Predigt zum 4. Sonntag im Jahreskreis A
am 30. Januar 2005 |
Zur 2. Lesung: 1.Kor. 1, 18 - 31; Autor. P.Heribert Graab S.J. |
Vermutlich hat Paulus recht: „Zank und Streit" tritt vor allem dort in Erscheinung, wo Menschen das Wesentliche aus den Augen verlieren - damals in Korinth und wohl auch heute. Wenn sich heute die Auseinandersetzungen in der Kirche immer wieder um Fragen der Liturgie drehen, oder auch um die Priesterweihe von Frauen - um nur zwei Beispiele herauszugreifen - dann drängt sich mir jedenfalls der Verdacht auf, da sei „das Wesentliche" sehr in den Hintergrund getreten. Paulus rückt nun - wohl nicht nur für die Gemeinde in Korinth - wieder in den Mittelpunkt, was den Kern christlichen Galubens ausmacht: Das Kreuz Jesu Christi. Er ist sich offenkundig darüber im Klaren, wie sehr diese Rede vom Kreuz allem weltlichen Denken gegen den Strich geht. Und er weiß auch nur zu gut, daß die Christen in Korinth mitten in der Welt dieser Großstadt leben. Selbstverständlich stehen sie unter dem Einfluß dessen, was „man" da so denkt, Selbstverständlich ist diese Stadt ihre Welt, in der sie leben, in der sie zu Hause sind. Da möchten sie akzeptiert sein. Da möchten sie mitreden können Da möchten sie nicht als „Idioten" abgestempelt werden. Genau darauf aber läuft das hinaus, was Paulus ihnen abverlangt: Laßt euch auf Gottes Weisheit ein, die im Kreuz Jesu Christi aufleuchtet. Entlarvt das kluge Geschwätz eurer Umgebung als das, was es in Wirklichkeit ist: als Torheit. Schaut doch mal genau hin - sagt Paulus: Wo gibt‘s denn da einen wirklich Weisen? Wo gibt‘s da einen Schriftgelehrten, einen Lehrer, der diesen Namen wirklich verdient? Wo gibt‘s da jemanden, der den Mund aufmachen darf, ohne rot zu werden, weil seine Rede wirklich „weise" ist? Natürlich sind das rhetorische Fragen. Für Paulus ist die Antwort klar: Es gibt sie nicht in dieser Gesellschaft von Korinth. All diese Klugschwätzer sind ja nicht einmal in der Lage, hinter der vordergründigen Wirklichkeit dieser Welt deren Schöpfer und Herrn zu erkennen. Und noch viel weniger erkennen sie den menschgewordenen Gott. Sein Tod am Kreuz ist in ihren Augen eine Schande. Die Liebe Gottes erkennen sie nicht darin und schon garnicht das helle Licht des Ostermorgens. Die Juden - und die gab‘s ja nicht nur in der Stadt draußen, sondern in der Gemeinde selbst - die Juden erwarteten einen Messias, der siegen und herrschen sollte. In der Gemeinde verkündeten sie Christus wohl als den erhöhten und verherrlichten Herrn. Die grundlegende und bleibende Bedeutung des Kreuzes jedoch wollten sie nicht akzeptieren: Ostern ja - Karfreitag nein. Daß im Pascha-Mysterium Tod und Auferstehung eine unauflösliche Einheit bilden, wollten sie nicht wahrhaben. Von den Griechen, die in der Gemeinde die Mehrheit bildeten, brachten manche zwar philosophisch hoch gestochene Ideen von einer göttlichen Wirklichkeit mit und konnten überaus klug darüber reden. Sie suchen Einsicht in die innersten Zusammenhänge der Welt, um so zum Wesen der Gottheit vorzudringen. Eine Theologie des Kreuzes war in ihren Vorstellungen ganz einfach „Quatsch". Theoretisch von Gott zu reden, heißt für Paulus jedoch noch lange nicht, den lebendigen Gott wirklich zu erkennen. Die wahre Gotteserkenntnis setzt voraus, sich auf Gottes Heilshandeln existentiell einzulassen, sich einzulassen also auch auf den Weg des Kreuzes. Es gab damals - wohl auch in der Gemeinde von Korinth - eine durchaus fromme, aber geschichtslose Spekulation, die auch später noch in der abendländischen Geistesgeschichte eine große Rolle spielen sollte: Danach war das Licht der göttlichen Weisheit auf der Erde zerstreut in unzähligen Lichtfunken, die wieder zusammenfinden müßten. Die „christliche" Version dieser Spekulation lautete: In Christus sammelt die göttliche Weisheit ihre auf der Erde versprengten Teile. Jesus Christus bringt das „Göttliche" im Menschen zur Einheit zurück. „Nichts da!" - sagt Paulus: Durch den Tod am Kreuz hindurch wird Neues geschaffen. Bei der Taufe geht es um den „neuen Menschen in Christus". Wenn Paulus die „Weisheit" dieser Welt als „Torheit" brandmarkt, dann meint er damit solch scheinbar geistreichen Spekulationen. Dann hat er Theorien und Ideen von Leuten im Blick, die für ihn nichts als „Klugscheißer" sind. Und von dieser Sorte gibt es heute nicht weniger als damals in Korinth: Denken Sie nur an all das esoterische Gedankengut, das bei uns den Markt überflutet und auch in christliche Gemeinden hineinschwappt. Oder denken Sie an den Eklektizismus, mit dem Christen sich aus der Glaubensüberlieferung herauspicken, was ihnen in den Kram paßt. Damit schustern sie sich dann einen ganz individuellen Glauben zusammen, der für das eigene Leben und für die Gesellschaft folgenlos bleibt. Kreuz und Auferstehung kommen darin in der Regel nicht vor. Und genau dadurch setzen nach Paulus auch Christen unserer Tage ihr eigenes törichtes Geschwätz an die Stelle göttlicher Weisheit. Paulus wäre also gründlich mißverstanden, wenn wir aus seiner Abwehr schöngeistiger Spekulationen einen grundlegenden Gegensatz von christlichem Glauben und wissenschaftlichem Denken herauslesen würden. Leider hat eine unreife Textauslegung die Worte des Paulus bis heute dafür mißbraucht. Die Botschaft vom Kreuz Jesu Christi dient Paulus als ein erstes Argument gegen die spekulative Frömmigkeit in Korinth. Er fügt ein zweites Argument an: Die konkrete Zusammensetzung der Gemeinde: „Da sind nicht viele Weise im irdischen Sinn, nicht viele Mächtige, nicht viele Vornehme." Gott hat sich die Niedrigen und Verachteten erwählt. Auch hier also ganz konkret eine radikale Umkehrung der Wertschätzung: Wie die „Weisheit" dieser Welt von Gott her gesehen „töricht" ist und umgekehrt Gottes Weisheit, die sich im Kreuz manifestiert, im Verständnis dieser Welt indiskutabel ist, so gelten bei Gott vor allem diejenigen etwas, die nach der Rangordnung der Welt ganz unten stehen. Gott hat doch durch die Christusbotschaft gerade aus ihnen etwas gemacht: Als der gekreuzigte und auferweckte Christus die Herrschaft über ihr Leben ergriff, bekamen sie, die Rechtlosen, Wohnrecht bei Gott. Sie, die man als Menschen zweiter Klasse behandelte, wurden als „Heilige Gottes" Ihm zugehörig. Und ihnen, den Verachteten, wurde ihre Selbstachtung neu geschenkt. Die alttestamentliche Weissagung, die wir vor allem aus dem Magnificat der Maria kennen, wird durch das Christusgeschehen erfüllt: „Gott stürzt die Mächtigen vom Thron und erhöht die Niedrigen." Das alles ist ausschließlich Geschenk, Gnade Gottes. Die Weisen dieser Welt rühmen sich ihrer selbst. Der Glaube an Jesus Christus jedoch ist gerade im Blick auf das Wort vom Kreuz der radikale Verzicht auf allen menschlichen Selbstruhm. Dieser Selbstruhm, von dem auch unsere Zeit nur so strotzt, ist in den Augen des Paulus und in der Konsequenz christlichen Glaubens „töricht". Dementsprechen bekennt Paulus für sich selbst im Galaterbrief: „Ich will mich allein des Kreuzes Jesu Christi, unseres Herrn, rühmen." (Gal.6,14). Obwohl in unserer Kirche noch die letzten Szenen der Weihnachtskrippe stehen, beginnt bereits in anderthalb Wochen die Fastenzeit, die uns auf Kreuzestod und Auferstehung Jesu Christi einstimmen soll: Eine neue Chance, die Weisheit Gottes in der Botschaft vom Kreuz zu erkennen und den Widerstand „der Welt" - auch der Welt heute - gegen diese Botschaft als das zu erkennen, was sie im Glauben an Jesus Christus in Wahrheit ist: Bodenlose Torheit, Dummheit, „Quatsch". Amen. |