Eine Fronleichnamspredigt im EXPO-Jahr
"Verleiblichung Gottes - Vergöttlichung der Welt"
Schriftlesung dazu: Kol. 1, 15 - 20
Autor: P.Heribert Graab S.J.
Fronleichnam ist ein „junges" Fest.
Das aber, was wir heute feiern, beginnt bereits ganz am Anfang,
beginnt mit dem ersten Schöpfungstag:
Wir feiern die Verleiblichung Gottes in dieser Welt;
oder andersherum: Wir feiern die Vergöttlichung des Kosmos.

Von allem Anfang an „entäußert" sich Gott,
begibt er sich hinein in Seine Schöpfung.
Schon über den Chaoswassern schwebte Sein Geist.
Und in der Erschaffung des Menschen 
prägt Gott der ganzen Schöpfung Sein Bild auf:
Als Sein Abbild, als Abbild Gottes
schuf er den Menschen.
In der Bildsprache des zweiten Schöpfungsberichtes ausgedrückt:
Gott formte den Menschen aus kosmischer Materie
„und blies in seine Nase (göttlichen) Lebensatem". 

Welch ungeheure Dynamik in diesem Schöpfungsprozeß steckt,
in diesem Prozeß der Verleiblichung Gottes,
bzw. in diesem Prozeß der Vergöttlichung der Welt
bringt Paulus im Kolosserbrief zum Ausdruck:
„Alles ist durch Christus und auf Ihn hin geschaffen..."
Immer schon war dieses „göttliche Wort" in der Welt.
Alles ist von Ihm und trägt geheimnisvoll Seine Züge.
Und letztendlich wird alles „in Christus" seine Erfüllung finden.
Teilhard de Chardin sieht in Ihm, in Christus
den Zielpunkt der gesamten Entwicklung des Alls:
den Punkt Omega.

„Alles im Himmel und auf Erden wollte Gott zu Christus führen."
So erfährt der Schöpfungsprozeß
einen zweiten, unüberbietbaren Höhepunkt
in der Menschwerdung des Schöpfers selbst:
„Und das Wort ist Fleisch geworden!"
Anders ausgedrückt:
Das Göttliche Wort, Christus,
ist selbst „Welt" geworden, ist „Materie" geworden.
In Ihm ist die Materie „verwandelt",
in Ihm ist die Materie „geheiligt".
In der Menschwerdung Gottes geschieht eine Konsekration der Materie.
Christus ist sozusagen das ausstrahlende Zentrum des Kosmos.
Wie die Sonne mit ihren Strahlen alles durchdringt,
so strahlt Christus aus in alle Bereiche der Welt.
Die Welt wird durch Ihn zum „Göttlichen Bereich". (Teilhard de Chardin)
Christus ist das Zentrum des „göttlichen Milieus". (Teilhard de Chardin) 

In diesem theologischen und zugleich kosmologischen Kontext
können wir nun den eigentlichen Kerngehalt des Fronleichnamsfestes
neu verstehen:
Mit den Worten Jesu über Brot und Wein
„Dies ist mein Leib, dies ist mein Blut"
ist sozusagen ein weiterer Schritt
im Prozeß der „Vergöttlichung" von Welt und Materie angezeigt.
Hier geschieht so etwas wie eine „Verlängerung der Menschwerdung Gottes"
hinein in die Materie von Brot und Wein,
ja von Materie überhaupt.
Teilhard sagt:
„Die Hostie (der Wein) gleicht einem glühenden Herdfeuer
dessen Flamme ausstrahlt und sich ausbreitet."
Vergleichbar ist diese Ausstrahlung
der geistigen Ausstrahlung eines Menschen,
deren Zentrum der menschliche Leib ist.

Indem wir „kommunizieren"
setzen wir selbst uns dieser Ausstrahlung aus:
Wir lassen zu, streben sogar an,
selbst verwandelt zu werden,
selbst mehr und mehr „vergöttlicht" zu werden,
also tiefer hineinzuwachsen in den „göttlichen Bereich",
in die Gemeinschaft mit Gott in Jesus Christus.

Und noch etwas:
Das verwandelte, das vergöttlichte Brot,
der verwandelte, der vergöttlichte Wein
enthalten eine Verheißung:
Die Verheißung der Umgestaltung und der Verwandlung
der ganzen materiellen Welt und des gesamten Kosmos.
Die ganze Schöpfung unterliegt langsam und unwiderstehlich
einer großen, allumfassenden „Konsekration".

Wenn Sie so wollen,
ist diese Verheißung der wichtigste Beitrag
zur EXPO 2000 „Mensch - Natur - Technik".

Amen.