Predigt zum zweiten Ostersonntag 
am 7. April 2002
Texte: Apg. 2, 42 - 47 und Joh. 20, 19 - 31; 
Autor: P.Heribert Graab S.J.
Ostern wird alles neu!
In der Osternacht das Feuer - neu.
Das Taufwasser - neu.
Das Brot - neu.
Alles wird neu -
nur beim Menschen dauert‘s etwas länger.

Die Jünger Jesu sitzen noch hinter verrammelten Türen
und kultivieren ihre Enttäuschung und Angst.
Einige haben zwar schon berichtet
von erstaunlichen Begegnungen mit dem Auferstandenen;
aber neue Perspektiven sind noch nicht im Blick.
Der Osterglaube - wenn‘s ihn denn gibt -
ist noch von vielen „Wenns" und „Abers" verdunkelt.

Über diesen „ungläubigen" Thomas 
sollten wir nicht die Nase rümpfen.
Die anderen sind auch nicht schneller auf Trab,
und wir schon gar nicht.
Bei uns laufen gar zu viele herum,
deren Glaube nur auf dem Papier steht;
andere, die „gläubig" an jedem Sonntag Gottesdienst feiern,
aber gerade die Mitte des Glaubens -
den Osterglauben aussparen;
und wieder andere, die nach Möglichkeit
mit ihrem Glauben hinter dem Berge halten:
„Bitte vielmals um Entschuldigung,
daß ich katholisch bin.
Ich mein‘s gar nicht so."

Jesus hat sogar Verständnis für diesen Thomas
und für den ganzen lahmen Haufen.
Dem Thomas zeigt er Hände, Füße und Seite;
ihnen allen hilft er schließlich an Pfingsten auf die Sprünge.
Dann allerdings schnackelt‘s!
Dann wird der Osterglaube so richtig lebendig.
Dann kommt die junge Kirche auf Fahrt.
Die Menschen merken auf einmal:
Da wird nicht nur blaß dahergeredet.
Da wird eine faszinierende Sprache gesprochen.
Da hat die Liebe Hand und Fuß.
Da stehen Menschen zueinander
und helfen sich gegenseitig.
Da gibt‘s eine Gemeinschaft,
in der man sich angenommen weiß.
Da ist eine Hoffnung lebendig,
die dem Leben einen Sinn gibt.
Und diese Hoffnung hat einen Namen:
Jesus Christus, auferstanden von den Toten,
lebendiges Du,
persönlicher Zugang zum barmherzigen Gott,
den man als Vater ansprechen darf.
Gebet bekommt da eine ganz neue Dimension,
wird etwas Selbstverständliches, Beglückendes, Anziehendes -
im wörtlichen Sinn:
Die Menschen kommen in Scharen,
um sich dieser jungen Kirche anzuschließen.
Ein faszinierender Aufbruch setzt ein:
Rund um das Mittelmeer entstehen in wenigen Jahren
blühende Gemeinden.

Und heute?
Jesus öffnete dem Thomas die Augen
für die neue, österliche Wirklichkeit.
Die Antwort des Thomas sein österliches Bekenntnis:
„Mein Herr und mein Gott!"
Bei uns läuft‘s eher umgekehrt:
In der Osternacht haben wir unser Taufbekenntnis erneuert;
aber unsere Augen sind noch „gehalten"- genauer: 
fixiert auf die scheinbar wachsende Bedeutungslosigkeit der Kirche,
auf zurückgehende statistische Zahlen,
auf die abnehmende Zahl von Priestern,
auf persönliche Enttäuschungen. 
Und so fällt es uns schwer,
das Osterereignis heute wahrzunehmen.

• Rund um die Osterkerze brennen heute am Weißen Sonntag
neun Taufkerzen für unsere Täuflinge dieser österlichen Tage.
Dahinter stehen neun ganz persönliche und hoffnungsvolle
Entscheidungen für den Glauben und für die Kirche
von Täuflingen selbst oder auch von jungen Eltern:
Ostern heute!

• Wir haben in diesen Tagen mit sehr, sehr vielen Menschen
die beeindruckenden Liturgien
von Tod und Auferstehung Jesu Christi gefeiert.
Da haben gewiß auch viele mit gefeiert,
die nicht Sonntag für Sonntag dabei sind.
Aber gerade weil heute nicht mehr selbstverständlich
der Sonntagsgottesdienst zum Leben einfach dazu gehört,
stehen auch hier ganz persönliche Entscheidungen im Hintergrund:
Ostern heute!

Wer sich ein bißchen einläßt auf das Leben der Kirche,
z.B. hier in St.Michael,
entdeckt, daß da nicht nur Bäume im Garten blühen,
daß es da vielmehr eine Menge von Gründen gibt,
voller Dankbarkeit und mit frohem Herzen
das Osterhalleluja zu singen:
Ostern heute!

• Überall, wo Menschen Frustrationen und Ängste überwinden,
die ängstlich verrammelten Türen öffnen,
in der Öffentlichkeit zu ihrem Glauben stehen
und diesem Glauben Hand und Fuß verleihen,
können wir auch heute den Auferstandenen erfahren.

• Überall, wo Menschen für Frieden und Gerechtigkeit eintreten,
wo es ihnen gelingt, in ihrem privaten Umfeld
in Frieden miteinander zu leben,
oder wo sie sich auch in Gesellschaft und Politik
nicht mit Unfrieden, Haß und Gewalt abfinden,
können wir auch heute den Auferstandenen erfahren,
der damals seinen Jüngern dreimal
Frieden / Schalom zusagte, als er in ihre Mitte trat.

• Gerade heute macht sich eine für den Frieden engagierte Gruppe
von Christen nach Israel und Palästina auf,
um Menschen, die auf beiden Seiten das Gespräch suchen,
in diesem Bemühen zu bestärken.
Dreißig wollten sich auf diesen Weg machen,
darunter zwei Göttingerinnen.
Wegen der dramatischen Situation in diesem Land,
das wir das „Heiligen Land" nennen,
können nur fünf wirklich fahren.
Dennoch: Ein wichtiges Zeichen der Solidarität.
Ostern heute!

• Überall, wo Streit begraben und Vergebung geschenkt wird,
überall, wo Versöhnung geschieht,
ist Ostern - auch heute.
Der Auferstandene hat seinen Jüngern und auch uns
den Heiligen Geist gesandt,
der die Kraft schenkt zur Versöhnung
und zu einem neuen Anfang.

Das alles und noch vieles mehr
können wir mit österlich klaren und hellen Augen sehen.

Um die unglaubliche Botschaft von der Auferstehung
glauben zu können,
brauchen wir allerdings auch die Gemeinschaft,
brauchen wir Menschen, die uns zusagen,
aus welcher Hoffnung sie leben,
wo sie Auferstehung erfahren.

Umgekehrt brauchen andere immer wieder
auch unser Glaubenszeugnis.
Um Ihr Zeugnis, um Ihre Begleitung
möchte ich Sie heute vor allem bitten: 
• für unsere Täuflinge - 
für die Erwachsenen, die bei uns getauft und in die Kirche aufgenommen werden;
• für die Eltern, die sich für die Taufe oder auch für die Erstkommunion
ihrer Kinder entscheiden;
• für die Kinder und Jugendlichen, die in unserer Mitte heranwachsen;
• für die vielen Gäste, die in unsere Kirche
und auch in unsere Gottesdienste kommen:
Viele von ihnen sind auf der Suche 
nach einem Glauben, nach einer Hoffnung, 
die ihrem Leben Halt und Orientierung geben können.

Sie alle brauchen unsere Zuwendung
und das Zeugnis unseres österlichen Glaubens.

Amen.