Predigt zum
fünften Ostersonntag (B) am 29. April 2018 |
Evangelium: Joh. 15, 1-8 Autor: P. Heribert Graab SJ |
Vermutlich läuft einigen von Ihnen das Wasser im Munde
zusammen, wenn von den Früchten des Weinstocks die Rede ist. Jesus wählt nicht irgendeine der unzähligen früchtetragenden Pflanzen, um Seine Beziehung zu uns und unsere Beziehung zu Ihm zu charakterisieren; er wählt dafür wohl sehr bewußt den Weinstock, seine Reben und seine Früchte aus: Der Weinstock und seine Früchte gelten seit vielen Jahrtausenden als besonders edle Gaben der Natur, schlicht als herausragende Geschenke der Güte Gottes. Jesus spricht von sich selbst als dem Weinstock und uns vergleicht Er mit den Weinreben, die reiche Frucht bringen sollen. Was fällt Ihnen spontan dazu ein? Stille
Der Vergleich ist für uns zunächst ein ehrenhaftes Kompliment, dann aber auch eine höchst anspruchsvolle Herausforderung: Ein Kompliment nicht nur, weil Jesus uns als einen wesentlichen Teil einer so edlen, fruchttragenden Pflanze sieht; mehr noch ehrt uns diese enge und lebendige Verbindung mit Ihm, dem menschgewordenen Gott selbst - vergleichbar mit der Verbindung von Rebe und Weinstock. Eine anspruchsvolle Herausforderung ist dieser Vergleich zugleich, weil Jesus von uns nicht nur irgendwelche Früchte, sondern herausragend edle Früchte erwartet, die Seiner würdig sind - • Früchte also, die dem Leben Geschmack verleihen und die für andere ein wahrer Genuß sind; • Früchte, die Freude schenken; • Früchte, die Sorgen abnehmen und Trost spenden - frei nach einem Wort von Goethe: „Für Sorgen sorgt das liebe Leben, und Sorgenbrecher sind die Reben.“ Überlegen wir einen Augenblick lang, welche Früchte wir persönlich hervorbringen? Stille
Jedenfalls wären das „reiche Früchte“ unseres Lebens im Sinne Jesu: Sorgen zu lindern, Schmerzen zu heilen, Freude zu schenken, Gerechtigkeit und Frieden zu schaffen. Umfassend gesagt: Einen Beitrag zu leisten zum Kommen des Reiches Gottes, mitzuwirken an einer Zukunft, die durch Menschlichkeit und Liebe bestimmt ist. Um eine möglichst gute Qualität bei der Traubenernte zu erreichen, sind immer wieder Eingriffe des Winzers erforderlich. Winzer sagen, sie würden die Weinreben „erziehen“. Dabei geht’s darum, die Reben zu beschneiden, sie in Form zu bringen und sie entsprechend zu unterstützen - z.B. durch Pfähle, Querstreben und Spanndrähte. Jesus sagt nun, all diese „Erziehungsmaßnahmen“ nehme bei uns der „Vater“ wahr, also Gott selbst als „Winzer“. Haben wir solche „Erziehungsmaßnahmen“ schon bei uns selbst wahrgenommen? Und haben wir sie als solche erkannt? Stille
Natürlich stoßen uns allen viele Ereignisse und auch Schicksalsschläge zu, die uns prägen. Nur im Glauben und oft auch erst nach einiger Zeit sind wir in der Lage, wenigstens das ein oder andere von all dem als einen „Erziehungs“-Beitrag des „Vaters“ zu deuten und uns vielleicht sogar zu bedanken auch für manches Schwere, das uns widerfuhr, und das sich irgendwann als sehr hilfreich für unsere Entwicklung und für ein „Reiche-Frucht-Bringen“ herausstellte. Stille
Die eigentlich frohmachende Kernbotschaft der Bildrede Jesu lautet jedoch: Ihr gehört zu mir, wie die Rebe zum Weinstock. Ihr lebt durch mich, mit mir und in mir und durch meine Lebenskraft. Aus der Lebensfülle, die ich Euch schenke, kann Euer Leben überaus fruchtbar sein - für Euch selbst und für andere. Daher: Bleibt in mir, wie ich in Euch bleibe! Stille
Diese Kernbotschaft des heutigen Evangeliums ist nicht zuletzt eine österliche Botschaft – nämlich die Zusage österlicher Lebensfülle. Amen. |