Predigt am 3. Ostersonntag (A)
10 April 2005
Evangelium: Joh. 20, 1 - 14;
Autor: P. Heribert Graab S.J.
Er war schon bewegend:
Der Abschied von Papst Johannes Paul II. in dieser Woche.
Es wurde immer wieder gefragt,
und viele von uns haben sich gefragt:
Was war eigentlich das Geheimnis
seines faszinierenden Charismas?
Es hat viele Antworten geben auf diese Frage.
Die überzeugendste Antwort aber lautet:
Sein Geheimnis war eine geradezu intime Verbundenheit mit Jesus Christus.

Dann aber lautet die nächste Frage:
Wie können wir selbst eine ganz persönliche
und freundschaftliche Beziehung
zum auferstandenen Christus gewinnen?
Auf diese Frage gibt uns vielleicht das Evangelium
dieses dritten Ostersonntags eine Antwort.

Dieses Evangelium schildert auf eine sehr einfühlsame
und nachvollziehbare Weise
die psychologische Situation der Jünger Jesu nach dem Karfreitag.
Ja - nach dem Karfreitag!
Und das, obwohl Ostern schon einige Zeit zurückliegt -
heißt es doch ausdrücklich:
Es sei schon das dritte Mal gewesen,
daß Jesus sich seinen Jüngern offenbarte,
seit er von den Toten auferstanden war.

Geschildert wird jedoch die Verfassung von Menschen,
die zutiefst niedergeschlagen sind.
Nach einer ersten Phase der Lähmung
- hinter verschlossenen Türen -
haben sie die Zeit ihres Lebens mit Jesus abgehakt.
Sie haben „re-signiert".
Resignation - das bedeutet wörtlich: Die Unterschrift zurückziehen.
Sie hatten sich einmal ganz und gar
diesem Jesus von Nazareth verschrieben.
Sie hatten all ihre Hoffnungen auf Ihn gesetzt.
Und jetzt sind diese großen Erwartungen enttäuscht.
Sie ziehen „ihre Unterschrift" - mehr noch:
sie ziehen sich selbst zurück.

„Ich gehe fischen", sagt Petrus.
„Wir kommen mit", schließen sich die anderen an.
Zurück in die Vergangenheit!
Zurück in den Alltag jener Zeit,
da sie diesen Jesus noch nicht kannten!
Nicht mehr dran denken:
diesen Menschen vergessen,
die Zeit mit Ihm und alles, was sie ihnen bedeutete,
all die Erfahrungen und zumal
die Erfahrung der Beziehung zu Ihm vergessen!

Die Schilderung des Evangeliums ist beeindruckend:
Von der Nacht ist die Rede.
Gewiß - die beste Zeit für den Fischfang.
Vor allem aber ein Bild für die „Nacht"
in den Herzen dieser Menschen.

Und dann noch:
„In dieser Nacht fingen sie nichts!"
Leere Netze!
Aber eben vor allem: Innere Leere, Enttäuschung, Ausgebranntsein.

Und schließlich dieser Fremde am Ufer.
Die erste Reaktion: Ein knappes, frostiges Nein.
Das klingt fast so wie:
Der hat uns gerade noch gefehlt.
Und diese Reaktion ist durchaus nachvollziehbar.

Überraschend dagegen die zweite Reaktion:
Sie tun, was dieser Fremde sagt
und werfen die Netze ein weiteres Mal aus.
Hoffnung wider alle Hoffnung?
Oder der Einfluß einer charismatischen Persönlichkeit am Ufer,
dem sie sich nicht entziehen können?
Vielleicht auch im Unterbewußtsein
schon ein Erkennen dessen, der da diesen Auftrag erteilt?
Wer weiß das schon?

Jedenfalls - das Netz füllt sich über die Maßen.
Und diese Fülle ist es,
die zunächst im Lieblingsjünger Johannes
die Ahnung weckt: „Es ist der Herr!"

Diese Szene verknüpft sich bei mir in diesen Tagen
mit dem, was wir rund um Sterben und Begräbnis
von Johannes Paul II. erlebt haben:

Wir wissen doch, daß - jedenfalls bei uns -
die meisten Jugendlichen mit Kirche nicht viel am Hut haben.
Sie sind enttäuscht von der Kirche.
Anderes ist ihnen wichtiger.
Der Alltag einer säkularisierten
und vielfach auch kirchenfeindlichen Umwelt
hält sie gefangen.
Aber dieser Mensch in Rom ruft sie und sie kommen.
Sie tun gewiß nicht in allem, was er sagt;
aber sie kommen in Scharen.

Auch da die Wirkung einer charismatischen Persönlichkeit?
Oder vielleicht doch etwas von der Ahnung des Johannes:
•    Die Ahnung von etwas Größerem,
•    die Ahnung von möglicher Orientierung
in einem weitgehend orientierungslosen Alltag,
•    die Ahnung vom wahren Leben,
das dieser Alltag eben nicht vermittelt?

Jemand, der in unmittelbarer Nähe des Vatikan wohnt
und die letzten Wochen das Geschehen sehr intensiv miterlebte,
war vor allem beeindruckt vom Auferstehungsglauben der Jugendlichen:
„Sie waren die ersten, die ihren Schmerz in Hoffnung
zu verwandeln vermochten, indem sie Auferstehungslieder sangen.
Immer wieder hörte man Halleluja-Rufe."

Aber schauen wir weiter auf das Evangelium:
Die Jünger stürzen ans Ufer -
jetzt kann‘s ihnen garnicht schnell genug gehen.
Und am Ufer finden sie
- so widersprüchlich und unwahrscheinlich das klingen mag -
eine wärmendes Feuer - nach der Kälte der Nacht,
und auf dem Feuer Fisch und Brot - für ihre leeren Mägen.
Nein - mehr noch: für ihre leeren Herzen.

Selbstverständlich haben „Fisch und Brot"
für den Autor dieses letzten (und späten) Johannes-Kapitels
schon eine tiefere, symbolische Bedeutung:
Der Fisch (ICHTYS) steht für
Iesous Cristos - Qeou Uos - Swter =
Jesus Christus - Gottes Sohn - Erlöser.
Und beides zusammen - Fisch und Brot -
sind für ihn bereits eucharistische Symbole.

Der Text sagt also:
„Fisch und Brot" - der auferstandene Christus -
Sein Geschenk der Eucharistie -
das ist die Antwort auf unsere Leere,
auf unsere Resignation, auf unsere Orientierungslosigkeit,
auf unseren Hunger nach einer Speise,
die wirklich satt macht und erfülltes Leben schenkt.

Und die Wärme, die von Ihm ausgeht,
Seine Liebe, Seine Freundschaft -
das ist die Antwort auf die Kälte unserer Zeit,
auf unser Verlassensein, auf unsere Einsamkeit,
auf dieses immer wieder dominierende und frustierende
„Jeder für sich!"

Johannes war der Jüngste unter den Jüngern Jesu.
Er war sensibel genug, als erster zu ahnen,
was die Begegnung am frühen Morgen bedeutete.
Vielleicht sind ja auch heute - so überraschend es klingen mag -
junge Menschen am ehesten sensibel genug,
um herauszuspüren, welch beglückende Botschaft
sich letztendlich hinter der glaubwürdigen Gestalt
dieses Johannes Paul II. verbirgt.

Noch ein Letztes:
Es heißt „Sie waren nicht weit vom Land entfernt,
nur etwa zweihundert Ellen" -
auf Deutsch: Keine hundert Meter!
Enttäuschung und neuer Lebensmut,
Niedergang und hoffnungsfroher Aufbruch,
Zweifel und frohmachender Glaube,
Tod und österliches Leben,
Diesseits und Jenseits,
Zeit und Ewigkeit
liegen keineswegs unvorstellbar weit auseinander -
manchmal vielleicht nur „einen Hauch".

Auch davon kann uns vor allem das Sterben unseres Papstes
ein Ahnung vermitteln.
Lassen wir uns von Ostern her beschenken
mit einem neuen Glauben,
mit vertrauensvoller Hoffnung
und mit einer Wärme ausstrahlenden Liebe.

Amen.