Predigt zum Aschermittwoch 2003
P.Heribert Graab S.J.
Palmzweige des vergangenen Jahres:
Erinnern an die Hosanna-Rufe beim Einzug in Jerusalem.
Der Jubel dauerte nicht lange. Es folgte das "Kreuzige ihn".

Bei der Papstkrönung früherer Zeiten 
wurde vor den Augen des neuen Papstes 
Werg (Abfall) verbrannt: "Sic transit gloria mundi!"

Die Asche des Aschermittwochs
aus verbrannten Hosanna-Zweigen sagt uns:
"Gedenke Mensch, daß du Staub bist 
und zum Staub zurückkehrst."

Sie stellt uns also vor die Frage:
Was ist wesentlich in meinem Leben?
Und das ist der Sinn der Fastenzeit: 
Rückbesinnung auf das Wesentliche.
Umkehr zum Wesentlichen.
"Mensch, werde wesentlich!"

Die Worte zur Aschenausteilung lauten heute iun der Regel:
"Bekehre dich und glaube an das Evangelium!"
Also genau das: Besinne dich auf das Wesentliche!
Kehre um zum Wesentlichen!
Was aber wesentlich ist, sagt dir das Evangelium.

Sich auf das Wesentliche besinnen - 
das ist dringend erforderlich in einer Zeit, in der es mehr als jemals zuvor um die "Show" geht - 
nicht nur im Fernsehen und im Showgeschäft:
• Schon Kinder und Jugendliche "ziehen eine Show ab".
• Nicht wenige Menschen stellen ihren Wohlstand zur Show.
• Jede Karriere hat ihre Showeffekte.
• Immer wieder können wir beobachten, 
wie sehr der Sport zur Show verkommen ist.
• Wahl Veranstaltungen - häufig sind sie eher Showveranstaltungen 
(nicht nur in den USA).
• Selbst dort, wo es in der Politik gerade jetzt um Krieg und Frieden geht,
also um Leben oder Tod unzähliger Menschen,
können und wollen offenkundig viele Politiker
- und auch Mitläufer -
nicht auf Showeffekte verzichten

Die Showseite des Lebens hat oft größeres Gewicht 
als das, was dahinter steckt:
Mehr Schein als Sein.

Wenn Sie sich also das Aschenkreuz auf die Stirn zeichnen lassen, 
dann nehmen Sie bitte vor allem diese Frage mit nach Hause 
und mit in die vor uns liegenden Wochen der Fastenzeit:
Was ist wesentlich in meinem Leben?
Welche Rolle spielt in meiner Art zu leben und mich zu geben, 
die Show, der Schein?
Und laßt uns miteinander umkehren zu dem,
was unser Leben, unsere Zukunft eigentlich ausmacht!

Die Lesungen dieses Aschermittwoch
geben uns einige bewährte Hilfsmittel mit auf dem Weg
für die Umkehr zum Wesentlichen:

Von Fasten / Verzicht ist da die Rede:
Einmal eine Zeit lang auf gar zu selbstverständlich Gewordenes verzichten -
das kann zum Nachdenken anregen
über das, was Wesentlich ist,
und über das, was überflüssiger Ballast ist;
aber auch über Fragen der Gerechtigkeit:
Warum verfügen wir eigentlich über solchen Überfluß,
während es anderen am Lebensnotwendigen gebricht?

Daher auch das Stichwort „Gerechtigkeit" im Evangelium:
Dazu noch einmal das Wort Pauls VI:
„Gerechtigkeit ist der neue Name für Frieden!"
Und dies Wort gilt keineswegs nur für die große Politik;
es hat ebenso Geltung für einen innergesellschaftlichen Frieden
und sogar für den Frieden in unseren Familien,
in der Nachbarschaft und am Arbeitsplatz.

Das alte und scheinbar so unmoderne Wort „Almosen"
gehört in diesen Kontext.
Es geht dabei nicht um ein paar Brosamen,
die Reiche gnädig von ihrem Tisch fallen lassen.
Es geht vielmehr um einen zwar freiwilligen,
aber durchaus einschneidenden Verzicht
zugunsten von mehr Gerechtigkeit.

An die Wurzel allen Übels reicht das Stichwort
„Umkehr zu Gott".
Sinngemäßt hat Heinrich Böll einmal gesagt:
„Die schlechteste aller Welten mit Gott
ist mir lieber als jedwede gottlose Gesellschaft."
Es lohnt sich darüber nachzudenken,
ob und inwieweit Glaubensschwund und Gottlosigkeit
etwas zu tun haben mit zunehmender Kälte und Unmenschlichkeit.
Nicht nur in der jüngeren Geschichte
dürften sich dafür Beispiele genug finden lassen.

Dementsprechend das nächste biblische Stichwort: „Gebet".
Im Gebet kehren wir um zu Gott.
Und da nicht nur Gottesliebe und Nächstenliebe
eine unlösbare Einheit bilden,
sondern ebenso Abkehr von Gott und Abkehr vom Menschen,
bedeutet Gebet - rechtverstanden - immer auch
eine Hinwendung zum Menschen.

Gleiches gilt schließlich für die „Versöhnung mit Gott":
Auch die bedeutet zugleich Versöhnung von Menschen untereinander.
Denken Sie an die zentrale Vater-unser-Bitte:
„Vergib uns unsere Schuld -
wie auch wir einander vergeben."

Verzicht - Bemühen um Gerechtigkeit - Almosen -
Umkehr zu Gott - Gebet - Versöhnung...
und all das ohne Showeffekte,
also nicht damit die Menschen es sehen,
nicht um der eigenen Ehre willen,
auch nicht um des eigenen Selbstbewußtseins
oder um einer größeren Frömmigkeit willen.

Es geht einzig und allein darum,
daß Gottes Vorstellungen von einer guten und
menschenfreundlichen Welt sich durchsetzen können:
„Dein Wille geschehe!"

Wenn wir diese Fastenzeit also wirklich ernst nehmen,
dann verändern nicht nur wir selbst uns,
vielmehr beginnt dann jetzt schon Gottes neue Welt:
„Dein Reich komme!"

Amen.