„Das
größte Unglück der anständigen Leute ist die
Feigheit,“
hat
der Spötter Voltaire einmal gesagt.
Im
Blick auf das heutige Evangelium könnte man sagen:
„Das
größte Unglück anständiger Christen ist die
Feigheit.“
Gott-sei-Dank
leben wir nicht in der Situation
des
Freundeskreieses um Jesus,
über
dem sich schon lange vorher
jenes
Gewitter zusammenballte,
das
sich am Karfreitag entlud.
„Fürchtet
euch nicht vor den Menschen!
Die
können zwar den Leib, nicht aber die Seele töten.“
Soweit
Jesus diese Worte – so oder ähnlich –
wirklich
selbst
gesprochen hat,
gehen
sie auf diese aktuelle Bedrohung auf dem Weg nach Jerusalem ein.
Die
uns überlieferte
Fassung des Jesus-Wortes
stammt
natürlich von Matthäus,
der
den gesamten Text seines Evangeliums redigiert hat.
Matthäus
hat bereits die Situation
der
zweiten
und dritten Generation von Christen vor Augen.
Über
denen zieht sich auch schon früh ein Gewitter zusammen:
Aus
den Synagogen werden sie ausgeschlossen.
Mehr
und mehr gehen auch die Römer gegen sie vor.
Gott-sei-Dank
sind wir
auch nicht in der bedrohlichen Situation
dieser
frühen Christengemeinden.
Von
den bald folgenden blutigen Christenverfolgungen
des
römischen Imperiums
bis
hin zum kommunistischen, nationalsozialistischen
und
heute auch islamistischen Terror gegen Christen
konnte
das Jesus-Wort zu allen Zeiten
Trost und
Ermutigung
spenden:
„Fürchtet
euch nicht!
Nicht
einmal ein Spatz fällt zur Erde ohne den Willen
eures Vaters.
Bei
euch aber sind sogar die Haare auf dem Kopf alle
gezählt.
Fürchtet
euch also nicht!
Ihr
seid mehr wert als viele Spatzen.“
Gott-sei-Dank
leben wir seit 60 Jahren in Frieden.
Auch
wenn die christlichen Kirchen
bei
uns inzwischen in eine Minderheitenposition geraten
sind –
im
Wesentlichen werden wir
in
dieser Gesellschaft immer noch hoch geschätzt.
Dennoch:
Dieses
Evangelium ist auch heute hochaktuell –
Nicht
so sehr wegen einer Bedrohung von außen;
wohl
aber auf Grund einer inneren Bedrohungssituation.
„Fürchtet
euch nicht vor den Menschen...
Was
ich euch im Dunkeln sage,
davon
redet am hellen Tag,
und
was man euch ins Ohr flüstert,
das
verkündet von den Dächern!“
Unser
Glaube heute ist
-
einem Trend der Gesellschaft folgend –
weitgehend
zur Privatangelegenheit
geworden.
Für
die Glaubensverkündigung „von den Dächern“
haben
wir – jedenfalls solange wir sie bezahlen können – Hauptamtliche.
Es sei in diesem Zusammenhang dahingestellt,
inwieweit die Kirche selbst durch ihren Klerikalismus dazu beigetragen
hat.
Jedenfalls sollte in dieser Kirche seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil
der "mündige Christ" selbstverständlich sein.
Und dieses Konzil liegt immerhin schon
zwei Generationen zurück.
Schon
mehrfach habe ich hier die Erfahrung zum besten gegeben,
daß
sich hier und da in unserer Kirche
Berufskollegen
treffen mit der erstaunten Begrüßung:
„Wie?
Du bist auch katholisch?“
Unsere
Jugendlichen sin in ihren Schulklassen
als gläubige Christen
vielfach vereinzelt
und ducken sich weg.
Wir Erwachsenen haben Fragen unseres persönlichen Glaubens
in aller Regel tabuisiert:
Darüber redet man nicht.
Und wenn wir
auf kontroverse Themen des Glaubens
oder auf umstrittene Positionen der Kirche dazu
angesprochen werden,
dann beeilen wir uns, uns von dem,
was z.B. der Papst sagt, zu distanzieren,
und entschuldigen uns fast dafür,
katholische Christen zu sein.
Im Gespräch mit Außenstehenden
sind die meisten von uns nicht in der Lage,
differenziert
Stellung zu beziehen.
Wir
haben eine zu oberflächliche Kenntnis von der
Problemlage,
wie
sie uns – häufig in Schwarz-Weiß-Manier –
von
den Medien vermittelt wird.
Manche
Stellungnahmen aus der Kirche tragen wir selbst nicht mit –
nicht nur weil sie nicht auf der Höhe
der Zeit sind,
sondern
mehr
noch, weil wir sie nicht wirklich kennen.
Allenfalls
kennen wir sie in der verkürzten oder gar verzerrten Version der
Presse.
Wir
können nicht differenzieren,
weil
wir schlicht zu wenig Ahnung haben.
Und
teilen
wir einmal die Aussagen einer Verlautbarung aus der Kirche,
dann
reicht unser Wissen nicht aus,
das,
was uns selbst richtig und wichtig erscheint,
in
der Auseinandersetzung auch zu begründen.
Also
schweigen
wir lieber,
anstatt
„am hellen Tag davon zu reden“
und
die Wahrheit „von den Dächern zu verkünden“.
Auch
in dieser
Situation ist uns gesagt:
„Fürchtet
euch nicht!“
In
einem anderen Zusammenhang
-
nämlich „wenn sie euch vor die Gerichte schleppen“ –
sagt
Jesus:
„...dann macht euch keine Sorgen, wie und was ihr reden sollt;
denn
es wird euch in jener Stunde eingegeben, was ihr sagen sollt.
Nicht
ihr
werdet dann reden,
sondern
der Geist
eures Vaters wird durch euch reden.“ (Mt. 10,19 f).
Das
sagt Jesus hier wohlgemerkt nicht –
obwohl
selbstverständlich Gottes Geist
uns
auch in alltäglichen Situationen „auf die
Sprünge helfen“ kann.
Die Furchtlosigkeit vor den Menschen ist immer
gewiß auch
ein Geschenk Gottes.
Sie
hat aber darüber hinaus sehr viel damit zu tun,
-
wie
sehr wir selbst in unserem Glauben zu Hause sind,
-
wie
sehr wir in der Lage sind, über unseren Glauben Rede
und Antwort zu stehen,
-
wie
sehr wir uns mit dem Glauben auseinandersetzen
und seine lebenspraktischen
Konsequenzen bedenken,
-
wie
sehr wir dann auch aus dem Glauben
Selbstbewußtsein
und innere Sicherheit
gewinnen.
Nur wenn wir unseren Glauben
wirklich kennen
und
ihn auch intellektuell verantworten und vertreten können,
können
wir auch nach außen dazu stehen
und
über unseren Glauben Rechenschaft ablegen.
Als
erwachsene Menschen sind wir heutzutage
in
unserem beruflichen Alltag großenteils hochqualifizierte
Wissenschaftler,
Ingenieure,
Verwaltungsfachleute, Handwerker oder was auch immer sonst.
Als
gläubige
Christen dagegen fehlt es uns häufig
an
jener Qualifikation, die uns anderweitig selbstverständlich ist.
Das Wissen um unseren Glauben haben wir vielfach
nicht
mehr wirklich weitergebildet
seit
der letzten Religionsstunde unserer Schulzeit.
Für
alle möglichen Fortbildungen
nehmen
sich viele von uns sogar Sonderurlaub.
In
Zusatzausbildungen investieren manche sogar viel Geld.
Der
Glaube
dagegen führt ein Aschenputteldasein.
So
geht’s nicht!
So
kann der Glaube in der modernen Welt nicht bestehen.
So
wird man sich – wo der Glaube angefragt ist –
entweder
unsterblich blamieren,
oder
gleich ganz den Mund halten.
Ergo:
Ab
morgen geht’s los mit der Fortbildung im Glauben!
Nehmen
Sie ruhig mal wieder ein Glaubensbuch zur Hand,
das
auf der Höhe der Zeit ist.
Ein
solches Buch darf ruhig kritisch sein.
Es
sollte jedoch intellektuell redlich
und
durchaus auch anspruchsvoll sein.
Bei
der Auswahl bin ich Ihnen gerne behilflich.
Augenblicklich
steht zum Beispiel
ausgerechnet
ein Buch von Josef Ratzinger auf der Bestsellerliste:
„Einführung
in den Glauben“.
Dieses Buch zum Glaubensbekenntnis
stammt
noch aus der Zeit vor dem Tübinger Schockerlebnis
des
damaligen Theologieprofessors Ratzinger.
Diese
„Einführung in den Glauben“ kann ich Ihnen
durchaus
empfehlen.
Und
wenn Sie sich mal die Zeit für einen Fortbildungskurs
im Glauben
nehmen
würden, könnte das auch nicht schaden!
Qualifizierte
Angebote gibt’s genug.
Vielleicht
sollten wir im nächsten Winterhalbjahr
auch
in St.Michael mal wieder einen Glaubenskurs anbieten.
Es
gibt also genug zu tun.
Packen
wir’s an!
Amen.
|