Predigt zum Christkönigssonntag
am 26. November 2006

Zum Evangelium: Joh. 18, 33b - 37
Autor: P.Heribert Graab S.J.
Die meisten von Ihnen dürften das Andersen-Märchen kennen
„Des Kaisers neue Kleider".
Zwei Betrüger packen den eitlen Kaiser an seiner schwächsten Stelle.
Sie gaukeln ihm vor,
sie könnten ihm die schönsten und kostbarsten Kleider anfertigen.
Darüber hinaus sollten sie die wunderbare Eigenschaft besitzen,
daß sie für jeden Menschen unsichtbar seien,
der nicht für sein Amt tauge oder der unverzeihlich dumm sei.

Also webten und nähten die beiden Halunken
Stoffe und Kleider sozusagen „aus Luft".
Da niemand dumm sein wollte - der Kaiser am wenigstens -
gab niemand zu, nichts, aber auch rein gar nichts zu sehen.
Alle lobten die neuen Kleider in den höchsten Tönen.
Und schließlich trat der Kaiser an einem hohen Festtag
voller Stolz und angetan mit seinen neuen Kleider an die Öffentlichkeit.
Alle jubelten ihm zu und bewunderten sein Outfit.
Nur ein kleines Kind krähte plötzlich so laut, daß alle es hören konnten:
„Der hat ja gar nichts an!"

Das Märchen illustriert eine alte Volksweisheit:
„Dummheit, Eitelkeit und Stolz
wachsen auf einem Holz."
Nicht von ungefähr wählt Andersen als Hauptperson für sein Märchen
ausgerechnet den mächtigen Kaiser
und modifiziert damit trefflich den alten Spruch:
„Dummheit, Macht und Stolz
wachsen auf einem Holz."

Mir fallen dazu nicht nur die alten Kaiser und Könige ein
und deren Ärgernis erregende Prachtentfaltung,
sondern zum Beispiel auch viele moderne Potentaten
mit ihren Phantasieuniformen und der stolz geschmückten Ordensbrust.
Auch die Abendrobe berühmter Pariser Modeschöpfer
z.B. bei der Verleihung großer Filmpreise
gehört in diese Kategorie von Dummheit, Eitelkeit und Stolz.
Und wissen Sie, wo solche Ärgernisse ihren Anfang nehmen?
Schon beim Markenfetischismus in Kindergarten und Schule.

Schließlich erinnere ich mich noch
an meinen alten Kirchenrechtsprofessor.
Der erklärte uns in einer Vorlesung
den Aufbau der kirchlichen Hierarchie.
Er zählte all die vielen Ämter, Titel und Funktionen auf
und vergaß in keinem Fall ausdrücklich zu erwähnen:
Dieses Amt, dieser Titel
ist mit einem auszeichnenden Kleidungsstück versehen.
Na also!

Auf diesem Hintergrund nun noch einmal die Frage des Pilatus:
„Du? Du bist der König der Juden???"
So wie du aussiehst - so armselig
willst du ein König sein?
Daß ich nicht lache!

Und wenn der Stadthalter lacht, dürfen die Soldaten auch lachen.
Nicht von ungefähr treiben sie anschließend
ihr königliches Spiel mit ihm.
Königlich gelacht!

Wenig später hängt Jesus sterbend am Kreuz.
„Der hat ja gar nichts an!"
In dieser Situation wendet sich die Belustigung des Pilatus
in boshaften Spott, den er über ganz Israel ausgieß.
Eine Inschrift läßt er am Kreuz anbringen:
„Jesus von Nazareth, König der Juden".

Dieser Spott gilt heute uns, die wir uns zu Jesus Christus bekennen,
die wir heute sogar ein Fest Seines Königtums feiern.
Die Nazis haben auf makabre Weise eingestimmt
in diesen Spott des Pilatus.
Und auch heute gibt‘s genug Menschen,
die überzeugte Christen ihren Spott
oder wenigstens ihr Unverständnis spüren lassen -
so sehr, daß mancheiner von uns
sein Bekenntnis zu diesem König lieber versteckt.

Und doch hat dieser Glaube an den wahren König dieser Welt
etwas Faszinierendes, etwas Begeisterndes:
•    ein König, der seine Macht nicht ausspielt;
•    ein König, der niemanden ausbeutet oder unterdrückt;
•    ein König, der gewaltlos Gerechtigkeit und Frieden schafft;
•    ein König, der diese Welt und die Menschen verwandelt
    durch seine Liebe;
•    ein König, der heilt, tröstet und aufrichtet;
•    ein König, der seine Botschaft der Liebe lebt.

Ignatius von Loyola lädt uns in seinen Exerzitien ein,
unsere eigene Dummheit zu erkennen,
mit der wir alle möglichen „Könige" dieser Welt bewundern
und ihnen nachrennen:
•    diesem oder jenem Politiker,
    der uns den Himmel auf Erden verspricht,
•    den „Königen" der Wirtschaft,
    die uns mit ihrer Werbung umgarnen,
•    den Stars und Sternchen der Musikszene,
•    den hochdotierten Helden auf dem Fußballplatz,
•    und nicht selten auch den Predigern hohler Ideologien.

Fasziniert vom König Jesus Christus läßt Ignatius
Ihn selbst in den Exerzitien zu Wort kommen
und Seinen ganz ungewöhnlichen, ausgesprochen anspruchsvollen,
und doch einladenden Ruf an uns richten:

„Mein Wille ist es, die gesamte Welt und sämtliche Feinde
(durch die gewinnende Macht der Liebe) zu unterwerfen,
und so in die Glorie meines Vaters einzugehen.
Wer deshalb mit mir kommen will,
hat sich anzustrengen mit mir,
damit er, wie er mir in der Mühsal folgte,
so mir auch in der Glorie folge."

Und Ignatius selbst fügt dann noch hinzu:
Ihr solltet „erwägen, daß alle, die Urteil und Vernunft haben,
ihre ganze Person für jene Mühen anbieten werden."

Da ist sie übrigens wieder,
•    diese Vernunft, von der Benedikt XVI. immer wieder spricht;
•    diese Vernunft, die im Glauben zur vollen Entfaltung kommt;
•    diese Vernunft, die gerade deshalb um vieles vernünftiger ist
    als alle Vernunft dieser Welt.

Versuchen Sie doch mal - wenigstens in Gedanken -
diese Vernunft in die Gestaltung Ihres Lebens einzubringen.
Und malen Sie sich in Ihrer Phantasie aus,
was passieren würde, wenn diese Vernunft maßgeblich wäre
für unsere ganze Gemeinde, für die Menschen dieser Stadt,
für die Bürgerinnen und Bürger in Niedersachsen,
in der Bundesrepublik.

Malen Sie es sich immer wieder aus -
mit allen Konsequenzen für Ihr eigenes Leben,
mit allen Verwandlungen, die um uns herum geschehen würden.
Und Sie und wir alle mitten drin!

Ich glaube, Ignatius würde recht bekommen:
Alle, die Urteil und Vernunft haben,
würden wirklich ihre ganze Person für den Dienst
in der Nachfolge des wahren Königs Jesus Christus anbieten.

Allerdings - Wieviele mag es wohl geben,
die in diesem Sinne Urteil und Vernunft haben?
Vermutlich erinnern Sie sich an das Gebet Jesu:
„Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde,
weil du all das den Weisen und Klugen verborgen,
den Unmündigen aber offenbart hast."

Damit sind wir wieder am Anfang dieser Predigt,
beim Märchen von des Kaisers neuen Kleidern:
Nur ein unmündiges Kind durchschaut das eitel-dumme Spiel,
erkennt die Wahrheit,
löst damit allerdings befreiendes Gelächter aus.

Amen.