Predigt zu Allerseelen 2018 |
Evangelium: Joh. 14, 1-6 Autor: P. Heribert Graab SJ Einzelne Anregungen aus einem aktuellen Interview von P. Anselm Grün OSB. |
Die mittelalterliche Buchmalerei mag uns „naiv“ erscheinen: Sie zeigt ganz schlicht, wie Engel die Seelen zweier Verstorbener ganz liebevoll und behutsam in einem Tuch hinauftragen in den weit offenstehenden „Himmel“, wo Christus - ebenfalls assistiert von zwei Engeln - sie schon erwartet und sie - mit erhobener Hand segnend - empfängt. Wenn wir ein solches Bild betrachten, sollten wir uns als erstes bewußt machen: Es handelt sich um ein Bild! Und dieses Bild bringt etwas zum Ausdruck, was sich letztlich nicht in Worte fassen läßt. Wie wir ja überhaupt beim „Geheimnis unseres Glaubens“ immer und immer wieder auf Bilder angewiesen sind. Schließlich verwendet Jesus selbst bei Seiner Verkündigung der Botschaft des Glaubens vor allem Gleichnisse, also Bildgeschichten, einfach Bilder. Betrachten wir also ein wenig genauer diese wunderschöne Miniatur. Es geht, wie es heißt, um die „Seelen Verstorbener“, die zwei Engel vor Christus tragen. Allerdings sind die „Seelen“ nicht irgendwie phantasievoll als „Geister“ dargestellt, sondern ganz realistisch in der Einheit von Leib und Seele - ganz so, wie es dem ganzheitlichen Menschenbild der Bibel entspricht. Wir feiern schließlich die Auferstehung unserer Toten als Menschen mit Leib und Seele. Eine weitere Einzelheit der kleinen Buchmalerei: Am Boden sehen wir noch die leeren Särge oder auch Gräber dieser beiden Menschen, die von Engeln in den Himmel geleitet werden. Tod ist nicht das Ende des Lebens, der radikale Absturz ins Nichts; Tod ist vielmehr der „Hinübergang“ in das neue Leben der Fülle. Nach alter kirchlicher Tradition geleiten Engel als Boten Gottes die Verstorbenen auf ihrem Weg in die Vollendung (Fülle) des Lebens. Nicht von ungefähr ist ein Engel, der Erzengel Michael, der Namensgeber und Schutzpatron vieler Friedhofskapellen. Und nicht von ungefähr finden sich auf unseren Friedhöfen noch heute ganz viele Engel. Die haben selbst die Säkularisation unserer Zeit überstanden. Interessant ist ja, daß auch Menschen, die erklärtermaßen nicht an Gott glauben, im Blick auf brenzlige Situationen trotzdem sagen, sie hätten „einen Schutzengel gehabt“. Engel verkörpern bildhaft den Schutz, den Segen und das Weggeleit Gottes selbst. Sie stehen sosehr für Gott, daß der Gottesname „EL“ fester Bestandteil ihres Namens ist: MichaEL, GabriEL, RaphaEL… Und wie Gott selbst uns in Seinem Engel (in unseren „Schutzengel“) auf all unseren Wegen hier begleitet, so begleitet Er uns erst recht auf unserem Weg „über die Schwelle des Todes“. Wie zugewandt und liebevoll Er das tut - das bringt der Miniatur-Maler ins Bild. Selbstverständlich sind auch all die Engel auf unseren Friedhöfen - sowohl die kunstvoll dargestellten, als auch die „kitschigen“ - Sinnbilder christlicher Auferstehungshoffnung, und Zeugen eines neu geschenkten „Lebens in Fülle“. Erinnern wir uns: Es waren Engel, die am Ostermorgen den Frauen am Grab Jesu das Geschehen von Tod und Auferstehung gedeutet haben: „Sucht den Lebenden nicht bei den Toten!“ Schließen möchte ich mit einem Liedvers, der bei einer kirchlichen Begräbnisfeier oft während der Prozession zum Grab gesungen wird: „Zum Paradies mögen
Engel dich geleiten,
die heiligen Märtyrer dich begrüßen und dich führen in die heilige Stadt Jerusalem. Die Chöre der Engel mögen dich empfangen, und durch Christus, der für dich gestorben, soll ewiges Leben dich erfreuen.“ Sind das nicht schöne, hoffnungsvolle Bilder für das, was uns nach dem Tod erwartet? Daß wir im Tod nicht allein sind, sondern gut behütet bleiben! Amen. |