Predigt zum 21. Sonntag im Jahreskreis (B)
am 23. August 2009
Lesung:  Jos. 24, 1 - 2a .15 - 17.18b
Evangelium: Joh. 6, 60 - 69
Autor: P.Heribert Graab S.J.
Einige Anregungen von Claudia Simonis-Hippel aus "Gottes Volk" 7/2009
Während meines Urlaubs hatte ich
ein durchaus faszinierende Erlebnis:
Ich konnte einen überaus prachtvollen und beeindruckenden
Götzentempel unserer Zeit besuchen.

Vielleicht waren Sie selbst schon einmal in Dresden
in der “Gläsernen Manufaktur”.
Genau genommen werden dort Autos produziert -
genauer müßte man sagen:
Es werden dort “Heilige Kühe” gezüchtet.
Dementsprechend muß man auch alles vergessen,
was man sich unter einer Autofabrik vorstellt.

In Dresden ist ein Pallast aus Glas entstanden -
sogar mit einem symbolträchtigen gläsernen “Kirchturm”,
der das Ganze dominiert.
Hergestellt wird das Wunderauto nicht
auf ölverschmiertem Zementboden
in einer lärmenden Fabrikhalle.
Nein - alles bewegt sich auf hellem Parkett,
in nahezu andächtiger Athmosphäre.

Die weißgekleideten “Arbeiter” gleichen eher “Priestern”,
die das “Heilige” nur mit weißen Handschuhen berühren,
damit nur ja kein Kratzer drankommt.
Und wenn dann Käufer - oder sagen wir besser: “Gläubige” -
kommen, um das Objekt ihrer Sehnsucht persönlich abzuholen,
dann ist für sie eine regelrechte “Liturgie”
der Übergabe vorbereitet.

Mir kam mal wieder zu Bewußtsein,
wie sehr sich die Menschen
über Jahrtausende hinweg gleich bleiben -
ob ihre Götzen nun Baal oder Astarte heißen,
oder - wie in diesem Fall -
den Namen eines griechischen Philosophen tragen,
der als Schüler des Sokrates
über die - wohlgemerkt - letzten Dinge nachdenkt.

Bemerkenswert scheint mir,
wie hier Platons Ideenlehre
in einer Luxuskarosse materialisiert wird.
Allerdings wissen wir natürlich alle,
daß heutzutage nicht nur materielle Götzen
Menschen verführen,
sich gegen den einen Gott, den Gott des Lebens, zu entscheiden.
Gerade akademisch gebildete Menschen
folgen in ihrer Entscheidung ebensosehr
den verführerischen Ideen
etwa des Rationalismus und des Positivismus, des Relativismus
oder wie die modernen Ismen auch alle heißen mögen.

In jedem Fall jedoch sind wir auch heute
zur Entscheidung herausgefordert -
•    ebenso wie immer wieder das Volk Israel,
•    ebenso wie die Zuhörer des Josua,
•    ebenso wie die Jünger Jesu nach Seiner “Brotrede”,
    die sie wie viele andere als Provokation empfanden,
•    ebenso wie die Adressaten des Johannesevangeliums
    am Ende des ersten Jahrhunderts,
    von denen sich damals schon viele
    von der frühen Kirche abwandten,
    weil ihnen deren Botschaft nicht mehr einleuchtend,
    nicht mehr zumutbar und nicht mehr glaubwürdig erschien.

Was eigentlich veranlaßte Menschen damals
zu einer klaren und unumstößlichen Entscheidung für Gott?
Und was ist der Grund dafür,
daß auch wir uns nicht schon längst vom Glauben verabschiedet haben,
sondern heute hier zum Gottesdienst zusammenkommen?

1.    Die Stämme Israels trafen in Sichem eine klare Entscheidung
im Blick auf die Erfahrungen ihres Volkes in seiner Geschichte:
“Der Herr, unser Gott, war es, der uns und unsere Väter
aus dem Sklavenhaus Ägypten herausgeführt hat
und der vor unseren Augen alle die großen Wunder getan hat.
Er hat uns beschützt auf dem ganzen Weg, den wir gegangen sind,
und unter allen Völkern, durch deren Gebiet wir gezogen sind.”

Ich denke, auch wir haben Grund, dankbar zurückzublicken:
•    Uns ist eine der fruchtbarsten Regionen dieser Erde geschenkt,
    auf daß wir verantwortlich mit ihr umgehen.
•    Gewiß ging von unserem Volk der größte Krieg aller Zeiten aus,
    und unsere Väter und Mütter wurden mitschuldig
    an einem der schlimmsten Verbrechen der Menschheit.
    Dennoch wurde uns vergeben,
    und wir erleben nun die längste Periode
    von Frieden und Wohlstand unserer Geschichte.
•    Als Christen dürfen wir Glieder des neuen Volkes Gottes sein.
    Unsere Kirche wurde zwar durch die Schuld von Menschen
    immer wieder ihrer Sendung untreu.
    Dennoch war und bleibt sie ein Zeichen des Heils für diese Welt
    und durfte zu allen Zeiten
    vor allem Mittlerin göttlichen Segens sein.
•    Zudem dürfte jeder und jede von uns erzählen können,
    wieviel Segen, Beistand, Trost und Weggeleit
    Gott ihm selbst geschenkt hat
    in Stunden der Niedergeschlagenheit
    und in scheinbar ausweglosen Situationen.

Erinnern wir uns immer wieder daran!
Und entscheiden wir uns dementsprechend Tag für Tag neu
für den Gott des Lebens, dem wir all das verdanken!

2.    Schauen wir nun auch noch auf das Bekenntnis des Petrus,
der als Sprecher der “Zwölf” auf Jesu Frage antwortet:
“Wollt nicht auch ihr weggehen?”

Petrus sagt:
“Herr, zu wem sollen wir gehen?
Du hast Worte des ewigen Lebens.
Wir sind zum Glauben gekommen und haben erkannt:
Du bist der Heilige Gottes.”

Worte des Lebens,
die trösten, befreien, aufrichten und lebendig machen.
Wir alle feiern doch miteinander diesen Gottesdienst,
weil wir immer wieder die Erfahrung gemacht haben:
Hier finden wir Worte des Lebens - auch für uns ganz persönlich:
•    Worte, aus denen wir Kraft schöpfen können für unseren Alltag,
•    Worte, die uns stärken in Krisenzeiten,
•    Worte, die uns von Ängsten befreien,
•    Worte, die uns Mut zum Leben machen.

Vielleicht fällt Ihnen in diesem Augenblick ganz spontan
ein solches Wort des Lebens ein,
das Ihnen wichtig geworden ist:
Ein Wort der Heiligen Schrift vielleicht -
•    “Fürchte dich nicht!” etwa,
•    oder dieses wunderschöne Psalmwort,
    das schon viele von uns hilfreich begleitet hat:
    “Der Herr ist mein Hirte, nichts wird mir fehlen...
    Muß ich auch wandern in finsterer Schlucht,
    ich fürchte kein Unheil; denn Du bist bei mir.” (Ps. 23,1.4a)
•    oder das Wort Jesu “Sorgt euch nicht um morgen...” (Mt. 6,34)
•    oder Seine Einladung:
    “Kommt alle zu mir, die ihr euch plagt
    und schwere Lasten zu tragen habt.
    Ich werde euch Ruhe verschaffen.” (Mt. 11,28)
•    Schließlich ist auf jeden Fall ein “Wort des Lebens”
    jenes “Ich mag dich, so wie du bist” -
    sei es von einem lieben Menschen gesprochen
    oder eben letztlich von Gott selbst.

Biblische Worte können wohl auch
zum “Stein des Anstoßes”, zur Zumutung werden,
sie können herausfordern,
wie etwa die Jünger an Jesu Worten Anstoß nahmen.
Wenn Gott aber etwas zumutet,
dann ist es auch eine Einladung, es sich zuzutrauen,
daran zu wachsen und lebendiger zu werden.

Vielleicht ist Ihnen auch ein Liedvers wichtig geworden
oder ein Gebet, das Ihnen vertraut ist.
Vielleicht finden Sie auch immer wieder Ermutigung
im Zentrum der Eucharistiefeier:
“Dies ist mein Leib..., dies ist mein Blut...”,
“Ich bin bei Dir, ich bin Dir nahe” -
jetzt und “alle Tage bis zum Ende der Welt,” (Mt.28,20)
ja - auch in der letzten Stunde Deines Lebens hier in dieser Welt!

Ich wünsche uns allen die Gewißheit,
das Vertrauen und die Entschiedenheit des Petrus,
aus tiefstem Herzen zu Gott sagen zu können:
“Du hast Worte des Lebens - für mich!”

Amen