Predigt zum 1. Fastensonntag 'C'
am 10. März 2019
Lesung:  Dtn. 26, 4 – 10
Evangelium:
Lk 4, 1 - 13
Autor: P. Heribert Graab SJ
Im Allgemeinen verknüpfen wir mit „Wüste“
vor allem negative Vorstellungen:
    Steinwüste, verödetes Land, verwüstete oder zerstörte Städte…
Wenn wir uns das heutige Evangelium anschauen,
scheint auch da Negatives im Vordergrund zu stehen:
Die Wüste als Ort der Versuchung.

„Ort der Versuchung“ war die Wüste ja schon für das Gottesvolk Israel
auf seiner Flucht aus Ägypten:

    „In jenen Tagen, das Volk dürstete dort nach Wasser
    und murrte gegen Moses. Sie sagten:
    Warum hast du uns überhaupt aus Ägypten hierher geführt?
    Um uns, unsere Söhne und unser Vieh verdursten zu lassen?“
    Den Ort dieser Auflehnung des Volkes nannte Mose:
    „Massa und Meriba (Probe und Streit),
    weil die Israeliten Streit begonnen
    und den HERRN auf die Probe gestellt hatten,
    indem sie sagten: Ist der HERR in unserer Mitte oder nicht?“
    (Ex. 17, 3-7)

Und im Evangelium nun die Versuchungen Jesu!
Schauen wir zunächst einmal,
    worum es dabei eigentlich geht,
    und ob die Versuchungen Jesu auch uns heute betreffen.

1.    Die erste Versuchung des Teufels:
    „Wenn du Gottes Sohn bist,
    so befiehl diesem Stein, zu Brot zu werden.“

Nach 40 Tagen in der Wüste hat Jesus ganz einfach Hunger.
Er braucht dringend Brot. Aber da ist weit und breit nichts!
Also animiert ihn der Teufel,
in dieser menschlichen Not göttliche Macht zu mißbrauchen.
Die Antwort Jesu: „Der Mensch lebt nicht nur von Brot.“

Jesus hatte sich in die Wüste zurückgezogen,
um in der Stille und Einsamkeit Gott zu begegnen
und sich Seiner selbst und Seiner Sendung zu vergewissern.
Sein Hunger und die Versuchung
wollen Ihn nun von dem abbringen,
was in diesem Moment für Ihn einzig und allein wesentlich ist:
Die Frage nach Sinn und Auftrag Seines Lebens
droht verdrängt zu werden
durch vergleichsweise banalen Hunger nach Brot.

Jesus weiß sehr wohl, wie unverzichtbar Brot ist.
Er kümmert sich durchaus um den Hunger all der Menschen,
die Ihm später zuhören - jener 5000 etwa,
die Er sättigte bei der „Brotvermehrung“.
Aber auch da wahrt Er die Prioritäten:
„Der Mensch lebt nicht nur von Brot.“

Prioritäten heute: Der Konsum droht zum Götzen zu werden.
Auch bei mir?
Was ist mir wirklich wichtig?
So wichtig, daß sogar wirklich notwendige materielle Bedürfnisse
mal in den Hintergrund treten müssen -
ganz zu schweigen von all den „Bedürfnissen“,
die uns in unserer Wohlstandsgesellschaft eingeredet werden…

Stille
 
2.    Die zweite Versuchung:
      „All die Macht und Herrlichkeit dieser Welt will ich dir geben,    
       …wenn du dich vor mir niederwirfst und mich anbetest.“

Die Versuchung der Macht.
Jesus antwortet darauf:
„Vor dem Herrn, deinem Gott, sollst du dich niederwerfen
und ihm allein dienen.“
Später sagt Jesus Seinen Jüngern,
die von Macht und Ansehen im Reich Gottes träumen:

„Ihr wißt, daß die Herrscher ihre Völker unterdrücken
und die Mächtigen ihre Macht über die Menschen mißbrauchen. 
Bei euch soll es nicht so sein,
sondern wer bei euch groß sein will,
der soll euer Diener sein…“ (Mt. 20, 25 f)

Wir vermuten zwar, daß vor allem Politiker und Wirtschaftler
der Versuchung von Macht und Einfluß erliegen.
Wir sollten uns jedoch auch selbst den Spiegel vorhalten:
Welche fragwürdigen Mittel setze ich selbst ein,
um eine wichtige Rolle zu spielen und Einfluß zu gewinnen -
im Beruf, im Verein, in der Nachbarschaft,
und auch in der Familie…

Stille

3.    Die dritte Versuchung:
    „Wenn du Gottes Sohn bist,
    so stürze dich von den Zinnen des Tempels hinunter in die Tiefe.“

Das verstehe ich vor allem als eine Versuchung,
sich durch Show-Effekte Geltung zu verschaffen.

    Der Tempelhof ist immer gefüllt
    von einer großen Menschenmenge.
    Die werden das Spektakel sehen, darüber reden
    Und die Kunde davon verbreiten.

    Jesus seinerseits hat eine Botschaft, die Er verkünden möchte.
    Dafür braucht Er ein möglichst großes Publikum.
    Und gut ist es, um gehört zu werden,
    sich einen Namen zu verschaffen.
    Also…

Ist das so oder so ähnlich vielleicht auch meine Versuchung:
Mir einen Namen zu machen, mir Geltung zu verschaffen -
durch Bluff, durch Show-Effekte…?
Stille

Nehmen wir uns schließlich noch einen Augenblick Zeit,
uns nach der Versuchung zu fragen,
die uns ganz persönlich immer und immer wieder umtreibt?
Der „Teufel“ kannte ganz genau die Angriffspunkte,
die ihm bei Jesus möglicherweise Erfolg versprachen.

Er kennt auch unsere Schwachstellen.
Kennen wir selbst sie auch???

Stille

Abschließend möchte ich kurz noch einmal
auf den Anfang zurückkommen:

„Wüste“ - das ist keineswegs nur ein lebensfeindlicher Ort,
ein negativer Ort, den es möglichst zu meiden gilt.

„Wüste“ - das ist aus der Sicht der Bibel
vor allem ein Ort der Gottesbegegnung:
Schon das alte Israel hatte auf seiner Wüstenwanderung
diese Erfahrung gemacht: Gott ist mit uns auf dem Weg -
am Tag in einer ‚Wolkensäule‘, des nachts in einer Feuersäule.

„Wüste“ - das ist auch ein Ort, um zu sich selbst zu kommen;
um sich seiner selbst zu vergewissern;
um Sinn und Sendung des eigenen Lebens (neu) zu entdecken;
um Kraft zu tanken, sich der eigenen Lebensaufgabe zu stellen,
und furchtlos der Zukunft den Schritt in die Zukunft zu wagen.

•    Diese Erfahrung haben vor allem
    die Propheten immer wieder gemacht.
•    Um dieser Erfahrung willen hat Jesus sich
    zu Beginn Seines öffentlichen Wirkens
    in die Wüste zurückgezogen.
•    Um dieser Erfahrung willen suchen Menschen auch heute
    nach Stille und Zurückgezogenheit z.B. in einem Kloster…
•    Um dieser Erfahrung willen pflegen manche Klöster
    die Tradition von „Wüstentagen“.
•    Um der Möglichkeit solcher Erfahrungen willen
    laden die 40 Tage der Fastenzeit auch uns ein,
    uns - soweit irgend möglich - von dem Trubel
    und der Hektik unserer Zeit fernzuhalten
    und den Konsum auf ein möglichst bescheidenes Maß    
    zurückzufahren.

Amen.