Predigt zum 2. Sonntag im Jahreskreis (C) am 18. Januar 2004
Evangelium: Joh. 2, 1-11
Autor: P.Heribert Graab S.J.
unter Verwendung einiger hilfreicher Gedanken von Susanne Kochannek in der Zeitschrift "Volk Gottes".
„Agenda 2010“ – das ist für Sie alle ein Begriff:
Etikettiert als Reformpaket.
Genau genommen jedoch eher „Verwaltung des Mangels“.
Ein großes Faß mit Wasser – 
zum Teil sogar ungenießbares Wasser.
Es fehlt der, der es in kostbaren Wein verwandelt.

„Eckpunkte 2020“ – bisher nur für Insider ein vertrauter Begriff:
Der Name - abgekupfert bei Gerhard Schröder –
steht ebenfalls für ein Reformpaket:
Struktur- und Finanzreform des Bistums Hildesheim.
Auch da geht es vor allem um die Verwaltung des Mangels.
Ebenfalls ein großes Faß mit Wasser.
Und auch hier fehlt der, der das Wasser in Wein verwandelt.

?berall wird – wo Menschen etwas in die Hand nehmen –
„mit Wasser gekocht“.
So auch damals bei der Hochzeit zu Kana.
Dieses Fest der Liebe zweier Menschen drohte 
mit einer großen Enttäuschung zu Ende zu gehen.
Maria, die Mutter Jesu, scheint als erste die Situation zu durchschauen.
Sie schaut Gott-sei-Dank nicht weg – nach dem üblichen Motto
„Das geht mich nichts an“.
Sie fühlt sich zuständig
und wendet sich an ihren Sohn, 
an den, dem sie zutraut, Abhilfe zu schaffen.
Der aber weist sie zurück – es ist noch nicht die rechte Zeit.
Auch Maria kann nur mit Wasser kochen.

Aber sie ist nicht enttäuscht,
zieht sich nicht in den Schmollwinkel zurück.
Sie weiß ihre Bitte in guten Händen und an der richtigen Stelle aufgehoben.
Und diese Zuversicht teilt sie scheint’s so überzeugend den Dienern mit,
daß die ganz selbstverständlich tun, was sie sagt:
Sie füllen sechs große Krüge mit Wasser – randvoll!
Mehr können sie nicht tun;
Denn auch sie können nur mit Wasser kochen.
Der Speisemeister jedoch, dem sie davon zu kosten geben,
trinkt verwundert den köstlichsten Wein,
der auf einmal in Hülle und Fülle vorhanden ist.
Das Fest ist gerettet!

Jesu Jünger sehen und vestehen:
Unser Meister ist derjenige,
von dem wir mehr erwarten können, als „mit Wasser zu kochen“.
Und auch wir sollten verstehen,
worauf es ankommt im Leben:
Wir sollten zur Kenntnis nehmen,
daß auch wir wirklich nur in der Lage sind, mit Wasser zu kochen;
daß da aber einer ist, der unsere menschlichen Möglichkeiten übersteigt,
der uns teilhaben lassen kann an der göttlichen Fülle.

Das also lehrt uns das Evangelium von der Hochzeit zu Kana.
Bei der Konkretisierung für unser eigenes Leben
können wir gleich an dieser Hochzeitsgeschichte anknüpfen:
Es ging also um eine Hochzeit
und darum, daß schon zu Beginn dieser Ehe nur mit Wasser gekocht wird.
Das trifft ja wohl auch heute zu – 
selbst wenn es in der Regel nicht gleich am Anfang so offenkundig ist.
Wie schnell ist der Wein der Liebe oft aufgebraucht?!
Wie schnell stoßen Eheleute an die Grenzen in ihrer Beziehung –
wenn sie z.B. Probleme bewältigen müssen, die sie überfordern:
Arbeitslosigkeit etwa oder Krankheit...
Das Evangelium könnte ihnen sagen:
Vergeßt nicht: Als ihr euch das Sakrament der Ehe gespendet habt,
war noch ein dritter im Bunde, Jesus Christus.
Er ist es, dem ihr das „Wasser“ eures Ehealltags
oder die leer gewordenen Krüge eurer Liebe hinhalten könnt.
Von Ihm könnt ihr erwarten, daß Er sie füllt –
vielleicht nicht auf der Stelle und nicht so, wie ihr es euch vorstellt, 
aber auf Seine Weise und zu Seiner Zeit –
jedenfalls nicht spärlich, sondern in unerwarteter Fülle.

Auf dem Hintergrund des heutigen Evangeliums wird zugleich erahnbar,
was es heißt, auf diesen „Dritten“ in einer Lebenspartnerschaft zu verzichten:
Von vornherein also nur mit Wasser zu kochen,
anstatt zugleich auf den zu vertrauen, der Liebe in Fülle zu schenken vermag.

Schauen wir aber auch auf die Kirche von Hildesheim 
und auf diese Gemeinde St.Michael.
Wir alle kochen mit Wasser – auch in der Kirche.
Alle Bemühungen der letzten Jahre und Jahrzehnte
konnten nicht verhindern, daß die Kirche zu einer marginalen Größe schrumpft. 
Jetzt schrumpfen in einem erschreckenden Maße auch die Finanzen,
mit deren Hilfe wir manches vertuscht haben:
Mit den direkten Steuern gehen automatisch die Kirchensteuern zurück.
Zudem bleibt es für’s erste bei der hohen Zahl von Arbeitslosen,
die selbstverständlich keine Kirchensteuern zahlen können.
Und nicht zuletzt nimmt die Gesamtbevölkerung 
und damit selbstverständlich auch die Zahl der Katholiken 
in Zukunft noch rapider ab als bisher.
Das heißt: Noch weniger Geld.
Selbst das Wasser, mit dem wir kochen, wird knapp!
Wir werden das schon bald auch in Göttingen und in St.Michael
schmerzlich zu spüren bekommen.

In dieser Situation sollten wir uns an das heutige Evangelium erinnern
und an den, von dem allein wir immer wieder neu die Fülle erwarten können,
an den also, auf den die Kirche gebaut ist: Jesus Christus.
Ihm dürfen wir vertrauen, daß Er das Wasser, 
mit dem wir Menschen nur kochen können,
in köstlichen Wein verwandeln wird –
wahrscheinlich nicht so, wie wir es mit unseren Plänen
für die Zukunft von Kirche und Gemeinde erwarten.
Aber vielleicht ganz anders!

Wir sollten unseren Blick schulen für das, was wir tun können
und in der aktuellen Situation auch tun müssen:
für das, was Maria damals getan hat.
Sie fühlte sich erstens zuständig;
und zweitens wußte sie, an wen sie sich wenden konnte.

Und dann sollten wir unseren Blick schulen 
für die Zeichen und „Wunder“, die auch heute geschehen
Gewiß, bis auf den heutigen Tag haben Kirchensteuermittel
das Leben auch in St.Michael – wenigstens scheinbar - sehr erleichtert.
Und doch – das hatte mit „Wunder“ nichts zu tun.
Wunderbar war und ist vielmehr, daß gegen den Trend  unzählige Menschen in diese Kirche einkehren und oft zu sich selbst
und manchmal auch zu Gott finden.
Wunderbar war und ist, daß ebenfalls fast unzählige Menschen
sich rund um diese Kirche engagieren –
angefangen schon von den Kindern,
die als Sternsinger von Haus zu Haus den Menschen Gottes Segen gebracht 
und zugleich mehr als € 3.000,-- gesammelt haben 
für Kinder in den ärmsten Ländern dieser Welt,
bis hin zu den wirklich Unzähligen,
die seit mehr als dreizehn Jahren Tag für Tag
den Mittagstisch für Bedürftige dieser Stadt besorgen.

Es wäre in meinen Augen mehr als verwunderlich
und vor allem unserem Glauben und unserer Hoffnung ganz und gar widersprechend,
wenn wir nicht auch in der aktuellen schwierigen Situation
auf die Fülle der Gaben dessen vertrauen könnten,
der zu Kana Wasser in Wein verwandelte.
Von der ?berfülle jenes Weines von Kana leben wir noch heute.

Zeichenhaft wird nach dieser Eucharistiefeier
etwas von diesem Wein kredenzt.
Lassen Sie sich dazu einladen!
Und setzen Sie damit selbst ein Zeichen Ihres Vertrauens.

Amen.