Predigt zum Vierten Ostersonntag 'C'
am 12. Mai 2019

Lesung: Psalm 23
Evangelium: Joh. 10, 27-30
Auor: P. Heribert Graab SJ

Das Evangelium vom Guten Hirten – ein Oster-Evangelium?
Das zu verstehen, dazu hilft der Psalm 23:

    Der Herr ist mein Hirte,
        nichts wird mir fehlen. 
    Er läßt mich lagern auf grünen Auen
        und führt mich zum Ruheplatz am Wasser… 
    Du deckst mir den Tisch
        vor den Augen meiner Feinde.
    Du salbst mein Haupt mit Öl,
        du füllst mir reichlich den Becher…
                                             Ps. 23, 1-2.5

Der Psalm verknüpft mit der Gestalt des Hirten
Stichworte österlicher Lebensfülle:
Grüne Auen, Ruheplatz am Wasser,
der gedeckte Tisch, der reichlich gefüllte Becher.
Stille
Der Künstler Sieger Köder hat zum Psalm 23
ein Bild gemalt, das ich sehr liebe.

 


Ich möchte Sie heute einladen,
dieses Bild mit mir zu betrachten -
und zwar als ein österliches Bild.

Betrachten wir zunächst den Dichter und Sänger dieses Hirtenpsalmes:
David trägt den jüdischen Gebetsschal,
begleitet seinen eigenen dankerfüllten Gesang auf der Harfe,
blickt empor zum Herrn als dem Hirten seines Lebens
und jubelt Ihm zu (wie es heute im Antwortpsalm heißt):
    „Jauchzt dem Herrn alle Lande!
    dient dem Herrn mit Freude!
    Kommt vor sein Angesicht mit Jubel!“
Da klingt schon der Jubelruf des „Halleluja“ an,
mit dem David viele Psalmen anstimmt oder ausklingen läßt.
Dieser Jubelruf wurde für Christen nicht von ungefähr
vor allem zum Ausdruck österlich überschwenglicher Freude.

Stille


„Der Herr läßt mich lagern auf grünen Auen.“
Dieser einleitende Vers des Lobliedes auf den Hirten
hat im Bild Sieger Köders seinen Platz im Zentrum.
Voll des Lebens sind diese grünenden und blühenden Auen,
gerahmt von funkelnd-roten Frühlingsblumen.
Mit diesem Leben verheißendem Ort verknüpft der Künstler nun
die Lebensfülle des reich gedeckten Tisches:
    „Du deckst mir den Tisch…
    Du füllst mir reichlich den Becher.“

Ist Ihnen schon einmal aufgefallen,
daß in den Osterberichten des Evangeliums
immer wieder das gemeinsame Mahl einen zentralen Platz einnimmt?
Der Auferstandene erscheint den Emmausjüngern:
    Sie erkennen Ihn beim Mahl mit Brot und Wein.
Der Auferstandene erscheint
den Jüngerinnen und Jüngern in Jerusalem:
    Auch sie kommen zu Glauben, indem Er mit ihnen ißt.
Während etliche Jünger frühmorgens auf dem See von Genesareth
in ihrer Enttäuschung wieder als Fischer arbeiten,
aber mit leeren Netzen zurückkehren,
steht der Auferstandene als ein Fremder unerkannt am Ufer:
    Auf Sein Geheiß fangen sie dann ganz viele Fische,
    deren Fülle sie ahnen läßt, wer da am Ufer steht.
    Dann aber brennt da am Ufer schon ein wärmendes Feuer
    und der Fremde lädt einfach ein zum gemeinsamen Mahl.   

Selbst in unserer säkularisierten Zeit und Umwelt
könnte David den Psalm 23 als ein Lied österlicher Freude anstimmen,
wenn er während der ersten sonnigen und warmen Frühlingstage
einen Spaziergang durch den Grüngürtel und in Kölner Parkanlagen
unternehmen würde: Überall wird gegrillt,
reichlich gedeckte Tische auf den grünen Wiesen
und Getränke mehr als genug.
Fröhliche Menschen und Leben in Hülle und Fülle:
Die österliche Lebensfreude steckt in den Menschen drin -
ob sie darum wissen oder nicht,
ob sie den Osterglauben mit uns teilen oder nicht.

Stille


Ein weiteres, ebenfalls österliches Motiv greift der Maler
ganz oben im Bild auf:
Die grünenden und blühenden Auen
liegen wie ein einladender Ruheplatz am Wasser -
am Wasser des Lebens.
Fast wie der Quellgrund dieses lebenspendenden Wassers
mittendrin die Hand des Herrn:
Er lädt ein, Er schenkt Leben in Fülle -
und das nicht so allgemein und unpersönlich:
In Seine Hand eingezeichnet das Gesicht Davids
oder auch das Gesicht irgendeines konkreten Menschen,
vielleicht mein Gesicht…
Da klingen aus dem Hirtenevangelium die Worte des Hirten an:
Ich kenne die Meinen, und die Meinen kennen mich.

Stille


Noch ein letztes Motiv, das Sieger Köder in seinem Bild aufgreift:
Zu beiden Seiten türmen sich hohe, bedrohlich wirkende Mauern auf:
„Muß ich auch wandern in finsterer Schlucht…“

Ich denke, der Künstler hat diese finstere Schlucht
sehr bewußt als von Menschen geschaffene Mauern gestaltet:
Am Karfreitag mußte Jesus selbst
durch diese finstere Schlucht wandern -
schließlich durch die erschreckende Nacht Seines Todes am Kreuz.
In Seinem gläubigen Grundvertrauen konnte Er beten:
„Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist.“ (Lk. 23,46)

Das vertrauensvolle Gebet des David lautet im Hirtenpsalm:
„Ich fürchte keine Unheil;
denn du bist bei mir,
dein Stock und dein Stab geben mir Zuversicht.“

Unsere eigene Zuversicht in all den Dunkelheiten dieser Welt
und auch unseres eigenen Lebens
gründet in der uns geschenkten österlichen Hoffnung:
„Christus ist von den Toten auferweckt worden
als der Erste der Entschlafenen. 
Denn wie in Adam alle sterben, so werden in Christus
alle lebendig gemacht werden.“ (1.Kor. 15,20+22)

Amen.