allen Zeiten die Geister:

Allein um diese Frage geht es
im Streitgespräch Jesu mit den Sadduzäern
im heutigen Evangelium.

Als Paulus den Athenern auf dem Areopag
die Kernaussagen des christlichen Galubens darlegte,
hörten sie ihm aufmerksam zu.
Als er jedoch auf die Auferstehung der Toten zu sprechen kam,
„spotteten die einen, andere aber sagten:
Darüber wollen wir dich ein andermal hören." (Apg.17,32)

Und wenn heute der christliche Glaube in Frage gestellt wird,
dann geht es inhaltlich auch da zuallererst um den Auferstehungsglauben.
Als gläubige Christen bekennen wir Sonntag für Sonntag
„Ich glaube an die Auferstehung der Toten".
In Wirklichkeit aber hat wenigstens jeder vierte Katholik
diesen Auferstehungsglauben aus seinem persönlichen Bekenntnis gestrichen.
Das jedenfalls ist das Ergebnis aktueller Untersuchungen
von Meinungsforschungsinstituten.

Schauen wir uns das Evangelium ein wenig näher an:

Jesu Auseinandersetzung mit den religiös geprägten Pharisäern
ist uns relativ vertraut.
Hier jedoch gerät er mit den Saddzuzäern aneinander.
Die Sadduzäer - das ist sozusagen das „Establishment" der damaligen Zeit:
Die Tempelaristokratie, das Großbürgertum,
die wirtschaftlich Maßgebenden.
Diese herrschende Klasse hatte es lange als unter ihrer Würde angesehen,
sich mit dem Wanderprediger aus Galiläa auseinanderzusetzen.
Nun aber können sie nicht mehr ausweichen,
weil ausgerechnet dieser Wanderprediger
ihre Macht in Frage stellt.

So gehen sie unvermittelt zum Angriff über.
Rhetorisch gekonnt und mit dem Stilmittel der Überspitzung
versuchen sie, Jesus an einer ganz zentralen Stelle Seiner Botschaft
zu Fall zu bringen.
In ihren Formulierungen offenbaren sie allerdings zugleich
ihren eigenen materialistischen Denkansatz:
Sie denken in den Kategorien des Habens und des Besitzens.
Ihre Schlußfrage lautet:
Wem gehört nach dem Tod die Frau?

Sie können von „Auferstehung" nur in ihren eigenen
materialistischen Denkmustern reden.
Und genau da setzt Jesus mit Seiner Entgegnung an:
Auferstehung - das bedeutet für Ihn
eine ganz und gar neue Existenzform,
durch die der Mensch mit hineingenommen wird
in Gottes eigene Wirklichkeit,
in Gottes Reich, in Gottes Herrschaft.

Diese „Herrschaft Gottes" ist der Kern der Botschaft Jesu.
Die Herrschaft des lebendigen Gottes
bringt die Herrschaft des Todes zu Fall.
Aber die Herrschaft Gottes überwindet auch all jene Mächte,
die zum Tode führen,
die Menschen versklaven,
die sie krank machen
und ihnen das wahre Leben rauben.
In dieser neuen Wirklichkeit gelten nicht mehr die Gesetze der Welt,
und schon gar nicht die der Herrschaftsverhältnisse dieser Welt,
und selbstverständlich auch nicht die Gesetze des Patriarchalismus,
die der absurden Beispielkonstruktion der Sadduzäer zugrunde liegen.

Dieser aufklärende Teil der Antwort Jesu
lautet kurz zusammengefaßt:
Ihr seid total auf dem Holzweg mit dem,
was ihr unter Auferstehung versteht.
Einen solch materialistischen Unsinn
glaubt ihr doch selbst nicht,
und mir könnt ihr den erst recht nicht unterstellen.

Vermutlich würde Jesus auch heute erst einmal
mit all dem Unsinn aufräumen,
der sich in den christlichen Auferstehungsglauben eingeschlichen hat,
und der es Menschen unmöglich macht, dazu ja zu sagen.

Selbstverständlich gibt es heute wie damals
recht plumpe und am Diesseits orientierte Vorstellungen
von „Paradies" und „Himmel".
Da spielt sicher auch die Instrumentalisierung dieser religiösen Begriffe
durch die Werbemedien eine gewisse Rolle.
Überhaupt führt der praktische Materialismus unserer Konsummentalität
zur Leugnung der Auferstehung
und zur Schaffung irdischer Paradiese.

Ein zweiter Gesichtspunkt kommt heute hinzu:
Schon früh wurde die Botschaft des Evangeliums
durch die Übernahme hellenistischen Gedankengutes verändert.
So trat immer wieder an die Stelle des biblischen Auferstehungsglaubens
die Auffassung von der Unsterblichkeit der Seele.
Auch heute noch sehen viele Christen
die Seele oder auch den Geist als das Eigentliche des Menschen an.
Der Leib ist unwichtig und zerfällt im Tod.
Jesus würde demgegenüber auf der Einheit von Leib und Seele bestehen
und betonen, daß der Leib unaufgebbar zur Identität des Menschen gehöre,
und daß der ganze Mensch in das neue Leben hinein auferstehe.

Insbesondere würde Jesus heute wohl
den Auferstehungsglauben verteidigen
gegen alle Theorien von Reincarnation oder Wiedergeburt.

Auch diese Theorien bauen ja auf einem dualistischen Menschenbild auf,
in dem der Leib des Menschen austauschbar ist.

Vielleicht würde Jesus seine Gegner auch fragen:
Wäret ihr etwa begeistert,
wenn ein Fremdenführer euch statt ans angegebene Ziel
immer nur im Kreis herum führen würde?

Gegen ein kreis- oder spiralförmiges Geschichtsbild
sagt die Botschaft Jesu ganz und gar in biblischer Tradtition:
Die menschliche Geschichte ist unwiederholbar und zielgerichtet.
Gott führt sowohl den einzelnen Menschen,
als auch die Menschheit als ganze
durch Sein Wort und Seine Verheißung
in einer befristeten Zeit auf ein endgültiges Ziel hin.

Und schließlich würde Jesus wohl auch
den Leistungsgedanken kritisieren,
der hinter vielen Reincarnationstheorien steckt:
Ihm wäre wichtig, daß die Vollendung des Menschen in der Auferstehung
letztendlich ein Geschenk Gottes ist - „Gnade" -,
und daß diese Vollendung eben nicht
durch menschliche Leistung erreicht werden kann -
auch nicht in einem zweiten oder wievielten Leben auch immer.

Übrigens gab es Wiedergeburtsvorstellungen
offenkundig schon zur Zeit Jesu.
Sie erinnern sich vielleicht an die Frage Jesu:
„Für wen halten die Leute den Menschensohn?"
und an die Antwort der Jünger:
„Die einen für Johannes den Täufer, andere für Elija,
wieder andere für Jeremia oder sonst einen Propheten."
Mit Seiner weiterführenden Frage
wischt Jesus all diese Vorstellungen vom Tisch:
„Ihr aber, für wen haltet ihr mich?" (Mt. 16, 13-15)

Ein weiterer wichtiger Gesichtspunkt der Botschaft Jesu
zur Auferstehungsfrage fällt in der christlichen Verkündigung
häufig unter den Tisch:
Für Jesus gehört die Auferstehung der Toten
unaufgebbar in den Kontext Seiner Predigt vom Reich Gottes,
von der Gottesherrschaft.
Dementsprechend betrifft die Auferstehung der Toten
nicht nur jeden Einzelnen,
sie ist vielmehr wesentlich auf die Gemeinschaft
des ganzen Volkes Gottes bezogen.
Auferstehung bedeutet also sowohl
Hineingenommen werden in das Leben des dreifaltigen Gottes,
als auch endgültiges Eingefügtwerden
mit den vielen Schwestern und Brüdern
in den einen „Leib" Jesu Christi, von dem Paulus spricht -
Eingefügtwerden also in die Fülle dessen, der alles erfüllt.

Wenn nun die Verheißungen Gottes
nicht nur dem Menschen als Individuum gelten,
sondern dem ganzen Menschen auch in seinen sozialen Bezügen,
wenn also das letzte Ziel „communio" - Gemeinschaft ist
- Gemeinschaft mit Jesus Christus und mit den vielen Schwestern und Brüdern -
dann hat das praktische Konsequenzen schon für unser Leben hier:

Dann bewegt sich der Mensch auf seine Vollendung hin
nicht durch Weltflucht oder durch Rückzug in seine Innerlichkeit.
Dann erreicht der Glaubende vielmehr seine letzte Vollendung
nur im Miteinander mit seinen Schwestern und Brüdern
und nur, indem er sich in die soziale und gesellschaftliche Dimension
des Menschseins hineinstellt.

Die Botschaft Jesu von der Auferstehung der Toten
ist also unvereinbar
•    mit jedwedem theoretischen oder praktischen Materilaismus,
•    mit einem dualistischen Menschenbild,
•    mit einem individualistischen Menschenbild.

Hinzu kommt:
Die christliche Botschaft von der Auferstehung der Toten
hat natürlich den Glauben an den Gott des Lebens zur Voraussetzung.
Dieser Glaube war den Sadduzäern damals selbstverständlich.
So konnte Jesus den Saddzuzäern gegenüber abschließend argumentieren:

„Daß die Toten auferstehen, hat schon Mose
in der Geschichte vom Dornbusch angedeutet,
in der er den Herrn den Gott Abrahams,
den Gott Isaaks und den Gott Jakobs nennt.
Er ist doch kein Gott von Toten, sondern von Lebenden;
denn für ihn sind alle lebendig."

Wenn Jesus heute auf unseren Straßen diskutieren würde,
müßte Er wahrscheinlich zunächst einmal
die Gottesfrage und das Gottesbild klären.
Vermutlich müßte Er das auch tun,
wenn Er heute abend hier mit uns ins Gespräch käme.
Denn wahrscheinlich ist unser Glaube und unser Gottesbild
zu blaß, zu dünn und zu wenig lebendig,
um die Grundlage zu bilden
für einen wirklich österlichen Auferstehungsglauben.

Amen.