Predigt zum Fest Christi Himmelfahrt
am 25. Mai 2006
1. Lesung: Apg. 1, 1-11
2. Lesung: Eph. 1, 17-23
Ev.: Mt. 28, 16-20
Autor: P. Heribert Graab S.J.
Jemand hat einmal mit sarkastischem Unterton
den Himmelfahrtstag als die Präsentation
des kirchlichen Raumfahrtprogramms bezeichnet.
Das mag geistreich klingen,
offenbart jedoch geistlose Dummheit.

Sie kennen selbstverständlich den Unterschied
zwischen „Sky" und „Heaven"
und wissen:
Am Himmelfahrtstag feiern Christen,
daß der auferstandene Christus
ganz und gar hineingenommen ist in den „Göttlichen Bereich".
Er ist sozusagen eingetaucht in das Meer der göttlichen Liebe.
In der Himmelfahrt kommt Jesus endgültig dort an,
wohin Er sich ein ganzes Leben lang unwiderstehlich hingezogen fühlte:
Bei „Seinem Vater", bei Gott.

Wie so oft können wir aufgrund eigener Erfahrung
wenigstens annähernd erahnen, worum es dabei geht:
Auch wir sind manchmal im Herzen
so sehr mit lieben Menschen verbunden,
daß wir uns unwiderstehlich zu ihnen hingezogen fühlen.
Bei solchen Menschen „ankommen",
von ihnen angenommen werden -
das bedeutet uns - wenigstens für Augenblicke -
im „Himmel" angekommen zu sein.

Kein Wunder!
Erfahren wir doch in solchen Momenten die Macht der Liebe,
die allein den „Himmel" erschließt.
Diese menschliche Liebe ist schließlich ein Funke jener göttlichen Liebe,
die Jesus so unwiderstehlich anzieht.
Offenkundig strahlt Gottes Liebe einen betörenden Charme aus.
Offenkundig ist sie von einem so wohltuenden Fluidum umgeben,
daß es unmöglich ist, dieser Kraft zu widerstehen.

Diese überwältigende und anziehende Kraft der Liebe Gottes
feiern wir voller Freude mit diesem Fest Christi Himmelfahrt.

Anders ausgedrückt:
Wir feiern heute noch einmal Ostern!
Die Feier des Osterfestes ist einer
Ellipse mit zwei Brennpunkten vergleichbar:
Der erste Brennpunkt stellt uns
die Kraft der Göttlichen Liebe vor Augen,
die Jesus - als ersten Seiner Schwestern und Brüder! -
mit Macht herauszieht aus den Fängen des Todes.
Der zweite Brennpunkt zeigt uns eben diese Liebeskraft,
insofern sie Jesus - und letztlich auch uns! - in das erfüllte Leben
in der Gemeinschaft mit Gott selbst hineinzieht.

Nun aber möchte ich Ihren Blick noch
auf den Engel unserer Himmelfahrtsszene lenken.
Er verkündet uns wie den Jüngerinnen und Jüngern Jesu:
„Schaut nicht hinauf!
Der Herr ist hier bei uns."
Er erinnert uns damit noch einmal
an den Unterschied zwischen „Sky" und „Heaven".
„Heaven" - das heißt. „Göttlicher Bereich" -
ist überall dort, wo wir Ihm begegnen
und Ihn mit den Augen unseres Herzens entdecken -
mitten in unserem Alltag.

Diese Erfahrung von „Himmel" ist auf ganz unterschiedliche Weise
hier schon möglich:

     „Der Herr ist hier bei uns" -
    •    wenn „Zwei oder drei in Seinem Namen versammelt sind";
    •    vor allem also wenn wir (wie in diesem Augenblick)
        miteinander Gottesdienst feiern;
    •    wenn wir auf Sein Wort hinhören - und das mit dem Herzen;
    •    wenn wir mit Ihm Mahl halten und „Kommunion" (!) feiern.

     „Der Herr ist hier bei uns" -
    •    wenn wir uns ganz persönlich betend und meditierend
        auf Ihnen einlassen;
    •    wenn wir uns in die Lesung der Heiligen Schrift vertiefen.

     „Der Herr ist hier bei uns" -
    •    wenn wir Ihn entdecken in dem Gesicht eines Menschen,
        zumal im Gesicht eines jeden, der in Not ist.
        Erinnern Sie sich:
        „Was Ihr dem Geringsten..."
    •    wenn wir uns für Seine Gerechtigkeit einsetzen -
        ganz „privat" in einer konkreten Situation,
        oder auch „politisch" in dieser Gesellschaft;
    •    wenn wir Seine Liebe weiterschenken;
    •    wenn wir trösten, ermutigen und heilen;
    •    wenn wir jemandem Zukunft eröffnen, Sinn erschließen,
        Hoffnung aufkeimen lassen;
    •    wenn wir Seine frohmachende Botschaft weitersagen
        und sie selbst glaubwürdig leben.

In all diesen Situationen begegnen wir Ihm.
In all diesen Situationen können wir und andere
jetzt schon die beglückende Erfahrung von „Himmel" machen.

Amen.