Predigt zum Fest der Darstellung des Herrn
am 2. Februar 2014
Evangelium: Lk. 2, 22 - 40
Autor: P.Heribert Graab S.J.
Das heutige Fest ist eines der ältesten der Christenheit,
und zwar eins der biblisch begründeten Feste.
Das Evangelium spricht mehrere Aspekte des Geschehens an.
Das führte in der Geschichte des Festes
zu unterschiedlichen Akzentsetzungen:
Schon sehr früh wurde der Tag in Ost und West
mit einer Lichterprozession gefeiert.
Die nahm natürlich Bezug
auf den feierlichen Lobpreis des greisen Simeon.
Der jubelt angesichts des göttlichen Kindes voller Freude
über das Licht, das in Ihm allen Völkern erschienen ist.

Im Westen rückte dann mehr und mehr in Vordergrund,
daß die Eltern Jesu sich unter das Gesetz des Alten Bundes stellten
und im Tempel ein Reinigungsopfer darbrachten
für die kultische ‚Reinigung‘ der Mutter nach der Geburt.
„Mariä Reinigung“ nannte man daher das Fest.
Die Verbindung mit der traditionellen Lichterprozession
führte dann zum Namen „Mariä Lichtmeß“.
Dieser Festgedanke erhielt sich bis in unsere Zeit.
Erst mit der Liturgiereform nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil
erhielt der 2. Februar wieder den Charakter eines Herrenfestes:
„Darstellung des Herrn“.

Der älteste Festgedanke dieses Tages jedoch
spiegelt sich im Namen „Begegnung des Herrn“.
Unter diesem Namen wurde von allem Anfang an und wird auch heute
dieser Tag in den Kirchen des Ostens gefeiert:
Begegnung des Herrn!
Dazu ein paar Gedanken:

Auf den ersten Blick begegnet der Herr heute zwei alten Menschen:
Dem ‚greisen Simeon‘, der auf seinen Tod wartet,
und der „hochbetagten“ Hanna,
einer ‚Witwe von vierundachtzig Jahren“.
Für alte Menschen, wie ich selbst es bin,
ist das sicherlich ein Grund zur Freude.
Am Anfang Seines Lebens begegnet der menschgewordene Gott
zuerst den armen Hirten,
die nach der Wertschätzung dieser Welt ganz unten stehen,
und dann diesen beiden Alten,
die jedenfalls heute zu den sozialen Randgruppen zählen.
Das Evangelium zeigt damit gleich zu Beginn
die Prioritäten Jesu auf:
Er weiß sich gesandt, den Armen frohe Botschaft zu bringen
und alle zu heilen, deren Herz zerbrochen ist.“ (Jes. 61,1; Lk. 4,18f)

Das heutige Fest jedoch
hat eine andere, grundlegendere Begegnung im Sinn:
Der „gerechte“ Simeon und die Prophetin Hanna
werden verstanden als die Repräsentanten des alten Volkes Gottes;
sie stehen für ganz Israel, das Gott als Sein Volk erwählt hat,
und dem Er in allem Auf und Ab der Geschichte die Treue hält.
Diesem Volk des Bundes, dem Gott sich in Liebe verbunden weiß,
begegnet Er vor allen anderen in Seiner Menschwerdung.
 
Dementsprechend könnte man
von einer Begegnung der beiden Testamente sprechen.
Es geht also nicht um eine unheilvolle Rivalität
zwischen Israel, dem Volk des Ersten Testament,
und der Kirche, in der durch Jesus Christus
Menschen aus allen Völkern zum Gott Israels geführt werden.
Vielmehr geht es um eine glückliche und beglückende Begegnung.
Simeon und Hanna haben mit vielen anderen in Israel
ein Leben lang voller Sehnsucht
auf die Erfüllung der Verheißungen Gottes gewartet,
auf den Messias Gottes, der Jerusalem erlösen würde.
Und nun darf Simeon voller Freude jubeln:
„Meine Augen haben das Heil gesehen,
das Du, Gott, vor allen Völkern bereitet hast.“
Die Erfüllung der Zusagen Gottes geht weit über das Erhoffte hinaus:
In Jesus Christus wird alles neu.
Neu wird auch der Bund Gottes mit Israel.
Aber dieser Neue Bund öffnet sich für alle Menschen, alle Völker.
Was Jesaja schon erahnte, wird Wirklichkeit:
Gottes Heil ist ein Geschenk an Israel
und in gleicher Weise auch an die Heidenvölker.
So kann der greise Simeon in seinem Lobpreis Gottes sagen:
„Das Licht, das die Völker erleuchtet,
bedeutet Herrlichkeit für Israel.“
Das feiern wir heute!

An diesem Tag also müßte es uns als Christen zutiefst beschämen,
daß wir durch Jahrhunderte hindurch
das Volk der Juden diffamiert und verfolgt haben.
Damit haben wir den treuen Gott der Untreue geziehen.
Damit haben wir uns auch gegen Jesus Christus gewandt.
Denn Er ist nicht nur selbst ein Jude;
Er verkörpert darüber hinaus bis an Sein Lebensende
Gottes Heilswillen für ganz Israel.
Seine Sendung, dieses Gottesvolk zu sammeln,
hatte für Ihn Geltung auch dann noch,
als viele Repräsentanten des Volkes sich gegen Ihn stellten.

Wenn heute Christen und Juden aufeinander zugehen, und wenn
- der schlimmen Geschichte und gar dem Holocaust zum Trotz -
wenigstens einzelne auf beiden Seiten sich auf den Weg machen,
als Schwestern und Brüder miteinander zu leben,
dann erst hat Gottes Heilswille,
dann erst hat auch die Botschaft Jesu eine Chance,
wirklich in dieser Welt anzukommen.

Je weiter wir als einzelne und als Gesellschaft
auf diesem Weg der Geschwisterlichkeit vorankommen,
um so mehr kann das „Fest der Begegnung“
zu einem wahren Freudenfest werden.

Amen.