Predigt zum 2. Fastensonntag 'C'
am 17. März 2019
Evangelium: Lk. 9, 28b - 36
Autor: P. Heribert Graab SJ
Anregungen zu dieser Predigt aus "Gottes Volk" 3 / 2029 (Reinhold Walter)
In der biblischen Verkündigung
sowohl des Alten wie des Neuen Testamentes
spielen Bilder aus Schöpfung und Natur eine ganz zentrale Rolle.
Das gilt auch für Landschaften.
In den Schrifttexten des vergangenen Sonntags
hatte z.B. die „Wüste“ eine wichtige, auch inhaltliche Funktion
für die Verkündigung, für die Kernbotschaft der Texte also.

Heute steht im Mittelpunkt des Evangeliums ein Berg,
der Berg Tabor in Galiläa.
Das ist ein ausgesprochen markanter Berg,
der mehrere hundert Meter
über die umgebende Landschaft hinausragt.
Und auch dieser Berg ist ein wesentliches Element der Botschaft selbst.

Es ist kein Zufall, daß auch heute Gebirgslandschaften
und besonders markante Berge
herausragende Touristenziele sind.
Wenn Sie selbst schon in den Bergen gewandert sind
oder auch Ihren Skiurlaub dort verbracht haben,
haben Sie wahrscheinlich selbst erlebt,
wie faszinierend diese Landschaft
und auch einzelne Berge sein können.

Da ist es nicht verwunderlich,
daß in allen Religionen Berge als Orte von Göttern gesehen werden.
Denken Sie etwa an den Olymp,
den Berg der alten griechischen Götter;
oder auch an viele Berge in Deutschland,
die in alten Zeiten einmal dem Jupiter geweiht waren.
Die meisten von ihnen wurden nach der Christianisierung
dem Erzengel Michael geweiht.
Heute noch finden sich oben auf diesen Bergen Michaelskapellen.
Auf nahezu allen Gipfeln der Alpen
wurden von Christen Gipfelkreuze errichtet.
Und im Sommer fühlen selbst ansonsten säkularisierte Touristen
durch Bergmessen angezogen.

Wie die Natur überhaupt, so verkünden uns zumal Berge
des Schöpfers Größe und Herrlichkeit.
Sie laden uns ein innezuhalten, 
Gott zu danken und Ihn anzubeten.

Auch in der Bibel gelten ins Auge springende Berge
als Orte von Göttern und vor allem als Ort des einen Gottes Israels.
So war z.B. der Karmel ursprünglich eine Kultstätte des Baal.
Durch das Wirken des Propheten Elia wurde er dann
zu einem Ort der Verehrung JAHWES.
Der bedeutendste Gottesberg Israels war natürlich der Sinai.
Dort erschien Gottes Herrlichkeit dem Mose und übergab ihm
die Thora als Grundgesetz des Bundes
zwischen Gott und Seinem auserwählten Volk.

Später dann erlangte der zum imposanten Berg hochstilisierte Zion
als Tempelberg und Wohnung Gottes mitten unter Seinem Volk
die bei weitem größere Bedeutung.
Der Psalm 48 bejubelt den Zion mit diesen Worten:
    „Groß ist der Herr und hoch zu preisen in der Stadt unseres Gottes.
    Sein heiliger Berg ragt herrlich empor;
    er ist die Freude der ganzen Welt.“

Die Stadt Gottes auf dem Zion -
das ist auch die Stadt Jesu.
Während Seines ganzen Lebens ist Er auf dem Weg dorthin.
Auf einem Esel statt auf dem Pferd der Mächtigen dieser Welt
zieht Er schließlich ein in ‚Seine‘ Stadt auf dem Berge.
Dort kommt Sein irdisches Leben zum Ziel und zur Vollendung
in Kreuz und Auferstehung;
und auch diese Vollendung Seines Lebens
ereignet sich auf einem Berg, auf Golgota.

Wer selbst schon einmal wirklich hinaufgestiegen ist auf einen Berg,
statt mit der Seilbahn hinaufzufahren,
weiß, daß Berge uns fordern,
daß sie uns unter Umständen sogar unsere Grenzen aufzeigen.
Wenn wir uns auf eine Bergtour einlassen,
ist das in der Regel kein Spaziergang;
es geht vielmehr nicht selten ‚um’s Ganze‘.
Das macht eine Bergwanderung zum Bild für unser Leben,
und für die Herausforderung, die unser Leben für uns darstellt.
Für das Leben Jesu wird diese Herausforderung noch unterstrichen
durch einzelne Berge, die zu Höhepunkten Seines Lebens wurden:
•    Der Berg der Versuchung.
•    Der Berg, der Seinem Lebensprogramm den Namen gab:
der ‚Bergpredigt‘.
•    Der Berg der Verklärung.
•    Der Ölberg als Ort existentieller Angst.
•    Und schließlich der Berg Golgotha,
auf dem es in Tod und Auferstehung
für Ihn selbst und darüber hinaus auch für uns
wirklich ‚um’s Ganze‘ ging.

Wenn Jesus von der Stadt auf dem Berge spricht
und sagt, sie könne nicht verborgen bleiben,
dann hat Er selbstverständlich Jerusalem
und vor allem den Zion vor Augen.
Er spricht in diesen Bildern vom Reich Gottes
und sieht uns als die Bewohner dieser Gottesstadt auf dem Berge,
die nicht verborgen bleiben soll.
Denn unser Licht soll vor den Menschen leuchten,
damit sie unsere guten Werke sehen
und unseren Vater im Himmel preisen. (cf. Mt. 5, 14-16)

All diese Zusammenhänge und damit der Kern der Botschaft Jesu
werden vorweggenommen
im Verklärungsgeschehen auf dem Berg Tabor.
Dies Ereignis kann man verstehen als Verheißung des Kommenden und als Vorbereitung der Jünger auf diese Zukunft,
und damit natürlich auch als Ermutigung auf den Weg dorthin.

In bis dahin nie erlebter Intensität bricht das Göttliche
als überwältigendes Licht in das Leben der Jünger ein.
Sie spüren: Hier geht es wirklich ‚um’s Ganze‘,
hier wandelt sich nicht nur die Wahrnehmung ihres Meisters,
hier werden sie vielmehr selbst verwandelt.
Sie kehren zurück in ihren Alltag;
sie bleiben gewiß sie selbst - auch mit all ihren Schwächen… -
und doch sind sie auf diesem Berg neue Menschen geworden,
die schließlich im Dienste Jesu und Seiner Botschaft
hinausgehen in alle Welt
und sogar ihr Leben einsetzen für Ihn.

Unser eigenes Leben ist so etwas wie eine Berg- und Talwanderung.
Da liegt die Frage nach den Höhepunkten unseres Lebens nahe:
•    Was sind eigentlich die Höhepunkte meines Lebens?
•    Was hebt diese Höhepunkte heraus
aus den Niederungen des Alltags?
•    Bringen diese Höhepunkte hier und da
Erfahrungen des Göttlichen,
Erfahrungen der Nähe Gottes mit sich?
•    Bedeuten sie für mich neue Hoffnung und Ermutigung?
•    Verwandeln sie mich?

Mit diesen Fragen, die sich aus dem heutigen Evangelium ergeben,
möchte ich Sie in die kommende Woche entlassen.

Amen.