Predigt zum Sonntag der Taufe des Herrn
am 8. Januar 2017
Lesung: Jes. 42, 5a.1-4.6-7
Evangelium: Mt. 3, 13-17
Autor: P.Heribert Graab S.J.
Seit der Liturgiereform nach dem 2. Vaticanum
endet mit diesem Sonntag der Taufe des Herrn die Weihnachtszeit.
Genau genommen verkündet jedoch ausgerechnet
das Evangelium dieses Tages den eigentlichen Kern
der weihnachtlichen Festzeit.
Denn ursprünglich ging es an Weihnachten keineswegs
um das Kind in der Krippe.
Im Mittelpunkt stand vielmehr für die frühe Christenheit
die Erscheinung des Herrn in dieser ‚verlorenen Welt‘
als deren Erlöser, als der verheißene Messias Gottes für Sein Volk
und für die Menschheit überhaupt.

Den ältesten Evangelientext für dieses Fest der Erscheinung des Herrn
haben wir soeben gehört.
Die Kernaussage lautet:
Als Jesus von Johannes im Jordan getauft worden
und aus dem Wasser gestiegen war,
„da öffnete sich der Himmel
und er sah den Geist Gottes wie eine Taube auf sich herabkommen.
Und eine Stimme aus dem Himmel sprach:
Das ist mein geliebter Sohn, an dem ich Gefallen gefunden habe.“

Offenbarung des menschgewordenen Gottes,
Erscheinung des Herrn,
Erfüllung der uralten Verheißung des Messias,
des Gesalbten Gottes, des Christus.
Jetzt ereignet sich neue Schöpfung, Heiligung der geschaffenen Welt.

Stille

In der westlichen Kirche (und zumal in Köln)
ist uns für das Fest der Erscheinung des Herrn
das Evangelium der Weisen aus dem Morgenland wesentlich vertrauter.
Auch dieses Festevangelium geht auf ganz alte Zeiten zurück.
Der Grund dafür:
Im Glauben der Kirche hat die Erscheinung des Herrn
eine ähnlich zentrale Bedeutung
wie Seine Auferstehung von den Toten.
So gibt es für das ‚weihnachtliche‘ Festgeheimnis
genau wie für das österliche Festgeheimnis
gleich mehrere biblische Texte, die die frohe Botschaft verkünden.
Erscheinung des Herrn - dies Glaubensgeheimnis
geht weit über den Glauben Israels hinaus;
es geht um die frohmachende Botschaft schlechthin
für die ganze Menschheit - ja, für den Kosmos überhaupt!
Der Stern von Bethlehem trägt die Botschaft letztlich nicht nur
zu den Weisen und Sternkundigen aller Erdteile.
Die Botschaft dieses Sterns hat vielmehr kosmische Dimension.

Stille

Es gibt in der frühen Überlieferung des Festes
der Erscheinung des Herrn noch einen dritten Evangelientext,
der seit alters her zu diesem Fest dazu gehört:
Es geht um das Evangelium von der Hochzeit zu Kana.
Bis zur Liturgiereform hatte dieser Text
in jedem Jahr seinen festen Platz
im Zusammenhang mit dem Fest der Erscheinung des Herrn –
und zwar am zweiten Sonntag nach dem Fest;
    (Fest: Drei Weise / 1. So: Taufe des Herrn / 2. So: Kana).
seit der Reform nur noch im Lesejahr C.

Der Schlüsselvers zum Verständnis dieses Zusammenhangs lautet:
„So tat Jesus sein erstes Zeichen, in Kana in Galiläa,
und offenbarte seine Herrlichkeit,
und seine Jünger glaubten an ihn.“ (Joh. 2,11).
Es liegt auf der Hand,
daß Jesus letztlich durch jedes Seiner ‚Zeichen‘
Seine Herrlichkeit offenbart.
Jedes Seiner Zeichen bedeutet also letztlich ‚Erscheinung des Herrn‘.

Stille

Das Weihnachtsevangelium selbst habe ich bisher nicht genannt
als ein Evangelium von der ‚Erscheinung des Herrn‘.
Die gesamte Kindheitsgeschichte Jesu erhielt erst relativ spät
die Bedeutung, die sie für unseren Glauben heute hat.
Andere Texte standen zu Beginn mehr im Vordergrund.
Aber selbstverständlich verkündet auch
die Botschaft der Engel auf den Hirtenfeldern Bethlehems
die ‚Erscheinung des Herrn‘ und Seines Friedensreiches:
 „Da trat der Engel des Herrn zu ihnen,
und der Glanz des Herrn umstrahlte sie.
Sie fürchteten sich sehr, der Engel aber sagte zu ihnen:
Fürchtet euch nicht, denn ich verkünde euch eine große Freude,
die dem ganzen Volk zuteil werden soll: 
Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren;
er ist der Messias, der Herr…
Und plötzlich war bei dem Engel ein großes himmlisches Heer,
das Gott lobte und sprach: 
Verherrlicht ist Gott in der Höhe,
und auf Erden ist Friede bei den Menschen seiner Gnade.“ (Lk. 2,9-14)

Aktuell in unserer Zeit erhält dieser Friedens-Aspekt
der ‚Erscheinung des Herrn‘ seit 1968 ein zusätzliches Gewicht
durch den „Weltfriedenstag“ der katholischen Kirche am 1. Januar.
In der Regel veröffentlicht der jeweilige Papst zu diesem Tag
eine eigene, aktuelle und häufig sehr eindringliche Friedensbotschaft.
Die Friedensbotschaft dieses Jahres von Papst Franziskus
steht unter dem Thema:
„Gewaltfreiheit - Stil einer Politik für den Frieden“.
Damit verknüpft sie die weihnachtliche Friedensbotschaft
nicht nur mit der ‚Erscheinung des Herrn‘
und Seines verheißenen Friedensreiches,
sondern darüber hinaus mit der Bergpredigt Jesu,
also mit dem Grundgesetz des beginnenden Gottesreiches
und mit der gedanklichen Entfaltung dessen,
was Jesus selbst mit ‚Erscheinung des Herrn‘,
also mit Gottes Präsenz in dieser Welt verbindet.

Amen.