Predigt zum 4. Ostersonntag am 21. April 2002
Predigt in Form eines offenen Briefes an Petrus zur Lesung aus dem ersten Petrusbrief (2, 18 - 25)
Autor: P.Ludger Hillebrand S.J.
Lieber Petrus,

ich bin sauer und ich möchte Dir widersprechen ! 

Du sagst : Ihr Sklaven, ordnet euch in aller Ehrfurcht euren Herren unter, nicht nur den guten und freundlichen, sondern auch den launenhaften. 

Ich vermute, daß du den Ball flach halten wolltest in der gefährlichen Zeit, als die Kirche von den Römern verfolgt und von den jüdischen Brüdern unter Druck gesetzt wurde. Du wolltest wohl nicht noch mehr Ärger haben, als eh schon da war. 

Doch Deine Worte können sehr in die Irre führen und das finde ich schlimm : Ich möchte Dir von einigen Auswirkungen erzählen, die Deine Worte anrichten können: 

Wenn ihr aber recht handelt und trotzdem Leiden erduldet, das ist eine Gnade in den Augen Gottes. Dazu seid ihr berufen worden; denn auch Christus hat für euch gelitten und euch ein Beispiel gegeben, damit ihr seinen Spuren folgt.

Ø Ängstliche Leute ziehen den Kopf ein und wagen es nicht gegen das Unrecht zu protestieren. Im Namen Jesu werden sie noch stummer, als sie es eh schon sind. Jesus kam nicht ans Kreuz, weil er nichts gesagt hatte, sondern weil er gegenüber dem Unrecht den Mund zu weit aufgerissen hat. 
Ø Des weiteren finde ich Deine Worte nicht sehr einfühlsam gegenüber den Leidenden: Erinnerst Du Dich noch daran, wie du selbst Angst vor dem Leiden hattest ? 
Ø Nachdem Dich Jesus mit der Kirchenleitung beauftragt hatte, sagte er Satan zu Dir, weil Du nicht wolltest, daß er Böses erleidet. Du selbst hast Angst vor dem Leiden gehabt. (Mt 16,23) Du hast Jesus verleugnet und hattest weniger Mut als die Frauen am Kreuz. 

"Denn es ist eine Gnade, wenn jemand ... Kränkungen erträgt und zu Unrecht leidet."
 

Einer unserer deutschen Philosophen (Nietsche) hat dem Christentum "Sklavenmentalität" vorgeworfen. Teile deines Briefes haben wohl zu diesem Urteil geführt. 
 

Ø Ich denke, daß es eine Fehlentwicklung ist, wenn Christen zum UNRECHT das in der Welt ist schweigen. Ich denke, daß es verkehrt ist, wenn man zum Unrecht, das man selbst erlebt schweigt. "Wer sich nicht wehrt, lebt verkehrt."

"Er wurde geschmäht, schmähte aber nicht; er litt, drohte aber nicht." 

Ø Das ist nicht die ganze Wahrheit : Beim Prozeß des Pilatus wurde Jesus erst ganz spät still. Vorher fragte er den Soldaten : Warum schlägt du mich. Vorher unterhielt er sich selbstbewußt mit Pilatus. 

Ø Sein Leben war ein Protest : er selbst hat protestiert, anderen den Spiegel vorgehalten, die Pharisäer beschimpft, die Aroganz gebrandmarkt und mit seinen Samaritergeschichten provoziert. 

Ø Meine Lebensgemeinschaft, der Jesuitenorden und andere haben entdeckt daß es den Glauben nicht ohne die Förderung der Gerechtigkeit gibt. Einer deiner Nachfolger, unser Papst Johannes Paul II, protestiert regelmäßig gegen die schreiende Ungerechtigkeit
Ø Gegen die tödliche Konsumorientierung der westlichen Welt
Ø Gegen die Ermordung unschuldiger Kinder
Ø Gegen den Irrsinn des Krieges in Israel und Palästina
Ø Gegen die Tyrannei der Diktatoren in vielen Ländern
 
 

Vielleicht sind wir heute, da ein Drittel der Menschheit christlich ist, in einer besseren Lage als Du mit den paar Christen. Ihr wart in der Minderheitensituation und Ausgegrenzte, wir sind dagegen sehr sehr viele in der ganzen Welt.
 

Lieber Petrus, ich bin froh, daß unser Papst so deutliche Worte gegen die Aroganz des Westens findet und ich finde es beispielhaft, daß er gegen Krieg, Unrrecht und Hunger protestiert. 
Ich bin froh in einem Orden zu leben, der es versucht, den Armen und Unterdrückten beizustehen:
Ø In Deutschland arbeiten einige Jesuiten in der Flüchtlingshilfe,
Ø Andere verstecken Verfolgte 
Ø Wieder andere versuchen, durch wissenschaftliche Untersuchungen der Fluchtursachen Politiker zu bewegen. Sie sollen wissen, was die Fluchtbewegungen auslöst und wie erbärmlich schlecht es vielen in Deutschand geht. 
 

Lieber Petrus, ich möchte Dir gegenüber nicht ungerecht sein und von Dir lernen, auch wenn Deine Worte mir quer im Hals liegen : 

Ø Ich kann mir auch vorstellen, daß Deine Worte wahr sind: 
Es ist gut, daß Du vom Leid und von Ohnmacht redest, da diese Lebenssituationen in meiner Welt und auch bei mir verdrängt werden.
Ø Es gibt Situationen, die für eine Zeitlang einfach zu ertragen sind 
-- im Studium macht das Lernen nicht immer gerade Spaß
-- in all unseren Beziehungen gibt es nerviges und Tiefpunkte. Dauerndes Glück zu erwarten ist auf dieser unserer Erde wohl irreal. Es gibt irre viele glückliche Momente und Stunden und Tage, aber auch immer wieder Leid und Mißverständnisse, Krankheit und Tod. 
-- manche Krankheit braucht viel Zeit zur Heilung
-- manche Krankheit ist bis heute nicht heilbar. 

Durch seine Wunden seid ihr geheilt.

In den Situationen der Ohnmacht finde ich es wohltuend, daß jemand, der verwundet wurde, beim Daniederliegenden bleibt. 
 

Lieber Petrus, unser heutiges Evangelium endet mit dem Satz : 

" ... ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben."

Gott sei Dank !
Wir haben jemand, der im Leid zu uns steht, wir haben jemand, der uns voll froh machen will. 

Gott sei Dank !

Ich hoffe, daß meine Worte Dich nicht verletzen haben und ich vertraue, daß es Dir gut geht da oben. 

Dein Ludger