8. Sonntag im Jahreskreis C: "Narrenpredigt" zum Karnvalssonntag, 25. Februar 2001
Texte des Sonntags: Sir. 27, 4-7 und Lk. 6, 39-45. 
Autor: P.Heribert Graab S.J. 
Einige Verse verdanke ich Pfarrer Helmut Baierl, Faulbach.
Ihr Schwestern, Brüder, Christenleute,
Ihr wißt schon, Karneval ist heute.
Da soll auch die Predigt sich närrisch entfalten
und streng sich an Reim und Versmaß halten.

Daß ich als Narr das heut will machen,
bedeutet nicht, Ihr müßt auch lachen.
Der Narr will nicht nur Späße treiben, 
er muß, um wirklich Narr zu bleiben,
sowohl den Jungen wie den Alten
den Spiegel vor die Augen halten,
damit sie alle, Greis und Kind,
begreifen, wie sie wirklich sind.

Mit einer Nase im Gesicht
sich vieles gleich viel leichter spricht.
So konnten Hofnarren mit Klarheit
dem König sagen manche Wahrheit. 

Solche Wahrheit ist verbrieft
auch in den Texten der Heil‘gen Schrift.
Da fragt der Narr vor allen Leuten,
ob die wir schärfer nicht müßten deuten,
als vielen heute gut erscheint
und mancher unbekümmert meint.

Das Wort der Bibel - Ihr habt‘s vernommen -
zum Karneval ist hoch willkommen.
Ich denk, es ist uns allen klar:
der wirklich Weise ist ein Narr.

Ein Weiser ist auch Jesus Sirach, 
ein Meister in der Narren Fach.
Mit seinen Sprüchen er provoziert 
und sagt die Wahrheit ungeniert.
Hinter den Bildern kaum versteckt 
der Dümmste noch sich selbst entdeckt.

Wir schütteln ohne jede Liebe
durch unsrer Vorurteile Siebe
der lieben Nachbarn Wort und Taten
und haben dann- ihr dürft es raten -
im Sieb genau den Abfall drin,
den Jesus Sirach hatt‘ im Sinn.
Und glaubt nur nicht, der würd‘ vergraben
wir wollen schließlich uns an ihm laben,
wenn wir genüßlich drüber reden
und fast im siebten Himmel schweben,
weil des Nachbarn Schlechtigkeit
läßt leuchten unsre Gerechtigkeit.

Gemeinhin nennt man so was Tratsch.
Die Folge davon ist viel Knatsch.

Die Sprüche sind wie klare Spiegel.
Darauf geb ich euch Brief und Siegel.
Das gilt auch für den nächsten Spruch:
„Der Art des Baumes entspricht die Frucht."

Das hatte auch Jesus, der Christus, vor Augen:
„Erntet man etwa von Dornen Trauben?
Oder vielleicht von Disteln Feigen?"
So macht sich Jesus den Sirach zu eigen.

Aus unseren Früchten läßt sich erahnen,
wie wir denken, in welchen Bahnen.
Ein guter Mensch wirkt Gutes nur
Das Böse quillt aus verderbter Natur.
Es mag einer scheinen als „toller Hecht" -
wenn er schlecht denkt, dann ist er schlecht.

Die Sprüche Jesu es uns verraten:
Auch er ist nach Art von Narren geraten.
Wie Narren mit scharfem Auge er sieht,
was täglich in dieser Welt geschieht.
Und was er sieht, das tut er kund -
ein Narr hält einfach nicht seinen Mund.

Ganz unerschrocken er konstatiert:
Das Volk wird durch blinde Führer regiert.
Als Folge - wie kann‘s anders ein? -
fall‘n beide in die Grube rein.

Mit Blindheit sind auch heut‘ geschlagen
die Römer, die in unsren Tagen
Prinzipien über den Menschen stellen,
selbst Bischöfe damit verprellen,
daß sie Beratung im Konflikt
versehen strikt mit ‘nem Verdikt.
Da zieh‘ ich vor‘m Bischof von Limburg den Hut:
Der zeigt eine christliche Tugend - den Mut.

In unserem Staat war ein Fanal
der BSE- und Rinderskandal.
Aus Steuern hoch subventioniert
die Rindermast lief wie geschmiert.
Und jetzt - sagt selbst, es ist zum Heulen -
Milliarden fließen, um zu keulen.
Wer solchen Wahnsinn produziert,
den nenn‘ ich blind, ganz ungeniert.
Der sollte bei den nächsten Wahlen
ganz tief in eine Grube fallen.

Blinde Führer - darauf merke -
sind seit Jahren schon am Werke
bei der Produktion von Strom
aus der Spaltung des Atom.
Für den Strahlenmüll jedoch
fehlt ‘ne Lösung immer noch.

Ohne Rücksicht auf das Morgen
Abfall heute zu entsorgen
einfach in die Landschaft rein,
würde niemand uns verzeih‘n.
Ein Stadtrat würde selbst bestraft,
falls keine Deponie er schafft.
Sagt selbst - ist der nicht restlos blind,
der einfach Energie gewinnt
und die Probleme schiebt auf morgen:
Sollen sich darum die Kinder sorgen!
Die fallen schließlich in die Gruben -
das schert die nicht, die blinden Buben.

Ihr dürft mich getrost einen Narren nennen. 
Ihr wißt es ja alle: Es dürfen und können
gerade in mancherlei Lebenslagen
nur Narren wirklich die Wahrheit sagen.

Ich setz‘ mich nicht auf‘s hohe Pferd;
das wäre nach Jesu Sinn gänzlich verkehrt.
Denn Jesus spricht nicht vom Splitter nur,
den einer find‘t in des And‘ren Natur;
er mahnt auch, den Balken zu erkennen,
von dem wir selbst uns müssen trennen.
Das ist - wir wissen‘s nur zu gut -
‘ne Sache, die niemand gerne tut.

Und wenn ich nun selbst in den Spiegel schau‘,
ich meinen Augen kaum noch trau:
Da seh‘ ich der Fehler ‘ne ganze Menge,
und fühl mich gehörig gedrängt in die Enge.

Auch bin ich ja Hirt der Gemeinde hier
und trag‘ Verantwortung dafür.
Die Balken in dieser Gemeinde wir pflegen,
anstatt vor der eigenen Türe zu fegen.

Unsere Kirche ist offen von früh bis spät,
doch kaum einer ist, der zu Fremden hingeht,
sie herzlich begrüßt und ihnen sagt:
„Du bist uns willkommen, ungefragt.
Suchst Du Kontakt, Du findest ihn hier.
Komm nur, wir trinken zusammen ein Bier."

In and‘rer Probleme misch ich mich nicht ein.
Es könnte ja ziemlich anstrengend sein.

Es bräuchte jemand ein gutes Wort,
dann hör‘ ich lieber geflissentlich fort.

Gruppen für Kinder müssen schließen,
weil Leiter nicht aus dem Boden sprießen.
Die Folgen davon beklag ich gern,
doch selber was tun - das liegt mir fern.

Die Kranken warten auf meinen Besuch,
zu tun gäb‘ es wahrlich mehr als genug.
Doch fühl ich mich jetzt schon arg gestreßt,
wie eine Zitrone ausgepreßt.
Das Elend ist, ich hab‘ keine Zeit;
das Hemd ist mir nahe, der Rock sehr weit.
Der Beruf macht mir Sorgen, viel Privates auch,
die Prüfungen liegen mir heftig im Bauch.
Und dann liegt der Pfarrer mir noch in den Ohren!
Ich halte das wahrlich für unverfroren.

Ein Christ bin ich dennoch - ein guter sogar;
des sonntags die Kirche - das ist doch klar.
Da könnten andre ein Beispiel sich nehmen.
Mich kann nur ein Narr als „Heuchler" verfemen.

Präzise da liegt der Hund begraben:
Wie kann ein Narr mir etwas sagen?
Und mag dieser Narr auch Jesus sein.
Man kann‘s übertreiben. Ich sage „Nein".

Dies Nein entspricht der Weisheit der Welt,
es liegt auf der Linie dessen, was zählt.

Mir aber sei es nicht verwehrt,
das Ganze zu sehen umgekehrt:
Paulus fragt: Was nützt es mir,
wenn ich alles gewinne hier,
darüber aber mich selbst verliere
und als Mensch schlichtweg krepiere?
Wer in den Augen dieser Welt
sich den Klugen zugesellt,
ist in Wirklichkeit ein Tor,
kommt er sich auch weise vor.

Wahre Menschen, Christen gar
gibt‘s nur in der Narrenschar.
Darum feiern Christen auch
Karneval nach altem Brauch.

So sag ich allen - Mann und Frau
von ganzem Herzen Alaaf und Helau!