Predigt zum Sonntag der Taufe Jesu (Epiphanie)
am 8. Januar 2012
Evangelium: Mk. 1, 7 - 11
Autor: P.Heribert Graab S.J.
Das bei uns ‘übliche’ Weihnachten ist inzwischen abgeklungen.
Da können wir nun ungestört über Weihnachten nachdenken.
Wir klagen nicht ganz zu Unrecht
über den ‘Konsumterror’ von Weihnachten.
Den hat uns indirekt Martin Luther eingebrockt,
indem er den heiligen Nikolaus als Geschenkebringer ‘absetzte’
und an seiner Stelle den ‘Herre Christ’,
das ‘Christkind’ also, einsetzte.
Allerdings: Wenn Luther heute erleben würde,
was draus geworden ist,
er würde sich mit Grausen abwenden.

Andere beklagen auch die Sentimentalität,
mit der bei uns vielfach Weihnachten gefeiert wird.
Daran sind wir selber schuld:
Wir haben die Weihnachtserzählungen des Lukasevangeliums
mit Blick auf das ‘süße Kindlein’ in der Krippe
und selbst die Armut seiner Geburt kräftig romantisiert.
Daß diese Armut bereits das Kreuz von Golgatha thematisiert,
haben wir dabei ausgeklammert.
Und das nüchtern-theologische Weihnachtsevangelium des Johannes,
das im Zentrum der Tagesmesse von Weihnachten steht,
empfinden viele von uns regelrecht als Störung
der weihnachtlichen Stimmung.

Nun feiern wir heute - wie schon vorgestern, am 6. Januar -
das theologiegeschichtlich ursprüngliche Weihnachtsfest:
Epiphanie, Erscheinung des Herrn in dieser Welt -
mitten in unserer alltäglichen Realität
und auch mitten in all dem Elend, all der Bosheit
und all der Trostlosigkeit dieser Welt.

Die Kindheitsgeschichte des Lukasevangeliums
spielt für dieses ursprüngliche Weihnachtsfest
nur eine sehr untergeordnete Rolle.

Im Zentrum steht vielmehr die Taufe Jesu:
Dieser Jesus von Nazareth reiht sich in die Schar der ‘Sünder’ ein,
die der Einladung des Johannes zur Bußtaufe im Jordan folgen.
Mit ihnen macht Jesus sich solidarisch.
Genau in diesem Moment öffnet sich über Ihm der Himmel,
und der Vater bezeugt Ihn vor der Öffentlichkeit
als Seinen geliebten Sohn, den Er in diese Welt sendet.

Die Bedeutung dieser Seite von ‘Weihnachten’ als Epiphanie
wird in der Liturgiegeschichte auch dadurch unterstrichen,
daß dieses Festgeheimnis an mehreren Tagen gefeiert wird,
und daß es mit mehreren Evangelien verknüpft ist.
Zu den Epiphanie-Evangelien gehört an zweiter Stelle
die Geschichte von den drei Weisen, die dem Stern folgen.
Die stehen für die drei damals bekannten Erdteile.
Sie bezeugen, daß Gottes Epiphanie dem ganzen Erdkreis gilt.

An dritter Stelle steht das Evangelium der Hochzeit zu Kana.
Seine Botschaft lautet:
Epiphanie ist das Geschenk der Fülle Gottes an die Menschheit.
Epiphanie ist ein Fest übergroßer Freude.

Dann folgen noch weitere Evangelien der Epiphanie -
vor allem Heilungsgeschichten.
Die machen deutlich:
In der Erscheinung des Herrn
ist uns umfassend Gottes Heil geschenkt.

All diese Evangelien bestimmten früher
die Feier der Sonntage nach Epiphanie.
Leider haben Radikalinskis unter den Liturgiereformern
all diese Sonntage gestrichen
und die weihnachtliche Festzeit erheblich gekürzt.
Dadurch bekam der 25. Dezember gegenüber dem 6. Januar
ein noch größeres Übergewicht,
als er es in der abendländischen Kirche sowieso schon hatte.

Eine Folge davon war:
Das eigentliche Weihnachtsfest,
das Fest der Epiphanie am 6. Januar,
verschwand weitgehend aus dem öffentlichen Bewußtsein.
Feiertag ist der 6. Januar nur noch
in Baden-Würtemberg, Bayern und Sachsen-Anhalt.
In mehr und mehr Bundesländern
ist ausgerechnet der 5. oder 6. Januar
der erste Schultag nach den Weihnachtsferien.
Im nächsten Jahr wird das auch in Nordrhein-Westfalen so sein
und damit auch in Köln, der Stadt der ‘Heiligen Drei Könige’.
Einen Protest aus dieser Stadt habe ich nicht gehört -
nicht einmal von Kardinal Meissner.

Über diese konkrete Säkularisation zu klagen,
ist allerdings auch wenig sinnvoll,
insofern die abendländische Kirche selbst
den Weg dafür geebnet hat.
Vielmehr könnten wir in der öffentlichen Bedeutungslosigkeit
des Festes der Epiphanie auch eine Chance sehen:
Die Chance nämlich,
ungestört von allem (so gar nicht weihnachtlichen) Rummel
die eigentliche Weihnachtsbotschaft zu bedenken und zu feiern.

Die alten Verheißungen werden Wirklichkeit:
∙    Gott selbst erscheint in unserer oft so gottlosen Welt.
∙    Sein Licht scheint auf in den Dunkelheiten unseres Lebens.
∙    Ein Mensch wird geboren - wirklich ein Mensch.
∙    Freude darf der Grundton unseres Alltags sein.
∙    Hoffnung ist uns geschenkt für unser aller Zukunft.
∙    Der Stern von Bethlehem weist auch heute
    den Weg durch scheinbar weglose Wüsten.

Die liturgische Weihnachtszeit geht mit diesem Sonntag zu Ende.
Aber Weihnachten,
die Epiphanie Gottes in dieser Welt, geht weiter.
Von ganzem Herzen wünsche ich Ihnen und uns allen
am Beginn dieses neuen Jahres:
Daß wir dafür ein Gespür entwickeln,
daß wir Gottes Gegenwart wahrnehmen -
möglichst an jedem der 366 Tage dieses Jahres,
und daß wir ganz bewußt in der neuen Zeit leben,
die damals in Bethlehem angebrochen ist
und die auch heute jeden Morgen neu beginnt.

Amen.