Predigt zum 7. Sonntag in der Osterzeit (C)
am 12. Mai 2013
Lesung: Offb. 22 (gekürzt)
Autor: P. Heribert Graab, S.J.
Mit Christi Himmelfahrt haben wir nun auch
den zweiten Höhepunkt der österlichen Zeit überschritten.
Am nächsten Sonntag feiern wir dann Pfingsten,
den Beginn der Zeit des Geistes Gottes.
In dieser Zeit leben wir heute.
In dieser Zeit des Gottesgeistes wirkt Ostern
in unsere Gegenwart und Zukunft hinein:
Die österliche Neuschöpfung des Kosmos und der Menschheit
geht weiter!
„Wir wissen,“ schreibt Paulus im Römerbrief,
„daß die gesamte Schöpfung bis zum heutigen Tag seufzt
und in Geburtswehen liegt.“
„Die Schöpfung ist der Vergänglichkeit unterworfen,“
aber sie „wartet sehnsüchtig“ darauf, ‚neu‘ zu werden:  
Denn „auch die Schöpfung soll von der Sklaverei und Verlorenheit
befreit werden zur Freiheit und Herrlichkeit der Kinder Gottes“ –
österliche Hoffnung der ganzen Schöpfung also. (cf. Röm. 8, 18-25)

Von dieser Hoffnung ist die Lesung dieses Sonntags erfüllt:
„Siehe, ich komme bald,“
- das ist die Botschaft des auferstandenen Christus -
„Ich bin das Alpha und das Omega, der Erste und der Letzte,
der Anfang und das Ende.“
Im 22. Kapitel der Johannes-Offenbarung geht es
wie schon am vergangenen Sonntag um das neue Jerusalem,
um diese neue, österlich geprägte  Stadt Gottes.
Der Horizont weitet sich aber noch einmal:
Nicht nur die Stadt selbst ist im Blick des Sehers,
sondern auch die Landschaft und die Natur drum herum,
ausdrücklich also die ganze Schöpfung.

Da ist von einem Strom die Rede,
der kristallklares Wasser führt, „Wasser des Lebens“.
Kaum eine Zeit vor uns dürfte diese Verse
besser verstanden haben als wir –
stehen wir doch immer wieder vor dem Problem,
daß unsere Bäche, Flüsse und Seen ‚umzukippen‘ drohen
zu Gewässern, in denen alles Leben abstirbt.
Selbst die weltweiten Meere haben wir in unserer Zeit
zu überdimensionalen Müllkippen gemacht:
Vor allem Altöl und wahre Massen an Plastikabfällen
verpesten die Ozeane und dezimieren den Fischbestand.

An jenem Strom jedoch, der in der neuen Schöpfung
„vom Thron Gottes und des Lammes“ ausgeht,
wachsen „Bäume des Lebens“:
„Zwölfmal tragen sie Früchte, jeden Monat einmal.“
Diese ‚Fülle des Lebens‘ ist uns schon
aus der Botschaft der ‚alten‘ Schöpfung
und dann in einer Vorausschau auf die ‚neue‘ Schöpfung
aus den Evangelien vertraut:
In jedem Frühling erleben wir auf’s Neue
diese überwältigende Fülle der Blütenpracht.
Und im Evangelium werden z.B. das Weinwunder zu Kana,
die Brotvermehrung oder der überreiche Fischfang
zu Bildern dieser ‚Fülle‘ in der neuen Schöpfung.

Dann heißt es weiter im Text der Johannes-Offenbarung:
„Und die Blätter der Bäume dienen zur Heilung der Völker.“
Auch dieses Motiv der Heilung und des ganzheitlichen Heils
ist uns aus dem Leben Jesu vertraut:
Jesus kennt offenkundig die Heilungskräfte
der Natur einer ‚neuen‘ Schöpfung und nimmt sie vorweg.
Die gesamte Botschaft Seines Lebens nimmt ja
die neue Stadt Gottes, das Reich Gottes, Seine neue Welt vorweg
und eröffnet uns Handlungsperspektiven
für unser Mitwirken an dieser Schöpfung.

Schon am vergangenen Sonntag haben wir in der Lesung gehört,
daß es keine Nacht mehr geben werde,
und daß das Licht der Lampen und selbst der Sonne
überflüssig werde angesichts der leuchtenden Herrlichkeit Gottes.
Diese fast naive Bildsprache kann natürlich
nur eine Ahnung vom real Gemeinten vermitteln.
Aber selbst diese vage Ahnung ist überwältigend:
Menschen sehen sich gegenseitig im Licht Gottes
und erkennen im Licht Seiner Liebe den unschätzbaren Wert,
die ganze Würde und Liebenswürdigkeit des anderen.
All die Dunkelheit von Not, Elend und Leid
wird ganz und gar durchstrahlt vom Glanz der Liebe.

Das 22. Kapitel der Offenbarung und damit unsere Lesung
schließt mit einer Art ‚Garantieerklärung‘:
„Diese Worte sind zuverlässig und wahr.“
Dem auferstandenen Christus in der Herrlichkeit Gottes selbst
sind die Worte in den Mund gelegt:
„Die Zeit ist nahe… Siehe, ich komme bald!“
Und: „Selig, wer sein Gewand wäscht;
er hat Anteil am Baum des Lebens,
und er wird durch die Tore in die Stadt eintreten können.“

Wir fragen uns, was dieses ‚bald‘ bedeutet.
Manche Theologen sagen, Jesus und die ersten Christen
hätten sich geirrt mit ihrer ‚Naherwartung‘.
Ich glaube das nicht!
Sie alle kennen doch die Antwort Jesu auf die Frage der Pharisäer,
wann das Reich Gottes komme. Jesus sagt ihnen:
„Das Reich Gottes ist schon mitten unter euch!“ (Lk. 17, 20-21)
Es wächst wie ein Senfkorn, das man in die Erde legt.
Es wirkt wie der Sauerteig,
den man unter einen großen Trog Mehl mengt. (cf. Lk. 13, 20-21)
Man möchte an solche Jesusworte die Frage des Jesaja anfügen:
„Seht her, nun mache ich etwas Neues.
Schon kommt es zum Vorschein, merkt ihr es nicht?“ (Jes. 43, 19)
Macht doch einfach die Augen auf
und entdeckt, was überall auf der Welt
den Worten und dem Leben Jesu entsprechend geschieht!
Und dann hört auf den Ruf des Geistes und der ‚Braut‘, (cf. Offb. 21, 2)
d.h. der schon anbrechenden neuen Schöpfung:
„Komm! Wer durstig ist, komme!“
Wer also voll Sehnsucht ist nach dem ‚Neuen‘, der komme!
„Wer will, empfange umsonst das Wasser des Lebens!“

Also – was zögert Ihr?
Wascht Euer Gewand, d.h. kehrt um, denkt um,
laßt Euch ein auf ein Leben in der Nachfolge Jesu,
damit Ihr eintreten könnt in den ‚Festsaal‘ der neuen Welt Gottes,
und damit Ihr hier und heute schon die Lichter seht
und die Musik hört, wie Ernesto Cardenal
es in seiner ‚Vision‘ singt:
„Wir sind noch nicht im Festsaal angelangt,
aber wir sind eingeladen.
Wir sehen schon die Lichter und hören die Musik.“

„Amen. Komm, Herr Jesus!“ – Marána tha!