Predigt zum Karnevalssonntag 2000: 
5. März 2000 - 9. Sonntag im Jahreskreis B
Evangelium: Mk. 2,23 - 3,6
Obwohl der Karneval in Göttingen nicht gerade zu Hause ist, findet eine "Narrenpredigt" in der Abendmesse des Karnevalssonntags doch seit Jahren großen
Anklang. Nicht immer reicht die Zeit, zum Sonntagsevangelium oder zu anktuellen Anlässen eigene Verse zu schmieden. So verdanke ich in diesem Jahr einen
erheblichen Teil der Predigt dem Pfarrer der Gemeinde St.Mariä Verkündigung in Faulbach, Helmut Baierl. 
Es bedankt sich hiermit 
P.Heribert Graab S.J. 
 Göttingern ist der Karneval 
 in der Regel recht egal; 
 dennoch, Ihr Schwestern und Brüder auch, 
 ist es seit Jahren bei mir Brauch, 
 heute in Reimen die Botschaft zu sagen. 
 Ich bitt‘ Euch, darüber nicht zu klagen. 

 Da steht doch im Gesetz geschrieben: 
 Den Tag des Herrn, den sollst du lieben. 
 Wie gesagt, so auch getan: 
 Jesus zur Synagoge kam. 
 Er wollte beten fromm und brav, 
 doch plötzlich er den Lahmen traf. 
 Zu heilen diesen armen Mann, 
 gesetzlich nicht in Frage kam. 
 Doch Jesus machte ihn gesund. 
 Den Pharisäern war‘s zu bunt. 
 Sie protestierten, lamentierten; 
 das Wesentliche sie nicht kapierten: 
 Der Sabbat ist für den Menschen da! 
 Nicht umgekehrt - das ist doch klar. 
 Gehorsam ohne den Verstand 
 führt keineswegs in Gottes Land. 
 Verzicht auf‘s Denken wird fanatisch: 
 Gehorsam wirkt nicht automatisch! 

 Heut glauben manche in der Tat, 
 dass immer mehr der Automat 
 das Leben in der Welt bestimmt 
 und uns das Denken gänzlich nimmt. 
 Auch Arbeit muß partout nicht sein, 
 wir setzen Automaten ein. 
 Der Mensch wird zunehmend apathisch; 
 denn was geschieht, geht automatisch. 

 Darum ist mancher schon gewohnt, 
 dass Selbermachen sich nicht lohnt. 
 Der Automat, gut programmiert, 
 besorgt, dass alles funktioniert. 
 Doch geht nicht alles streng nach Wunsch, 
 dann zieht der Kunde einen Flunsch. 

 Im Glauben ist nun dies ein Punkt, 
 an dem es in der Bibel funkt. 
 Da sagt uns Christus unsgeschminkt: 
 "Wie sehr doch euer Glaube hinkt! 
 O nein, was seid ihr doch phlegmatisch! 
 Ihr meint, auch hier ging's automatisch. 
 Man ruft ein paar mal nur: Herr, Herr! 
 und denkt dies frömmelnde Geplärr 
 erregt ‘ne Kettenreaktion. 
 Es landet prompt an Gottes Thron. 
 Gott Vater lächelt froh und heiter, 
 reicht das Geplärr an mich dann weiter. 
 Ich aber geb‘ es meinerseits 
 hinüber an den Heilgen Geist. 
 Der stupst Maria sanft am Arm, 
 Maria gibt gleich Großalarm. 
 Die Engel sammeln sich zuhauf 
 und stürzen fort in schnellem Lauf, 
 die Heiligen zu alarmieren. 
 Und die nun öffnen alle Türen 
 am Gnadenschatz vom Himmelreich. 
 Daraus ergießt sich alsogleich 
 ein breiter Strom von Gottes Gnad. 
 Das wär ein schöner Automat!" 

 "Doch nein", sagt Christus, "dreimal nein, 
 so wird der Himmel niemals sein. 
 Ich hasse diese Heilsroutine. 
 Gott ist wahrhaftig nicht Maschine. 
 Er ist auch keine Feuerwehr, 
 denn die ruft jedermann nur her, 
 wenn's brennt, und sonst vergisst er sie. 
 Doch Gott vergisst den Menschen nie! 
 Deshalb erwartet er mit Recht, 
 dass ihr nicht dann und wann mal sprecht: 
 Herr, Herr, vielleicht gar sehr emphatisch – 
 und denkt: der Rest geht automatisch." 

 Zwar kann sich niemand selbst erlösen. 
 Zu stark ist noch die Macht des Bösen. 
 Rechtfertigung - das lernten wir, 
 schreibt Gott allein sich auf‘s Panier. 
 Reicht Gott euch nicht die Hand zur Rettung, 
 bleibt ewig ihr in Schuldverkettung. 

 Doch müsst ihr selber auch was tun, 
 dürft nicht in Heilsgewissheit ruhn. 
 Wer meine Worte hört und hält, 
 der hat den rechten Weg gewählt, 
 der baut auf festem Fundament, 
 weil er genau die Forderung kennt, 
 mit der ich vor euch aufgetreten. 
 Dazu gehört dann auch das Beten. 

 Nur: Beten geht nicht maschinell, 
 nicht abgeleiert, flott und schnell, 
 nicht hingefetzt, nur weil´s sein muß, 
 mit Blick zur Uhr: Wann ist denn Schluss? 
 Vor allem nicht mit Wunsch im Stillen: 
 Gott wird mein Beten gleich erfüllen. 

 Gebet verlangt Beharrlichkeit, 
 verbunden mit der Möglichkeit, 
 dass Gott bei u n s was ändern kann. 
 Es kommt auf die Beziehung an, 
 die sehr persönlich aufgebaut 
 und die selbst dann nicht abgeflaut, 
 wenn Gott ganz anders denkt als wir. 
 Das ist die schwerste Prüfung hier. 
 Gott geht nicht ein auf jeden Wunsch, 
 und darum zieht nicht gleich `nen Flunsch. 

 Ergebnis unserer Hast und Hetz 
 gar häufig ist das Grundgesetz: 
 Mit Gott verkehrt man nur sporadisch, 
 der ganze Rest geht automatisch. 

 So wird der Glaube degradiert 
 und als Folklore vorgeführt, 
 als Rankenwerk für frohe Feste. 
 Vom Glauben bleiben dann nur Reste: 
 Man wird getauft, kriegt Kommunion, 
 man wird gefirmt – dann hat sich's schon. 
 Das wird genauso konsumiert, 
 wie man das Kind zum Impfen führt. 
 Das muß so sein, das ist der Brauch, 
 das nimmt man mit – dann hat sich‘s auch . 

 Vielleicht – doch sicher ist's nicht mehr – 
 kommt man zur Trauung noch mal her. 
 Und führt der Pfarrer dich zum Grab, 
 dann hakst du froh dein Christsein ab. 
 Sei bloß im Glauben nicht fanatisch! 
 Erlösung geht ganz automatisch. 

 Von wegen mit der Automatik! 
 Das ist ne große Problematik, 
 wenn man sein Haus auf Sand hinsetzt! 
 Flugs kommt ein Sturm und der zersetzt 
 dein Lebenshaus zu ‘ner Ruine. 
 Das hast du dann von der Routine! 
 Dann suchst du Halt, dann schreist du "Ach!" 
 und trauerst deinem Glauben nach. 
 Dann schnappst du Luft, fast schon asthmatisch, 
 der Untergang kommt automatisch. 

 So ging es manchem, geht es vielen. 
 Doch lasst uns nicht nach jenen schielen, 
 die ihren Glauben abgehakt. 
 Es ist ja längst noch nicht gesagt, 
 dass u n s e r Haus auf Felsen steht. 
 Auch wer sehr oft zur Kirche geht, 
 viel betet, and‘ren Gutes tut, 
 der sei sehr wohl auf sichrer Hut, 
 dass sich in seine Lebensweise 
 nicht heimlich, still, ganz sacht und leise 
 dieselbe Fehleinschätzung schleicht 
 und dann sein Fundament aufweicht. 

 Auch hier an dieser heil‘gen Stell 
 geschieht so manches maschinell. 
 Wenn mancher hier nach vorne drängt 
 und dann die Kommunion empfängt – 
 weiß der, dass dieser Augenblick 
 der ganzen Feier höchstes Glück? 
 Die Hände – irgendwo vorm Bauch! 
 Das "Amen" – ein genuschelt Hauch! 
 Und auf dem Weg zurück zum Sitz 
 das Auge durch die Kirche flitzt. 
 Und ist man wieder in der Bank – 
 wo bleibt die Sammlung für den Dank? 

 Die äußre Haltung ist Signal 
 fürs Innenleben allemal. 
 Auch hier gilt unser guter Rat: 
 Der Glaube ist kein Automat. 
 Und wär‘ es uns noch so sympathisch: 
 Erlösung geht n i c h t automatisch. 

 Zuletzt mir auf der Seele brennt 
 das Schiff, das sich Gemeinde nennt. 
 Mit ihm fahrt Ihr durch Meer und Wellen, 
 doch muß sich jemand finden, stellen, 
 der opfert seine Kraft und Zeit. 
 Doch sind zu wenige bereit, 
 als Offizier sich zu verdingen, 
 als Ruderer sich einzubringen, 
 und als Matrosen so zu sorgen, 
 daß sich der Kahn bewährt - auch morgen. 
 Die Hauptamtlichen komm‘n und geh‘n, 
 Gemeinde nur mit Euch wird steh‘n. 
 Wenn sie keine Helfer hat, 
 hilft erst recht kein Automat. 

 Ein Narr bin ich, ich geb es zu; 
 deshalb laß ich Euch jetzt in Ruh. 
 Ein Narr muß Jungen so wie Alten 
 den Spiegel vor die Nase halten. 
 Ihr seid mir zwar durchaus sympathisch, 
 und doch: 
 Die Predigt wirkt nicht automatisch. 
 Nur eins kommt fast schon maschinell: 
 Das „Amen" hier an dieser Stell‘.