Impulse zum 3. Sonntag im Jahreskreis B
am 21. Januar 2017 in Sankt Peter 
Lesung: 1. Kor. 7, 29 - 31
Evangelium: Mk. 1, 14 - 20
Autor: P. Heribert Graab SJ
Heute möchte ich Sie einladen,
sich vor allem von dieser kurzen Paulus-Lesung (1. Kor.)
zum meditativen Nachdenken und auch Beten anregen zu lassen.
Hören Sie noch einmal hin auf den Kerntext:

    „Wer eine Frau hat, soll sich in Zukunft so verhalten,
    als habe er keine, 
    wer weint, als weine er nicht,
    wer sich freut, als freue er sich nicht,
    wer kauft, als würde er nicht Eigentümer, 
    wer sich die Welt zunutze macht, als nutze er sie nicht.“

Fühlen Sie sich von diesem Text provoziert?
Haken Sie ihn als ‚weltfremd‘ ab?
Oder finden Sie in diesem Text bedenkenswerte Anregungen
für sich selbst und für einen gelebten Glauben?

Stille

Erst jetzt nenne ich Ihnen den Hintergrund dieses Textes:
Paulus geht von der sogenannten „Naherwartung“ aus,
d.h. er war (wie viele Christen dieser frühen Zeit) davon überzeugt,
•    diese Zeit und die vertraute ‚alte‘ Welt
kommen sehr bald an ihr Ende,
•    Christus, der Herr, wird in Kürze wiederkommen,
•    Und ein neues Zeitalter, die neue Welt Gottes,
also das verheißene ‚Reich Gottes‘ heraufführen.

Im Text der Lesung spielt Paulus auf diesen Hintergrund an:
„Die Zeit ist kurz,“ sagt er
und „die Gestalt dieser Welt vergeht“.
Also hat es keinen Sinn,
bzw. es ist sogar unsinnig und kontraproduktiv,
sich an das zu klammern, was uns in dieser Weltzeit wichtig ist,
sich zu binden an Vergehendes.
Laßt uns unter dieser Rücksicht noch einmal innehalten:
Auch wenn die ‚Naherwartung‘ ein Irrtum in dieser frühen Zeit war -
Immerhin sind auch wir im Glauben überzeugt,
daß diese Welt, in der geheiratet wird,
in der wir weinen und uns freuen,
in der wir kaufen und verkaufen,
in der wir uns alles und jedes zunutze machen -
daß diese ‚alte‘ Welt vergänglich ist
und früher oder später an ihr Ende kommt.

Stille

Vielleicht hilft uns ein anderer Text aus einer anderen Zeit,
die Worte des Paulus besser zu verstehen
und auch für unsere Zeit zu interpretieren.
Ignatius von Loyola sagt zu Beginn der Neuzeit
im ‚Fundament‘ seiner Exerzitien:

    wir sollten „von unserer Seite
    Gesundheit nicht mehr als Krankheit begehren,
    Reichtum nicht mehr als Armut,
    Ehre nicht mehr als Ehrlosigkeit,
    langes Leben nicht mehr als kurzes…“

Auch diese Formulierungen klingen provozierend.
Lassen Sie sie dennoch einmal in sich nachklingen
und fragen Sie sich, ob Sie darin einen Sinn für sich selbst entdecken.

Stille

Vielleicht hilft uns zum Verständnis die Begründung des Ignatius.
Die setzt natürlich nicht am kurz bevorstehenden Ende der Welt an;
die geht vielmehr vom grundlegenden Ziel unseres Lebens aus.

Ignatius schreibt:
    „Der Mensch ist geschaffen dazu hin,
    Gott, unseren Herrn, zu loben, Ihn zu verehren und Ihm zu dienen,
    und so seine Seele zu retten.
    Die anderen Dinge auf Erden sind zum Menschen hin geschaffen,
    und um ihm bei der Verfolgung seines Zieles zu helfen…
    Hieraus folgt, daß der Mensch sie soweit zu gebrauchen hat,
    als sie ihm zu seinem Ziele hin helfen,
    und soweit zu lassen, als sie ihn daran hindern.“

Darüber lohnt sich nun sehr wohl nachzudenken,
zumal wenn wir die für uns unverständliche Formulierung
„und so seine Seele zu retten“
durch eine moderne Formulierung ersetzen, die etwa lauten könnte:
„und so sich selbst zu verwirklichen“.

Ignatius meint also:
Als Geschöpfe und Abbilder Gottes verwirklichen wir uns selbst,
indem wir Gott loben und Ihm dienen,
uns also in den Dienst Seines Reiches und Seiner Zukunft
und damit in den Dienst der Neuen Welt Gottes stellen,
und dementsprechend ‚die Dinge dieser Welt‘ ausschließlich
als Mittel unseres Lebenszieles
und unserer Selbstverwirklichung einsetzen.

Daraus folgt für ihn unmittelbar die Notwendigkeit,
sich innerlich frei zu machen
von unsere Anhänglichkeit an eigene Wunsch- und Zielvorstellungen.
In diesem Sinne also sollten wir „indifferent“ sein
beispielsweise gegenüber Gesundheit und Krankheit,
Reichtum und Armut, Ehre und Ehrlosigkeit,
langes Leben oder kurzes…
Es geht um die innere Freiheit für das eigentliche Ziel unseres Lebens!

Stille

Jedes Mal, wenn wir vor einer Entscheidung stehen - auch im Alltag! - gilt:  Nicht asketischer Verzicht im negativen Sinn dieses Wortes
ist angesagt, sondern Orientierung an einer beglückenden Zukunft,
in der all das seine Erfüllung findet,
was wir in diesem Leben voller Sehnsucht erhoffen.
Genau darum geht es auch in der Lesung heute.

Amen.