Predigt zum Aschermittwoch
am 17. Februar 2010
Lesung: Joel 2, 12 - 18
Evangelium:  Mt. 6, 1 - 6 . 16 - 18
Autor: P.Heribert Graab S.J.
unter Verwendung einiger Textpassagen älterer Predigten
Nach den fröhlichen Karnevalstagen
gilt der Aschermittwoch für viele als scharfer Einschnitt.
In der Kirche soll es sogar Menschen geben, die meinen,
heute erst habe der Glaube wieder eine Chance,
und nun gelte es, für das “sündhafte” Treiben des Karnevals
endlich Buße zu tun.

Meines Erachtens steckt hinter einer solchen Einschätzung
eine unchristliche Freudlosigkeit oder gar Lebensfeindlichkeit.
Der christ-katholische Karneval hat seinen letzten Grund
in der lebensbejahenden, frohmachenden
und österlichen Botschaft des Evangeliums.
Und von dieser lebensbejahenden, frohmachenden
und österlichen Botschaft ist in gleicher Weise
der Aschermittwoch geprägt:
Ein Tag, der uns - wie die ganze “Fastenzeit” -
vor die Frage stellt:
Was ist wesentlich in meinem Leben?
Das also ist der Sinn der Fastenzeit:  
Rückbesinnung auf das Wesentliche.
Umkehr zum Wesentlichen.
"Mensch, werde wesentlich!"
Die Worte zur Aschenausteilung
lauten heute in der Regel:
"Bekehre dich und glaube an das Evangelium!"
Also genau das: Besinne dich auf das Wesentliche!
Kehre um zum Wesentlichen!
Was aber wesentlich ist, sagt dir das Evangelium:
Dein Leben ist durch Jesus Christus zur Freude erlöst.
Du darfst Ja sagen zum Leben.
Du darfst durch und durch erfüllt sein von Freude.

Allerdings ist nach dem Evangeliums ebenso wesentlich:
Diese Freude zu teilen!
Ihr habt die Freude nicht für Euch allein gepachtet!
•    Teilt diese Freude vielmehr mit denen,
    deren Leben voller Weinen und Klagen ist.
•    Teilt Euren Wohlstand,
    damit auch die Armen sich freuen können!
•    Teilt, was Ihr zu essen habt, damit auch die Hungrigen satt werden
    und sich mit Euch freuen können!
•    Laßt auch all denen Wertschätzung und Ehre zuteil werden,
    die unbeachtet oder gar verachtet am Rande der Gesellschaft leben.

So erinnert uns das Aschenkreuz zum Beispiel daran,
welchem Wahn wir erliegen,
wenn wir meinen, höher zu stehen,
wenn wir glauben, auf andere herabsehen zu können,
erst recht, wenn wir Macht ausüben über andere.

In der alten Liturgie der Papstkrönung,
die es seit Paul VI. ja nicht mehr gibt,
wurde dem neuen Papst eine Schüssel
mit brennendem Werg vorangetragen.
Der Diakon rief dazu aus:
„So vergeht der Ruhm der Welt!“
Die Papstkrönung war sicherlich nicht mehr zeitgemäß.
Diese konkrete liturgische Zeichenhandlung jedoch
wäre heute so aktuell wie früher -
in Kirche, Politik
und globalisierter Wirtschaft gleichermaßen.

Stellen wir uns noch einer Frage, die die liturgischen
Texte des Aschermittwochs aufwerfen:
Der Frage nach Verborgenheit und Öffentlichkeit dessen,
was Fastenzeit ausmacht.

Im Evangelium haben wir die Mahnung Jesu gehört:
Geht mit eurer Frömmigkeit
nicht auf den Straßen hausieren;
betet und fastet im Verborgenen;
meidet die Öffentlichkeit!
Und selbstverständlich ist die Rückbesinnung
auf das Wesentliche und auf eine lebensbejahende Freude
ein verborgener Prozeß in unserem Herzen.
Auch die Bereitschaft, die Freude zu teilen,
muß wohl in unserem Inneren wachsen.

Die Kirche aber schickt uns heute
hinaus auf die Straße und in die Öffentlichkeit
mit einem sichtbaren Zeichen
unseres Glaubens auf der Stirn:
mit dem Zeichen des Aschenkreuzes.

Dennoch ist da kein Widerspruch
zwischen dem Evangelium und der kirchlichen Praxis:
Zur Zeit Jesu trugen Menschen
ihre Frömmigkeit zur Schau,
um von den Leuten gesehen zu werden
und um in deren Achtung zu emporzusteigen.
Auch heute noch mag es in der Kirche
und ihren Institutionen solche Menschen geben,
die sich von einer zur Schau getragenen Frömmigkeit
und Rechtgläubigkeit Vorteile versprechen.
Von denen also sagt Jesus:
Sie haben ihren Lohn bereits erhalten.

In unserer säkularisierten “Umwelt” jedoch
ist die Situation genau umgekehrt:
Religion ist zur Privatsache geworden;
sie ist aus der Öffentlichkeit weitgehend verdrängt.
Wer sich öffentlich, z.B. im beruflichen Umfeld,
als gläubiger Christ, gar als katholischer Christ bekennt,
stößt vielfach auf Unverständnis oder gar auf Spott.
Wer sich zum Glauben bekennt,
steigt nicht im öffentlichen Ansehen,
sondern fällt eher ab.
Dementsprechend haben viele Christen
sogar Angst, sich zu „outen“.
Heute geht es also im Allgemeinen darum,
die Sprachlosigkeit des Glaubens zu überwinden -
und zwar ohne Rücksicht darauf,
„was die Leute sagen“.

Damit berühren wir eine Kernfrage der Joel-Lesung:
“Warum soll man bei den Völkern sagen:
Wo ist denn ihr Gott?”
•    Ja - wo ist Er denn, wenn die “guten Christen”
    - wie alle anderen - auf Pöstchen, Karriere, Einfluß
    und Macht bedacht sind?
•    Ja - wo ist Er denn, wenn selbst Seine “Schäfchen” zu feige sind,
    für ihren Glauben an Ihn und für die Werteordnung Seiner Schöpfung offen und engagiert einzustehen?
•    Ja - wo ist Er denn, wenn selbst diejenigen
    unmenschlich reden und handeln, die vorgeben,
    von Seiner Menschwerdung überzeugt zu sein?
•    Ja - wo ist Er denn, wenn sexueller Mißbrauch
    in der Kirche einfach vertuscht wird?
•    Ja - wo ist Er denn, wenn der Glaube an Ihn zu schwach ist,
    Entwicklungen der Zeit konstruktiv aufzugreifen?

Aschermittwoch und Fastenzeit -
davon müßten also Impulse ausgehen
für ein persönliche Reflexion und Erneuerung des Glaubens,
für eine solche Reflexion und Erneuerung
auch in der Kirche und ihren Institutionen,
und zugleich für ein glaubwürdiges und einladendes Bild
von Glaube und Kirche in der Öffentlichkeit.

Und bei all dem als Einzelne und als Gemeinschaft
Zeugnis geben von der Freude, die in uns ist.

Amen.