Predigt zum 12. Sonntag im Jahreskreis (C)
am 20. Juni 2004
Evangelium: Lk. 9, 18 - 22
Autor: P.Heribert Graab S.J.
Wer ist dieser Jesus?
Petrus sagt: Er ist der Messias -
der Gesalbte, der von Gott Gesandte,
„Heil" für die Völker, ja für die ganze Welt.
Nichts Besseres kann dieser Welt passieren,
nichts Besseres kann auch mir passieren,
als Ihm zu begegnen, Ihm nachzufolgen,
zu Ihm zu gehören.

Und genau das sagen wir auch:
Er ist der Christus,
der Gesalbte, der Gesandte,
„Heil" auch für unsere Zeit,
und Lebenskraft für jeden von uns - ganz persönlich.
Sie erinnern sich nicht, 
das genau so - ganz wie Petrus damals - gesagt zu haben?
Sie sagen es, wir alle sagen es
jedesmal wenn wir uns Christen nennen!

Zugegeben - dieser Petrus wußte damals nicht so recht,
was er da eigentlich sagte.
Und die Konsequenzen überschaute er erst recht nicht.
Das meinte Jesus wohl,
als Er - wohl ein wenig lächelnd - sagte
 (jedenfalls nach der Überlieferung des Matthäus):
„Nicht Fleisch und Blut haben dir das offenbart,
sondern mein Vater im Himmel."
Mit anderen Worten:
Diese Erkenntnis ist „nicht auf deinem Mist gewachsen",
vielmehr hat dir Gottes Geist ein Licht,
ja sogar einen Kronleuchter aufgesteckt.

Hoffen wir, Jesus hat auch für uns
noch ein Lächeln übrig,
wenn wir bis auf den heutigen Tag
nicht so recht wissen,
was wir eigentlich sagen,
indem wir uns Christen nennen.

In diesen Tagen gibt es auf dem Bahnhofsvorplatz
eine Wanderausstellung unter dem Thema „Sehnsucht".
In dieser Ausstellung können Besucher
ihre ganz persönliche Kraftquellen
auf kleine Zettel schreiben
und an Tafeln anheften.

Interessant, was da alles genannt wird: 
Erstaunlicherweise und erfreulich häufig
wird die Familie genannt - Eltern und Geschwister
oder auch die eigenen Kinder.
Auch Freundeskreise werden oft genannt
und selbstverständlich der Freund, bzw. die Freundin.
Dann ist von der Natur die Rede,
von Tieren, vom Sport, von der Musik
und von vielem anderen.

Nicht wenige Stichworte stellen das eigene Ich
als die entscheidende Kraftquelle heraus,
wenn z.B. das eigene Selbtbewußtsein genannt wird
und das eigene Aussehen,
oder wenn es einmal sogar heißt:
„Ich ganz allein!"

Erst beim zweiten Durchgang entdeckte ich
vereinzelt auch Gott und Jesus Christus
als Kraftquelle des persönlichen Lebens.
Da liegen also Einzelne inmitten eines „heidnischen" Umfeldes
durchaus auf der Linie des Petrusbekenntnisses.
Daß es so wenige sind, wiegt um so schwerer,
als es in der Ausstellung um vollkommen anonyme Angaben geht.
Aber das paßt mit meiner Erfahrung hier in St.Michael zusammen:
Mehrfach schon habe ich es erlebt,
daß sich hier in unserer Kirche beim Gottesdienst
Berufskollegen ganz zufällig trafen
und sich mit dem erstaunten Ausruf begrüßten:
„Wie - du bist auch katholisch?!"

Wo die Kirche noch „Volkskirche" ist,
war es lange Zeit selbstverständlich,
nicht nur in der Kirche, sondern auch im Alltag
Christen zu begegnen.
In einem weitgehend säkularisierten Umfeld jedoch
ist der Glaube an Jesus Christus privatisiert.
Daß dieser Christus die Kraftquelle meines Lebens ist,
und daß ich in Ihm das „Heil der Welt" sehe,
geht in der Regel niemanden etwas an.

In diesem Sinne hätte Petrus eigentlich schon damals,
als er im engsten Freundeskreis gefragt wurde,
den Mund halten können.
Erst recht ist es auf dem Hintergrund
eines privatisierten Glaubens,
wie er heute um sich greift,
nicht nachvollziehbar,
daß dieser Petrus nach Pfingsten „auf die Straße" geht,
um den Glauben an Jesus Christus zu verkünden.

Noch etwas anderes kommt hinzu:
Wir haben uns in den Zeiten der Volkskirche daran gewöhnt,
daß Pfarrern und dann auch anderen „Hauptamtlichen"
die Aufgabe zufällt, Menschen für Christus zu gewinnen. 
Das ist schließlich ihr Beruf,
dafür werden sie bezahlt.

Da wir unter radikal veränderten Umständen
nicht von selbst auf die Idee kommen,
da könne irgendetwas nicht stimmen,
muß Gott uns wohl auf die Sprünge helfen
durch eine einschneidende Verknappung der Finanzen,
wie wir sie augenblicklich erleben.

Vielleicht geraten wir damit ja gar nicht 
in eine bejammernswerte Situtation!
Vielleicht steckt da ja eine Herausforderung Gottes dahinter!
Vielleicht fragt Er uns heute wie den Petrus damals:
Für wen haltet Ihr den Menschensohn?
Was bedeutet Er Euch?
Seid ihr wirklich davon überzeugt,
• daß Er das „Heil der Welt" ist?
• daß Er Eurem Leben Sinn und Lebenskraft schenkt?
• daß Er auch euren Mitmenschen Orientierung geben kann?
• und daß Ihr die Verantwortung dafür tragt -
 und nicht irgendwelche Hauptamtlichen!?

Das Petrusbekenntnis hat Konsequenzen:
• Es geht darum, nicht nur im stillen Kämmerlein 
 ein Christ, eine Christin zu sein.
• Es geht darum, im Alltag und öffentlich zu diesem Bekenntnis zu stehen.
• Es geht darum, Menschen für die Nachfoge Jesu zu gewinnen,
 weil Er das „Heil der Welt" und jedes Einzelnen ist -
 Er allein!
• Es geht darum, „Katecheten" zu sein in unserer alltäglichen Umgebung,
 Katecheten zu sein vor allem für unsere Kinder.
 Das können wir nicht weiterhin den Hauptamtlichen überlassen!
• Es geht darum, Menschen einzuladen 
 in die Gemeinde Jesu Christi und auch in deren Gottesdienste.
• Es geht darum, daß wir alle miteinander 
 eine offene und einladende Gemeinde sind.
 Auch dafür können wir nicht mehr 
 vor allem die Hauptamtlichen verantwortlich machen!

Wenn das Bistum Hildesheim wegen der finanziellen Notsituation
zweifelsohne notwendige Umstrukturierungen plant und realisiert,
dann packt es damit in Wirklichkeit nur Nebensächliches an.
Das Hauptsache haben bisher 
weder „die in Hildesheim",  noch wir hier im Auge:
Es geht nicht um neue Strukturen,
sondern um ein neues Verständnis von Christsein:
Letztlich geht es um unsere Antwort auf die Frage Jesu:
„Für wen haltet Ihr mich?"

Amen.