Predigt zum Fest der Darstellung des Herrn 
am 3. Februar 2002
Evangelium: Lk. 2, 22 - 40; Autor: P.Heribert Graab S.J.
Dieses letzte Fest des weihnachtlichen Festkreises
trägt in der Tradition drei verschiedene Namen,
die jeweils unterschiedliche Akzente hervorheben:

Im aktuellen Römischen Meßbuch heißt es:
„Fest der Darstellung des Herrn":
Wie das jüdische Gesetz es vorschreibt,
bringen seine Eltern ihren Erstgeborenen in den Tempel,
um ihn Gott zu weihen.
Und was sich dort ereignet,
weist hin auf die einzigartige Bedeutung dieses Kindes.

Wesentlich vertrauter ist vielen von uns
der alte und volkstümliche Festname:
„Mariä Lichtmeß".
Da steht die Gottesmutter im Vordergrund,
deren wichtige Rolle im Heilsgeschehen
schon durch die Botschaft des Engels hervorgehoben wurde
und heute durch die Weissagung des greisen Simeon
noch einmal unterstrichen wird.
Sodann spielt der Name an auf die liturgische Tradition,
am heutigen Tag Lichter anzuzünden und zu segnen.
Damit machen wir uns das gläubige Bekenntnis des Simeon zu eigen:
Dieses Kind - Jesus Christus - das Licht, das die Völker erleuchtet!

Der dritte Name des Festes 
stammt aus der ostkirchlichen, orthodoxen Tradition:
Dort heißt es einfach: „Fest der Begegnung".

Gott begegnen: Das ist die Sehnsucht vieler Menschen
zu allen Zeiten und auch heute.
Gott begegnen - und in Ihm den Sinn des eigenen Lebens entdecken.
Gott begegnen - und durch Ihn Lebensorientierung erfahren.
Gott begegnen - und bei Ihm Geborgenheit finden.

Von einer solchen Begegnung ist im heutigen Evangelium die Rede:
Die Prophetin Hannah und der greise Simeon
finden in der Begegnung mit diesem Kind
das, wonach sie sich all die Jahre ihres langen Lebens
gesehnt haben: 
Gottes Zuwendung, Seine Nähe,
Sein Licht und Seinen Frieden.

Ob wohl eine solche Begegnung auch uns heute möglich ist?
Und setzt eine solche Begegnung die Reife und Erfahrung
des hohen Alters von Hannah und Simeon voraus,
die wahrscheinlich längst nicht jeder von uns erreichen wird?

Nach dem Zeugnis der Bibel und vieler Biographien 
von Menschen aller Zeiten bis auf den heutigen Tag
ist Gotteserfahrung jederzeit möglich -
und zwar für Junge ebenso wie für Alte.
In der Bibel steht dafür vor allem der Name
jenes jungen Mädchens Maria aus Nazaret.
In der Literatur werden solche Erfahrungen
berichtet z.B. von Blaise Pascal oder Paul Claudel. 

Nicht selten geht es dabei um mystische Erfahrungen -
Begegnungen also, die jemand in seinem Inneren erfährt
als ein Geschenk Gottes.
Aber Meister Eckhart hat einmal gesagt,
in jedem Menschen schlage Gott die Augen auf.
Er wollte damit zum Ausdruck bringen,
wir alle könnten das Heil und das Licht und die Herrlichkeit Gottes
in den kleinen und unscheinbaren Dingen 
und Begegnungen des Alltags entdecken - wie Simeon.
Simeons Augen waren begabt,
das Göttliche in einem kleinen Kind zu entdecken.
Mit den Augen des Glaubens sehen und hören auch wir
tiefer und weiter, bis wir vielleicht einmal spüren:
„Gott ist Leben. 
Die Erfahrung des Lebens
kommt der Gotteserfahrung gleich." (Raimon Pannikar)

Eine solche Sensibilität für die Begegnung mit Gott
geht uns wahrscheinlich deshalb in aller Regel ab,
weil die Augen, die Gott selbst in uns aufschlägt,
häufig verdunkelt sind durch unsere Skepsis,
durch unsere Oberflächlichkeit
oder auch durch Bosheit, Sünde und Egoismus.

Im Evangelium ist uns dazu ein Wort Jesu überliefert:
„Dein Auge gibt dem Körper Licht. 
Wenn dein Auge gesund ist, 
dann wird auch dein ganzer Körper hell sein.
Wenn es aber krank ist, dann wird dein Körper finster sein.
Achte also darauf, daß in dir nicht Finsternis statt Licht ist.
Wenn dein ganzer Körper von Licht erfüllt 
und nichts Finsteres in ihm ist, dann wird er so hell sein, 
wie wenn die Lampe dich mit ihrem Schein beleuchtet." (Lk. 1, 34-36).

Von Simeon heißt es,
er habe in einem unscheinbaren Kind
das Licht gesehen,
„das die Heiden erleuchtet"
und Herrlichkeit ist für Gottes Volk Israel.

Uns allen ist die Schau dieses Lichtes
grundsätzlich durch die Taufe geschenkt.
Die Taufkerze -
Haben Sie die überhaupt noch?
Und haben Sie die in letzter Zeit noch einmal angezündet? -
Die Taufkerze ist ein eindruckstarkes Symbol dafür.
Und auch die Kerzen, die wir heute in der „Lichtmesse" entzünden,
erinnern uns daran,
daß unsere Augen „licht" sein könnten,
wie es die Augen des greisen Simeon waren.

Nehmen sie die Lichter dieses Gottesdienstes 
nachher mit nach Hause und in ihren Alltag.
Vielleicht gelingt es uns,
das Licht nicht nur in unseren Händen zu tragen,
sondern durch die Begegnung mit Jesus Christus hier in dieser Feier
selbst zum Licht zu werden für andere,
die sich nach Begegnung sehnen.

Amen.