Predigt zum 18. Sonntag im Jahreskreis (C) 
am 5. August 2001
Zu den Lesungen: Koh. 1,2; 2,21-23 und Lk. 12,13-21. 
Autor: P.Heribert Graab S.J.
Zwei kurze Bemerkungen vorweg:

1. Wie fast immer ist die Auswahl der alttestamentlichen Lesung
auf das Evangelium abgestimmt.
Dennoch ist die Aussageabsicht der Autoren
keineswegs gleich.

2. In keinem der beiden Texte geht es darum,
uns unseren Wohlstand madig zu machen!
Worum geht es dann?

Werfen wir zunächst einen Blick auf Kohelet.
Das ist ein pädagogischer Text,
der von einer altüberlieferten, „frommen" Tradition
Abschied nimmt:
Der Gute werde „automatisch" belohnt,
der „Böse" dagegen werde bestraft.
Anders ausgedrückt:
Reichtum sei Belohnung für ein Leben in Gerechtigkeit,
Armut jedoch die wohlverdiente Strafe für Ungerechtigkeit.

In der Zeit des Kohelet war die alte Ordnung Israels zusammengebrochen.
Die solidarische Gemeinschaft der Sippenverbände
war durch das System des Königtums abgelöst worden,
und mehr und mehr machten sich
Ausbeutung, Unterdrückung und Korruption breit.
Es entstand ein riesiges Gefälle zwischen arm und reich,
und die alten Lebensweisheiten paßten nicht mehr zusammen
mit den konkreten Erfahrungen der Zeit.

In die „Wunde" dieser Diskrepanz legt Kohelet seinen Finger,
räumt mit den alten „Weisheiten" auf 
und sagt : Der Vorwurf:
„Mir geht es schlecht, obwohl ich doch ein guter Mensch bin!"
führt in die Irre - ist nichts als „Windhauch".
Ganz andere Zusammenhänge, 
- im „System" begründete Zusammenhänge -
sind maßgeblich für das Schicksal von Menschen.
Es geht nicht an, Gott verantwortlich zu machen -
weder für Glück und Reichtum, 
noch für Armut und Not.
Jede Generation muß ihr Leben selbst aufbauen -
und zwar hier auf dieser Erde,
unter den hier gegebenen Bedingungen.
Vertröstende Jenseitsspekulationen
sind da fehl am Platze. 

Schauen wir uns nun den Lukas-Text an:
Da geht es um das Laster der Habsucht auf Kosten anderer.
„Hütet euch vor jeder Art von Habgier!" sagt Jesus.
Was er damit meint, illustriert er am Beispiel
des reichen Kornbauern.

Dem geht es keineswegs darum,
seinen eigenen Lebensunterhalt für die Zukunft zu sichern.
Vielmehr ist er jetzt schon reich genug,
um in eine neue Großscheune zu investieren.
Was der Bauer tut, nennen wir heute „Spekulation":
Er hortet seine Rekordernte für schlechtere Zeiten,
um dann zu einem weitaus besseren Preis zu verkaufen.
Er treibt die Getreidepreise hoch,
indem er die Ernte zurückhält,
und beteiligt sich so an einem Wirtschaftsverbrechen,
das die antike Wirtschaft immer wieder in enorme Krisen
und die große Mehrzahl der Menschen in existenzbedrohende Not stürzte.

Die Geschichte ist also auch heute hochaktuell:
ist Spekulation doch fast so etwas geworden
wie ein Gesellschaftsspiel.
An unseren Börsen werden Unsummen an Geld gewonnen,
aber auch Unsummen verloren.
Immer geht‘s dabei auch um Arbeitsplätze
und damit um das Schicksal von Menschen.

Jesus deutet den Tod des Spekulanten
mit dem abschließenden Wort:
„So ergeht es jedem, 
der nur für sich selbst Schätze sammelt, 
aber vor Gott nicht reich ist."

Dieses Wort Jesu ist und bleibt eine scharfe Kritik
an Auswüchsen der Wirtschaft damals wie heute.
Bei der Lektüre der Wirtschaftsseiten unserer Zeitungen
lohnt es sich, die Geschichte vom Getreidespekulanten daneben zu legen.
Gewiß ist die Wirtschaft alles andere als demokratisch strukturiert.
Dennoch oder gerade deshalb können und dürfen wir als Christen
in einem demokratischen Rechtsstaat nicht schweigen
zu Verhaltensweisen, die heute so gemeinschaftsschädigend sind,
wie sie es schon zur Zeit Jesu waren.

Eine mehr ins Persönliche gehende Deutung
der Geschichte vom reichen Kornbauern
gibt eine russische Legende,
mit der ich diese Gedanken abschließen möchte:

Ein reicher Mann dachte auch im Sterben nur an das, 
woran er sein Leben lang gedacht hatte: an sein Geld. 
Mit letzter Kraft löste er den Schlüssel vom Band, 
das er am Hals trug, winkte der Magd, 
deutete auf die Truhe neben seinem Lager 
und befahl, ihm den großen Beutel Geld in den Sarg zu legen.
Im Himmel sah er dann einen langen Tisch, 
auf dem die feinsten Speisen standen.
„Sag, was kostet das Lachsbrot?" fragte er. 
„Eine Kopeke", wurde ihm geantwortet.
„Und die Sardine?" „Gleich viel." - 
„Und diese Pastete?" „Alles eine Kopeke." 
Er schmunzelte. Billig, dachte er, herrlich billig!
Und er wählte sich eine ganze Platte aus. 
Aber als er mit einem Goldstück bezahlen wollte, 
nahm der Verkäufer die Münze nicht. 
„Alter", sagte er und schüttelte bedauernd den Kopf, 
„du hast wenig im Leben gelernt!" 
„Was soll das?" murrte der Alte. 
„Ist mein Geld nicht gut genug?" 
Da hörte er die Antwort: 
„Wir nehmen hier nur das Geld, das einer verschenkt hat."