Predigt zum 23. Sonntag im Jahreskreis (C)
am 5. September 2004 |
Zum Evangelium: Lk. 14, 25 - 33 Bezug zur Lesung: Phlm. 9 b - 17 Autor: P.Heribert Graab S.J. |
Ja - das ist fürwahr heftig! Da predigen die Kirchen Jesu Christi den Zusammenhalt der Familie gegen alle Auflösungstendenzen unserer Zeit, und hören nun im Evangelium, wie Jesus selbst diesen Zusammenhalt der Familie unterminiert. Dazu fällt mir noch ein anderes Jesuswort ein, das so gar nicht in unser Jesusbild paßt, und das wir gerne verdrängen: „Denkt nicht, ich sei gekommen, um Frieden auf die Erde zu bringen. Ich bin nicht gekommen, um Frieden zu bringen, sondern das Schwert. Denn ich bin gekommen, um den Sohn mit seinem Vater zu entzweien und die Tochter mit ihrer Mutter und die Schwiegertochter mit ihrer Schwiegermutter." (Mt. 10,34 f) Es kann nicht angehen, daß wir solch anstößige Texte nach unserem Gutdünken aus dem Evangelium eliminieren. Also bleibt uns nichts anderes übrig, als uns damit auseinanderzusetzen. Eine erste Verständnishilfe bekommen wir, wenn wir den konkreten Hintergrund betrachten, auf dem solche Texte entstanden sind: Lukas hat diese Texte aufgeschrieben für eine Gemeinde, die in ihrer Umwelt vielfach auf Ablehnung stieß und schon ersten Verfolgungen ausgesetzt war. Davon blieben auch Familien nicht unberührt. Wenn z.B. junge Leute sich als Christen bekannten, deren Eltern jedoch beharrlich darauf bestanden, dieses Bekenntnis zu widerrufen, dann entstand daraus ein handfester Konflikt. Und der wurde - den Gepflogenheiten einer patriarchalischen Zeit entsprechend - vom Vater autoritär und gegebenenfalls mit Zwangsmaßnahmen „gelöst". Die Folge: Mancheiner der jungen Leute sagte sich von seiner Familie los und suchte Zuflucht in der Gemeinde. Hier erlebte er Beziehungen einer ganz neuen Qualität; hier erlebte er einen herrschaftsfreien Raum, ein geschwisterliches Miteinander, ansatzweise schon etwas vom angebrochenen Reich Gottes. Die Älteren von uns haben durchaus ähnliche Situationen erlebt oder wenigstens davon gehört - in der Zeit der Naziherrschaft. Meistens spielten die sich umgekehrt ab: Aufgehetzte Kinder lieferten Ihre Eltern wegen deren Ablehnung des Nazionalsozialismus sozusagen „ans Messer". Ähnliches hat es wohl auch zu Zeiten des Kommunismus in der ehemaligen DDR gegeben. In welchen konkreten Situationen Jesus selbst jene anstößigen Sätze gesprochen hat, können wir nur vermuten. Aber auch zu Seiner Zeit gab es wohl schon massive Konflikte, wenn - wohlgemerkt - erwachsene Menschen Ihm nachfolgten und damit auf das Unverständnis ihrer Familien stießen. Schließlich hatte Jesus selbst einschlägige Erfahrungen: Auch Seine Familie versuchte ja, Ihn gewaltsam zurückzuholen, „denn sie sagten: Er ist von Sinnen". (Mk.3,21) Es geht Jesus also nicht darum, zwischenmenschliche Beziehungen kaputt zu machen: Wir alle leben von solchen Beziehungen. Gerade familiäre, aber auch freundschaftliche Beziehungen und ein gutes Miteinander im Beruf sind für uns alle lebensnotwendig. Was aber, wenn Beziehungen unfrei machen, wenn sie von Macht und Herrschaft geprägt werden, wenn sie mit ungleichen Chancen oder mit Neid zu tun haben, wenn sie Menschen zwingen, sich zu verbiegen? Niemand löst sich leichtfertig aus tiefverwurzelten oder auch aus alten eingefahrenen Beziehungen. Aber es scheint Situationen zu geben, bei denen Jesus die Meinung vertritt, ein Ende mit Schrecken sei besser als ein Schrecken ohne Ende. Das Beispiel des Sklaven Onesimus, von dem wir in der Lesung gehört haben, zeigt, daß z.B. Paulus seinen ganzen Einfluß geltend macht, um einen solchen Bruch zu verhindern, daß er aber zugleich darauf besteht, die alte Beziehung Herr-Sklave umzuwandeln in eine neue brüderliche Beziehung. Auch in den Augen des Paulus konnte eine Gemeinschaft von Christen nur dann Zeugnis vom angebrochenen Gottesreich geben, wenn in ihr die Gegensätze zwischen Herren und Sklaven, zwischen Vätern und Söhnen, Mann und Frau, wenn in ihr die oftmals unmenschlichen Regeln einer patriarchalischen Gesellschaftsordnung durch ein geschwisterliches Miteinander überwunden wurden. Es gibt also im Sinne Jesu Beziehungen, in denen wir so nicht einfach bleiben dürfen: Das mag heute gelten z.B. • für kollegiale Beziehungen, die vom Mobbing bestimmt werden; • für geschäftliche Beziehungen, die auf Betrug und dunkler Geschäftemacherei basieren; • für freundschaftliche Beziehungen, die den eigenen Charakter verderben oder auch den Glauben aushöhlen; • für intime Beziehungen, die eine Familie kaputt machen; • usw Es soll hier nicht unterschlagen werden, daß es auch in der Kirche und vielleicht sogar in unserer Gemeinde Herrschaftsbeziehungen und menschenunwürdige Beziehungen gibt, die in den Augen Jesu inakzeptabel sind, die also bereinigt werden müssen. Aktuelles Beispiel dafür ist etwa die Beziehung des Bischofs Krenn zu seiner Diözese St.Pölten. Diese Beziehung muß die Kirche sozusagen „von oben" besser heute als morgen klipp und klar lösen. Auch lohnt es sich, im Kontext des heutigen Evangeliums in der Kirche noch einmal darüber nachzudenken, ob das kirchliche Eherecht in allem diesem Evangelium entspricht. Gewiß sollte unbestritten sein, daß im Sinne Jesu eine Ehe geschlossen wird, „bis der Tod sie scheidet". Nur so nehmen wir wirklich ernst, was Liebe bedeutet, deren Maßstab die Liebe Gottes ist. Andererseits wäre allerdings auch zu bedenken, daß eine Ehe - sehr wohl durch die Schuld der Beteiligten! - wenigstens für einen der beiden Partner regelrecht zur Hölle werden kann. Die Frage ist, ob Jesus in einem solchen Fall wirklich entscheiden würde, diese Beziehung sei auf Biegen und Brechen aufrecht zu erhalten, oder ob Er sie nicht selbst lösen würde - und das mit allen Konsequenzen. Werfen wir noch einen kurzen Blick auf die beiden Gleichnisse vom Turmbau und vom kriegführenden König. Diese Gleichnisse hat vermutlich Lukas in diesen Zusammenhang gebracht. Sie machen jedenfalls deutlich, daß es auf gar keinen Fall darum gehen kann, Beziehungen leichtfertig einzugehen, und erst recht nicht darum, Beziehungen leichtfertig aufs Spiel zu setzen. Schon in den Verfolgungen aller Zeiten gab es gar zu viele Christen, die ihre Entscheidung für Jesus Christus nicht durchhielten, sondern ihr Fähnchen nach dem Wind setzten. Eine solche Oberflächlichkeit kann nicht die Grundlage sein für die Nachfolge Jesu Christi. Gleiches gilt aber auch für zwischenmenschliche Beziehungen: Wir tragen alle gemeinsam und jeder für sich die Verantwortung dafür, daß in unseren Beziehungen etwas sichtbar wird von der beglückenden Beziehungsstruktur des kommenden Reiches Gottes. Mit dieser Verantwortung ist es unvereinbar, - einem oberflächlichen Trend unserer Umgebung folgend - leichtfertig Beziehungen einzugehen und erst recht leichtfertig Beziehungen zu lösen. Es geht in all diesen Fragen auch um den Ernst der Nachfolge Jesu. Diese Nachfolge hat Konsequenzen. Und wer die nicht akzeptieren will, von dem sagt Jesus glasklar: „Der kann mein Jünger nicht sein!" Amen. |