Predigt zum 29. Sonntag im Jahreskreis (C) 
am 21. Oktober 2001
Lesung: Ex. 17, 8-13; Evangelium: Lk. 18, 1-8; Autor: P.Heribert Graab S.J.
Vielleicht wissen einige von uns
- oder glauben wenigstens zu wissen -
was in der augenblicklich so angespannten Weltsituation
die verantwortlichen Politiker tun sollten.

Aber wissen sie auch,
was sie selbst tun sollten,
was sie selbst tun können,
und was sie daher auch tun müssen?

Möglicherweise kann uns die heutige Lesung
aus der Frühgeschichte Israels Anregungen geben.
Vielleicht können wir von Mose lernen.
Es geht da um einen lebensentscheidenden Kampf Israels
mit den existenzbedrohenden Amalekitern.
Mose steht abseits auf einem Hügel:
nicht mit geballten Fäusten,
sondern mit offenen, zum Himmel erhobenen Händen.
Zugleich steht er mit beiden Beinen fest auf der Erde.
In dieser Grundhaltung vertrauensvollen Betens
strömt ihm eine göttliche Kraft zu -
für sich selbst, für sein Volk
und für das, was in dieser bedrohlichen Situation geschieht.

Dabei spielt das Kampfgetümmel rund um Josua
eine sehr untergeordnete Rolle.
Den entscheidenden Dienst tut Mose!
Wie in so vielen alttestamtentlichen und vor allem prophetischen Texten
wird auch hier schlicht und einfach gesagt:
„Verlaßt euch nicht auf eure Waffen!
Vertraut vielmehr auf Gott!
Er ist treu und schafft letztendlich denen Recht,
die in ihrer Not zu ihm um Hilfe rufen."

Selbstverständlich kommt es auch auf uns an,
auf unsere Entscheidungen,
auf unser Handeln,
auch auf unser politisches Handeln.
Aber die richtige Entscheidung,
das richtige Handeln
und die Kraft dazu
erwächst damals wie heute 
aus gläubiger Gottverbundenheit und aus dem Gebet. 

Für eine christliche Spiritualität war und ist das
zu allen Zeiten selbstverständlich.
Die Haltung des Mose kommt zum Ausdruck
in dem benediktinischen „ora et labora",
ebenso wie in dem Motto der Mönche von Taizé:
„Kampf und Kontemplation". 
Und genau das ist auch gemeint,
wenn Ignatius sagt:
„Handle so, als ob alles von dir abhinge;
aber zugleich: bete so, als ob alles von Gott abhinge!" 
Bete also wie die Witwe des Evangeliums:
intensiv, ausdauernd, ja sogar aufdringlich,
und vor allem ohne aufzugeben.
Bete also wie Mose,
dem dieses Beten sogar an die Substanz geht,
der für diesen mühsamen und kraftzehrenden Dienst
den Beistand anderer braucht,
um überhaupt durchzuhalten.

Als es vor Jahren um Abschreckung 
durch immer mehr und immer verherendere Waffen ging, 
haben Ordensleute sich zusammengeschlossen 
zum Engagement für einen Frieden 
aus der Kraft des Glaubens und des Gebetes.
Vor den verbarrikadierten Toren der Raketenstützpunkte
haben wir nichts anderes getan,
als immer und immer wieder miteinander zu beten.

Noch ohne wirklich zu wissen, 
was denn heute in dieser bedrängenden Situation der Weltpolitkik
von gläubigen Christen gefordert ist,
haben wir vorgestern hier in St.Michael
eine ganze Nacht lang um den Frieden
und um die richtigen Entscheidungen auf diesen Frieden hin
gebetet.

Diese Gebetsnacht war Zeichen und Zeugnis in dieser Stadt -
ein Zeichen ganz im Sinne des Mose
oder auch im Sinne Jesu, 
der uns die Geschichte der Witwe erzählt hat.

Ein Zeichen allerdings, das durchaus hätte deutlicher sein können:
Die Zahl der Betenden hielt sich in Grenzen,
und in den späteren Nachtstunden
waren Menschen wie Mose sogar allein,
ohne die Solidarität von Mitbetenden,
die sie hätten stützen können.

Woran mag das gelegen haben?
Haben wir uns seit 1945 vielleicht zu sehr daran gewöhnt,
daß Kriege weit weg „in der Wallachei" stattfinden
und uns kaum persönlich betreffen?
Oder aber reicht vielleicht unser Glaube nicht aus?
„Wenn der Glaube fehlt," sagt Augustinus,
„wird das Gebet eingestellt."
„Der Glaube ist die Quelle des Betens.
Und das Wasser kann nicht fließen,
wenn die Quelle versiegt ist."

Um beten zu können, müssen wir glauben.
Und umgekehrt:
Damit der Glaube, in dem wir beten, nicht versagt,
müssen wir beten.

Aber auch: Um als Christen verantwortlich handeln zu können,
brauchen wir einen lebendigen Glauben. 
Und umgekehrt:
Damit der Glaube kein toter Glaube bleibt,
ist es notwendig, daß er „Hand und Fuß" bekommt.

Und schließlich:
„ora et labora" - „Kampf und Kontemplation" -
Beten und Handeln gehören zusammen.
Denn ohne unser Gebet
ist unser Handeln ohne Fundament.

Es gibt also drei wesentliche Eckpunkte,
auf die es im Augenblick und immer wieder ankommt:
Glauben - Beten - Handeln.
Diese Eckpunkte können unser ganz persönliches Leben verändern,
aber eben auch unser politisches Denken, Reden und Tun.

Amen.