Predigt zum Dritten Sonntag im Jahreskreis (A)
am 26. Januar 2014
Lesung:  1. Kor. 10 - 13.17
Evangelium:  Mt. 4, 12 - 17
Autor: P.Heribert Graab S.J.
Jesus ist ein großer Realist.
Gewiß war Er sehr darum bemüht, Seinen Jüngerkreis
zu einer zu einer lebendigen Gemeinschaft zu formen;
vermutlich jedoch lehrten Ihn bereits Seine eigenen Erfahrungen
im Umgang mit denen, die Ihm folgten,
am Ende Seines Lebens zu beten:
„Ich bitte nicht nur für diese hier,
sondern auch für alle, die durch ihr Wort an mich glauben. 
Alle sollen eins sein:
Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir bin,
sollen auch sie in uns sein,
damit die Welt glaubt, daß du mich gesandt hast.“ (Joh. 17, 20-21)

Dies Gebet war mehr als angebracht:
Das wurde schon in den frühen christlichen Gemeinden überdeutlich.
So wurde dem Apostel Paulus
z.B. aus der Gemeinde in Korinth berichtet,
daß es dort „Zank und Streit“ gebe.
Wir haben in der heutigen Lesung davon gehört.
Und wir haben auch die Mahnung des Paulus gehört:
„Seid alle einmütig, und duldet keine Spaltungen unter euch;
seid ganz eines Sinnes und einer Meinung.“
Dem Paulus ist auch klar, worin dieser Zank und Streit,
worin die Spaltungstendenzen der Gemeinde ihre Wurzeln haben:
„Jeder von euch sagt etwas anderes:
Ich halte zu Paulus - ich zu Apollos - ich zu Kephas - ich zu Christus.“
Dem hält Paulus entgegen:
„Ist denn Christus zerteilt?
Wurde auch Paulus für euch gekreuzigt?
Oder seid ihr auf den Namen des Paulus getauft worden?“

Paulus hatte die Gemeinde aufgebaut.
Und er legt Wert darauf zu betonen,
daß er sie ausschließlich auf Jesus Christus gebaut hat -
und zwar auf den gekreuzigten Christus.
Das betont Paulus sehr zugespitzt.
Er will damit deutlich machen:
Mit der gleichen Kompromißlosigkeit,
mit der Christus zu Seiner Reich-Gottes-Botschaft steht,
steht er - Paulus - zu Jesus Christus und zu Seiner Botschaft:
Christus! Und nichts und niemand sonst!

Nachfolger des Paulus als Gemeindeleiter von Korinth
war dieser Apollos, dessen Namen wir eben in der Lesung gehört haben.
Im Unterschied zu Paulus hatte der - wir würden sagen -
eine ‚moderne‘, ‚weltläufige‘ Bildung.
Vor allem war er - ebenfalls im Unterschied zu Paulus -
in hervorragender, rhetorisch ausgebildeter Redner (Prediger).
Da geriet also leicht Jesus Christus und Seine Botschaft
in den Schatten dessen, der Ihn verkündigte.

Das ist ja heute nicht anders:
Jesus Christus füllt so leicht nicht die Kirchen -
zumal dann nicht, wenn der Pfarrer kein ‚toller‘ Prediger ist.
Wenn jedoch ein berühmter Theologe
und brillanter Redner angekündigt ist,
dann füllt sich auch heute die Kirche.
Paulus würde möglicherweise auch heute fragen:
Seid Ihr etwa auf Küng oder Drewermann getauft?
Geht’s Euch wirklich um Jesus Christus und Seine Botschaft?
Oder ist Euch die ‚Verpackung‘ dieser Botschaft wichtiger?

Mir fällt auf, daß ganz viele Spaltungen der Kirche Jesu Christi
auf das engste mit dem konkreten Namen
von Predigern, Theologen oder auch Reformatoren verbunden sind:
Arius gab z.B. den Arianern seinen Namen, Luther den Lutheranern.

Man könnte vielleicht sogar sagen,
das Elend habe schon begonnen mit dem,
was heute das Evangelium erzählt – mit der Berufung der ersten Jünger.
Selbstverständlich brauchte Jesus für Seine Sendung
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Ebenso selbstverständlich waren das damals
und sind das bis auf den heutigen Tag
nach Temperament, Charakter und Fähigkeiten
ganz unterschiedliche Persönlichkeiten.
Jesus bemühte sich nach Kräften darum,
diese bunte Truppe
zu einer Gemeinschaft von Brüdern und Schwestern zu formen.
Das ist Ihm in einem erstaunlichen Maße auch gelungen.

Dennoch haben die unterschiedlichen ‚Typen‘ der Apostel
durch ihre jeweils persönliche Art der Verkündigung
in jeweils unterschiedlichen Kulturen
ganz verschiedene Glaubenstraditionen grundgelegt:
Auch wenn gerade die Anfänge der langen Glaubensgeschichte
heute nicht mehr in allen Details historisch zu belegen sind,
sind die Unterschiede doch offenkundig:
Nach der Überlieferung hat z.B.
Jakobus den Glauben in Jerusalem geprägt,
Markus in Ägypten,
Thomas in Indien,
Paulus in der hellenistischen Welt,
und Petrus auf seine Weise in Rom.

Auch Auseinandersetzungen und Streit gab es von Anfang an.
Schon sehr früh gerieten z.B. Petrus und Paulus hart aneinander,
als es um die Frage ging, ob Neuchristen vor ihrer Taufe
erst einmal beschnitten und damit Juden werden müßten.

Es ist durchaus faszinierend zu sehen,
wie diese beiden trotz grundlegender Meinungsverschiedenheit
und trotz heftigem Streit
miteinander und mit der jungen Kirche gemeinsam
konstruktive Lösungen gesucht und gefunden haben.
Eine wichtige Rolle spielt dabei das sog. Apostelkonzil. (cf. Gal.2; Apg.15)
Der Kompromiß dieses ersten ‚Konzils‘
führte zwar nicht zum endgültigen Abschluß der Kontroverse.
Entscheidend war jedoch, daß die ‚Alt-Apostel‘
auch in der Verkündigung des Paulus unter den ‚Heiden‘
das Wirken des Heiligen Geistes erkannten und anerkannten.
Entscheidend war auch, daß sie diese Erkenntnis
durch den Handschlag zum Zeichen der Gemeinschaft besiegelten.

Aus der Art und Weise, wie damals
die entscheidenden Leute der Urkirche
mit einem so grundlegenden Konflikt umgegangen sind,
können wir auch für unsere Zeit einiges lernen:
•    Anstatt zu verurteilen, geht es darum,
das Gespräch miteinander zu suchen –
auch wenn’s manchmal mühsam ist.
•    Unterschiedliche Ausprägungen des Glaubens müssen keineswegs
dem Glauben selbst und der Einheit des Glaubens entgegenstehen.
•    ‚Pluralismus‘ hat’s in der Kirche von allem Anfang an gegeben;
Vielfalt in der Einheit ist also kein Widerspruch in sich.
•    Wichtig ist, daß niemand, der den Glauben verkündet,
sich selbst als Quelle des Glaubens mißversteht;
Quelle des Glaubens ist allein Jesus Christus.
•    Entscheidend ist die geschwisterliche Gemeinschaft
über alle unterschiedlichen Traditionen, Kulturen
und Ausprägungen des Glaubens hinweg.

Dieses ‚bunte‘ Bild von Kirche ist
kein Zeichen von Armut und Schwäche;
ganz im Gegenteil kommt darin
Reichtum und Stärke der Kirche zum Ausdruck.
Gott-sei-Dank gewinnt diese Erkenntnis
heute mehr und mehr an Boden.
Nur auf dem Hintergrund dieser Erkenntnis
hat Ökumene eine Chance;
nur auf dem Hintergrund dieser Erkenntnis
hat das Bemühen um Ökumene gerade in den letzten 100 Jahren
enorme Fortschritte erzielt.
Auf dem Hintergrund dieser Erkenntnis
dürfen auch wir als Einzelne und in Gruppen
ökumenisch denken, wirken und leben.
Amen.