Predigt zum 4. Fastensonntag (C) 
am 25. März 2001
Zum Tagesevangelium vom "barmherzigen Vater" und vom "Fest der Versöhnung" (Lk. 15, 1-3 und 11-32). 
Autor: P.Heribert Graab S.J.
Mitten in der Fastenzeit die Einladung zu einem großen Fest:
Ein Fest mit BSE-freiem Mastkalb,
ein Fest mit Wein und Musik und mit Tanz.

Der Anlaß ist außergewöhnlich.
Natürlich feiern wir auch.
Und unter katholischen Christen heißt es nicht selten sogar,
man solle die Feste feiern, wie sie fallen.

Aber fragen Sie sich einmal allen Ernstes: 
Wann haben Sie zuletzt ein Fest der Versöhnung gefeiert -
wirklich ein Fest?

Auch im Festkalender der katholischen Kirche 
gibt es merkwürdigerweise kein „Fest der Versöhnung" -
ganz im Unterschied zur jüdischen Tradition,
in der das „Fest der Versöhnung" - der Jom Kippur -
als der heiligste Tag des Jahres gilt.

Erst seit einigen Jahren feiern wir in St.Michael mit unseren Kindern,
wenn sie zum ersten Mal beichten,
ein Fest der Versöhnung.

Aber im Volksmund und in unser aller Bewußtsein
ist das „Sakrament der Versöhnung"
nach wie vor die „Beichte".
„Ich muß mal wieder beichten", sagen wir
und daraus klingt keineswegs festliche Begeisterung.
Im Gegenteil - für viele von uns ist das eine solche Last,
daß sie die „Beichte" seit vielen Jahren aus ihrem Leben gestrichen haben. 

Das Wort von der „Beichte" rückt das Bekenntnis
in den Vordergrund des Bewußtseins.
Mal ganz davon abgesehen, 
daß das Eingeständnis von Schuld - schon vor uns selbst -
nicht ganz einfach ist,
hat die Kirche, haben wir Priester in der Vergangenheit
diesen Aspekt durch Moralpauken, durch indiskrete Fragen
und durch eine peinliche Kasuistik
noch unverhältnismäßig schwieriger gemacht, als er so schon ist.

Damit hat die Kirche, damit haben Generationen von Priestern
zweifelsohne schwere Schuld auf sich geladen.
Damit haben sie sich entfernt von der frohmachenden Botschaft
nicht nur des heutigen Evangeliums.
Gewiß ist es auch für den heimkehrenden Sohn wichtig,
vor dem Vater seine Schuld zu bekennen.
Aber der läßt ihn gar nicht erst ausreden,
fällt ihm vielmehr ins Wort und um den Hals
und veranlaßt sogleich das große Fest der Versöhnung,
die biblisch gesehen ganz und gar im Mittelpunkt steht.

In den vergangenen Jahren hat auch die Kirche 
den Akzent des Sakramentes verschoben,
indem sie die „Beichte" in den Hintergrund treten ließ
und nun vom „Bußsakrament" sprach.
Damit rückte sie gewiß einen Gesichtspunkt ins Bewußtsein,
der auch im Evangelium eine entscheidende Rolle spielt:
den Gesichtspunkt der „Umkehr".
Leider ist das deutsche Wort „Buße"
erheblich vorbelastet durch den weltlichen Sprachgebrauch,
der es in die Nähe von „Strafe" rückt.
Die eigentliche Bedeutung jedoch ist „Umkehr",
und Umkehr ist zweifelsohne unabdingbare Voraussetzung
für das „Fest der Versöhnung";
aber sie ist nicht der Grund des Festes! 

Der eigentliche Grund des Festes ist vielmehr 
jene „Versöhnung", die möglich wird durch das
ungeschuldete und unschätzbare Geschenk der Vergebung.

Indem Jesus dieses Gleichnis von frohmachender Vergebung
und vom großen Fest der Versöhnung erzählt,
wie Gott mit uns Menschen umgeht
und wie er selbst den Menschen begegnet
und eben auch und vor allem „den Zöllnern und Sündern".

Und Jesu Botschaft vom „barmherzigen Vater"
gilt bis auf den heutigen Tag und gilt auch einem jeden von uns!
Daher ist es ein ganz wesentlicher Entwicklungsschritt
im Glaubensverständnis der Kirche,
daß an die Stelle von „Beichte" und „Bußsakrament"
immer mehr die Rede vom „Sakrament der Versöhnung" tritt.

Wir können noch nicht so recht abschätzen,
welche praktische Konsequenzen dieses Umdenken in der Kirche
eigentlich haben müßte.
Ganz simpel gesagt müßten beim persönlichen Empfang 
des Sakraments der Versöhnung wenigstens die unmittelbar Beteiligten
nach der Zusage der Vergebung 
ein Glas Sekt oder Wein miteinander trinken.
Genau genommen aber müßten noch viele andere,
die Familie zum Beispiel oder der Freundeskreis,
besser noch die ganze Gemeinde mitfeiern können.

Vielleicht könnte die katholische Kirche wirklich einmal wieder
von der jüdischen Tradition des Jom Kippur lernen
und einmal im Jahr - vielleicht als einen Höhepunkt der Fastenzeit -
ausdrücklich ein Fest der Versöhnung feiern -
unabhängig davon, daß wir selbstverständlich in jeder Eucharistiefeier
jene Versöhnung feiern, die uns durch Jesus Christus von Gott geschenkt ist.

Abschließend sollten wir allerdings noch einen Blick werfen
auf den zweiten Sohn des Evangeliums,
der ein Leben lang getan hat, was er tun konnte,
um vor Gott und den Menschen „gerecht" zu sein.
Es wird nicht ausdrücklich erwähnt,
daß auch seine „Gerechtigkeit" ein Geschenk des Vaters ist. 
Dieser Gesichtspunkt würde wohl auch 
den Rahmen eines einzelnen Gleichnisses sprengen.

Wohl aber geht es im zweiten Teil des Gleichnisses
sehr dezidiert darum,
daß auch er zum Fest der Versöhnung geladen ist.
Und obwohl er sich gegen diese Einladung sperrt,
bzw. gerade deshalb bemüht sich der Vater um ihn ganz besonders.
Es bleibt am Ende offen, ob er sich schließlich öffnet
und innerlich befreit und unbeschwert mitfeiern kann.

Wir selbst können uns in diesem Daheimgebliebenen
möglicherweise noch eher wiedererkennen
als in dem Heimgekehrten.
So stellt das Gleichnis auch uns vor die Frage,
ob wir frohen Herzens der Einladung des Vaters folgen wollen.

Jedenfalls ist und bleibt das Sakrament der Versöhnung
- allen Irrwegen und Mißbräuchen in der Kirche zum Trotz -
ein frohmachendes Geschenk an uns alle.
Es hat seit eh und je seinen besonderen Platz in diesen Wochen vor Ostern.
Und wenn es schon in der Kirche kein besonderes „Fest der Versöhnung" gibt,
laßt uns doch das österliche Fest unserer „Erlösung"
voller Freude und miteinander als „versöhnte" Menschen feiern!

Amen.