Predigt zum 2. Sonntag im Jahreskreis (A)
am 20. Januar 2008
Evangelium: Joh. 1, 29 - 34
Autor: P. Christoph Soyer S.J.
In den nächsten Tagen geht es viel um Zeugnisse.
Die niedersächsischen Schüler bekommen in 10 Tagen
von ihren Lehrern, schriftlich fixiert und in Dokumentenform,
gesagt, welche Leistungen sie erbracht haben
und was für eine Note das wert ist.

Die niedersächsischen Politiker (und auch die hessischen,
was aktuell ja eigentlich noch spannender ist),
erfahren durch die Wahlergebnisse am kommenden Sonntag,
wie die Menschen die politische Arbeit in den letzten Jahren bewerten
– ihnen ein Zeugnis ihrer Arbeit ausstellen –
und welche Ausrichtung sie zukünftig wünschen.

Im Vorfeld solcher Zeugnis-Situationen kann man versuchen,
dass man das seiner Meinung nach richtige Zeugnis ausgestellt bekommt.
Der Schüler, indem er versucht, den Lehrer davon zu überzeugen,
dass die 5 in Latein eigentlich nicht sein könne,
weil die mündliche Mitarbeit doch vor allem in den letzten Wochen
viel besser geworden sei, etc.

Die Politiker, indem sie, oft wider besseres Wissen,
Sachverhalte unverhältnismäßig dramatisieren und Ängste schüren,
und von eigenen Versäumnissen abzulenken versuchen.
Immer geht es dabei um den Versuch,
sich selbst ein bestmöglichstes Zeugnis auszustellen
– mit dem Ziel, dass einem auch die Anderen in dieser Einschätzung folgen.

Wir kämen wohl nicht auf die Idee, diese Schüler und Politiker,
die mit so viel Einsatz von sich Zeugnis ablegen,
als Märtyrer zu bezeichnen – ein Märtyrer in eigener Sache.

Märtyrer sind Menschen, die etwas bezeugen.
Wenn wir das Wort Märtyrer hören,
dann denken wir wahrscheinlich zuerst an Heilige aus der Geschichte
 des Christentums, die für ihren Glauben in den Tod gegangen sind.
Menschen, die von einer Sache so überzeugt sind,
dass sie bereit sind, große Opfer dafür in Kauf zu nehmen
– und so diese Sache zu bezeugen.
Es muss aber gar nicht um Leben und Tod gehen,
es geht auch eine Nummer kleiner.
Ich denke an Menschen, die ihre Ideale und Überzeugungen
nicht für kleine Annehmlichkeiten und persönliche Vorteile verkaufen;
Menschen, die nicht glauben, dass der Zweck jedes Mittel heiligt
und so unschuldige Opfer produzieren;
Menschen, die mit großer Hingabe und Liebe eine schwierige Arbeit tun,
wohl wissend, dass es dafür keine öffentliche Anerkennung gibt.

Meine Erfahrung ist, dass es solche Menschen viel mehr gibt,
als es auf den ersten Blick scheint. Menschen, die bezeugen,
dass es letztlich auf Hingabe, Liebe und Gerechtigkeit ankommt,
und eben nicht auf die Frage: ‚was nützt es’ und ‚was bringt es mir’.
Ganz egal, ob man von den großen Märtyrern spricht
oder von den kleinen Märtyrern des Alltags:
es geht immer darum, dass man nicht sich selbst bezeugen kann,
sondern nur etwas oder jemand anderes.
Und was auch der Grund dafür ist, dass es seltsam wäre,
die zu Beginn genannten Schüler und Politiker als Märtyrer zu bezeichnen.

Um solche ‚Märtyrer-Texte’ – ‚Zeugen-Texte’ geht es in allen drei Lesungen,
die wir gehört haben.
Die erste Lesung aus dem Buch Jesaja spricht davon,
dass Israel als auserwähltes Volk nicht für sich selbst da ist,
so als Gott kein Interesse an den anderen Völkern hatte;
sondern dass Israel ein Zeuge Gottes in der Welt sein soll
und so sichtbar zu machen, dass Gott das Heil aller Menschen und Völker will.
Die zweite Lesung war der Beginn des ersten Korintherbriefes,
wo Paulus, Dank seiner Berufung durch den auferstandenen Christus,
eben für diesen Zeugnis ablegen will, und dafür,
dass die Christen von Gott begnadete Menschen sind.
Und im Evangelium zweimal ganz ausdrücklich: ‚Und Johannes bezeugte’,
dann einige Zeilen weiter unten:
‚Das habe ich gesehen und ich bezeuge, er ist der Sohn Gottes’;
jedes Mal mit dem griechischen Wort ‚martüreo – Märtyrer’.

Bezeugen kann ich nur etwas, was ich selbst gesehen,
gehört oder erfahren habe.
Johannes sagt, er habe gesehen, dass bei der Taufe
der Geist wie eine Taube auf Jesus herabkam und auf ihm blieb.
Ich vermute, dass wir alle, die wir hier sind,
auch etwas gesehen oder erfahren haben.
Dass auch wir etwas bezeugen können,
an das sich lohnt zu glauben und dafür zu leben.
Die Form kann ganz unterschiedlich sein: ein Bild, eine Metapher,
ein Bibelvers, vielleicht auch ein unmittelbarer Anruf Gottes.

Dass ich etwas erfahren habe, das ist natürlich die Voraussetzung,
um etwas bezeugen zu können.
Ich denke zum Beispiel an den Firmkurs der Gemeinde,
der in den kommenden Wochen beginnt.
Wo es nicht ausreicht, Glaubensinhalte zu vermitteln,
sondern wo Glaubenserfahrungen gemacht werden müssen
– zumindest anfangshaft, so dass ich Lust bekomme, weiterzugehen auf dem Weg.
Und es braucht Menschen, die das, was sie selbst erfahren haben,
auch bezeugen können.

Mir scheint manchmal, dass wir uns schwer tun,
über unsere Glaubenserfahrungen zu sprechen.
Vielleicht auch, weil der geeignete Rahmen fällt.
Es geht ja nicht darum, dass wir uns an das Gänseliesl stellen und allen,
ob sie es hören wollen oder nicht, zurufen: Jesus lebt, er ist der Sohn Gottes.
Das wäre ziemlich seltsam und bringt auch niemanden weiter.
Sondern es geht ganz einfach darum, immer wieder mal über die eigenen Glaubenserfahrungen zu sprechen.
Die Absicht muss gar nicht sein, andere zu überzeugen.
Aber: Der Glaube will doch erzählt und mit anderen geteilt werden.
Vielleicht geht es ja auch darum, dass wir Gott ein Zeugnis ausstellen:
was er uns geschenkt und wie er uns geführt hat. Amen.