Predigt zum 6.
Sonntag in der Osterzeit (C) am 9. Mai 2010 |
Lesung: Apg
15, 1-2.22-29 Autor: P.Heribert Graab S.J. |
Als das Zweite Vatikanische Konzil
zu Ende ging,
füllten die Abschlußdokumente dieses Konzils zwei dicke Bände. Das erste Konzil der Kirche, das Apostelkonzil zu Jerusalem, legte sein wichtigstes Ergebnis in einem einzigen kurzen Brief nieder. Dieser Brief war adressiert an “die Brüder aus dem Heidentum in Antiochia, in Syrien und Zilizien.” Wir haben ihn soeben in der Lesung gehört. Da geht es um eine Frage, die die junge Christenheit schon sehr früh vor eine Zerreißprobe stellte: Können “Heiden” in gleicher Weise Christen werden - und zwar ohne sich zuvor beschneiden zu lassen und sich dem Gesetz des Mose zu unterwerfen. Die Apostelgeschichte erwähnt ausdrücklich: Es gab in dieser Sache Streit, und zwar heftigen Streit - bereits vor dem Apostelkonzil in Antiochia, und dann auf dem Konzil selbst in Jerusalem. Hintergrund dieser massiven Auseinandersetzungen war letztlich ein doppeltes Problem, das die Kirche durch ihre ganze zweitausendjährige Geschichte begleitet hat: Zunächst einmal scheint es die Eigenart von Menschen, und eben auch von uns Christen zu sein, am Althergebrachten und Gewohnten festzuhalten, und zwar so, daß jedes Gespür für zukunftsweisende Entwicklungen verloren geht und sogar das Gespür für die Führung des Heiligen Geistes. Es liegt auf der Hand, wie sehr eine solche Tendenz die Kirche in ihrer Substanz gefährdet. Damals also waren es vor allem Christen aus dem Judentum und zumal ehemalige Pharisäer, die hartnäckig die Annahme der jüdischen Traditionen als Voraussetzung für die Taufe verteidigten. Hinzu kam eine zweite Versuchung, die ebenfalls sehr menschlich ist. Auch diese Versuchung ist der Kirche nicht fremd - bis auf den heutigen Tag: Wenn Menschen Angst haben, • Angst um Vertrautes, • Angst um bewährte Ordnungen, • Angst um ihre eigene Sicherheit, wenn sie befürchten, alles was ihnen bisher wichtig war, könne ins Schwimmen geraten - dann reagieren sie mit Gesetzen, Paragraphen, Vorschriften. Dann legen sie nach Möglichkeit all denjenigen, die sie für ihre eigene Unsicherheit verantwortlich machen, “Lasten” auf - und das obwohl sie selbst an eben diesen Lasten immer wieder gescheitert sind. Auf diesem Hintergrund stellt ausgerechnet Jakobus, der “Bischof” der judenchristlichen Gemeinde von Jerusalem, den zum “Konzil” Versammelten die Frage: “Warum legt ihr den Jüngern (aus dem Heidentum) ein Joch auf den Nacken, das weder unsere Väter noch wir tragen konnten? Wir glauben (doch) im Gegenteil, durch die Gnade Jesu, des Herrn, gerettet zu werden, auf die gleiche Weise wie jene.” (Apg. 15, 10 f) Mit diesen Worten bringt Jakobus die Versammlung zu einem betretenen, aber auch sehr nachdenklichen Schweigen. Und dann nimmt das “Konzil” eine Wende: Paulus und Barnabas finden aufmerksames Gehör mit ihren Berichten über das Wirken des Heiligen Geistes unter den Heiden; Jakobus selbst erinnert an ähnliche Erfahrungen des Petrus im Hause des Heiden Kornelius; und Jakobus hält auch einen kleinen Vortrag über die Botschaft der Propheten, die bezeugt: Gottes Wille sei es, daß alle Menschen Ihn suchen und finden, und also auch alle Völker, über denen Sein Name ausgerufen ist. (Apg. 15, 17) Jetzt wird das “Konzil” konstruktiv. Ausgerechnet Jakobus macht einen weitgehenden Kompromiß-Vorschlag: Von der Beschneidung ist nicht mehr die Rede. Von den unzähligen Vorschriften des mosaischen Gesetztes hält er nur fest: Die Heidenchristen sollten Verunreinigung durch Götzen(opferfleisch) und Unzucht meiden und weder Ersticktes, noch Blut essen. Diese sogenannten “Jakobusklauseln” sollten ein ungestörtes Zusammenleben zwischen Juden- und Heidenchristen in gemischten Gemeinden ermöglichen. Dieser Kompromiß wird allgemein angenommen und schließlich in jenem Brief, den wir in der Lesung gehört haben, den jungen heidenchristlichen Gemeinden mitgeteilt. Mir scheint, das Apostelkonzil könnte mit seiner offenen, hörbereiten, weitsichtigen und kompromißfähigen Arbeitsweise auch für die Kirche von heute Maßstäbe setzen! Streit wird es selbstverständlich immer geben - unter den Menschen überhaupt und auch in der Kirche. Entscheidend ist, daß wir heute von der Streitkultur des Apostelkonzils lernen. • Hilfreich wäre es etwa, wenn es uns in der Kirche gelingen würde, zum Beispiel die festgefahrenen Traditionen kirchlicher Sexualmoral aufzubrechen und zu aktualisieren. • Hilfreich wäre es, gemeinsam mit den evangelischen Kirchen konstruktiv nach Möglichkeiten eines gemeinsamen Abendmahles oder wenigstens einer “eucharistischer Gastfreundschaft” zu suchen. • Hilfreich wäre es erst recht, wenn ein “ökumenisches Konzil” von Katholiken und Protestanten nach Art des Apostelkonzils für das vor allem noch strittige Amtsverständnis der Kirchen großzügige Kompromißformeln finden würde. Die heutige Lesung ist ein Musterbeispiel dafür, wie hochaktuell weite Teile der Heiligen Schrift für Menschen heute und zumal für die Kirche sein können. Allerdings - man müßte die Schrift nicht nur lesen, sondern vor allem praktische Konsequenzen draus ziehen. Amen. |