Predigt zum Weihnachtsfest 2010
Autor: P. Ludger Hillebrand S.J. (Ehemals Kaplan an Sant Michael in Göttingen, aktuell Haftseelsorger für Abschiebehäftlinge in Berlin)
Die Steine
    waren mit ihrer Existenz nicht mehr zufrieden.
    So kamen sie zu einer großen Versammlung zusammen.
    Irgendwann sagte einer der jüngeren:
    "Wir wäre es, wenn wir zu Menschen werden?!"
    Ein alter schaute ihn mitleidig an: "So hart können wir nicht werden!"
 
Härte erleben wir an vielen Orten in der Welt:
    -  Die Diktatur in Nordkorea läßt die eigenen Leute verhungern und fürchtet
        sich vor einem großen beleuchteten Weihnachtbaum an der 
        südkoreanischen Grenze. Der sei eine nicht hinzunehmende Provokation!
        Wie verhärtet kann jemand sein, daß er sich vor einem Weihnachtsbaum
        fürchtet?!
    -  Während deutsche Soldaten in Afghanistan getötet werden, schickt      
       Deutschland hin und wieder Flüchtlinge zurück nach
       Afghanistan. Die Begründung: dort ist ja nicht überall Krieg. 
    -  Eine Frau, Mitte 40 hört nach vielen Jahren der Ehe von ihrem Mann:
       Ich lieb Dich nicht mehr. Du bist nicht mehr so schön, wie früher.
       Er zieht mit einer jüngeren zusammen.
    -  (Immer wieder kommt es vor, daß Opfer von Menschenhandel in der
       Abschiebehaft landen. Statt Sexsklavinnen zu befreien und zu schützen, stecken
       wir diese Frauen ins Gefängnis!)
    -   (Ich denke an einen Jugendlichen, den seine Eltern in ein Heim gesteckt hatten.
        Seine intelligente Schwester lebte zuhause, er der auf dem Niveau eines
        Hauptschülers war, war für sie nicht ertragbar. Zu seinem 18. Geburtstag riefen
        sie ihn noch nicht einmal an. )

    -  .... wahrscheinlich kann jeder von uns diese
       Liste menschlicher Härte um traurige Wahrheiten ergänzen. Leider!

Und wenn ich mich selbst betrachte?
    Ich kann leider nicht sagen, daß ich immer feinfühlig und aufmerksam,
    gütig und barmherzig bin. In mir selbst gibt es hartes und kaltes,
    unerlöstes und Böses.
 
Und was macht Gott?
    Schaut er von oben zu, ohne, daß es ihn rührt, was hier abgeht?
    Läßt ihn unser Treiben kalt? Wird er zornig, oder traurig?
    Was ist sein Plan zur Rettung dieser harten kalten Welt?
 
Er wird Mensch.
    Wird zu einem Baby. Wird wehrlos. Wird ohnmächtig.
    Ein eigentümlicher Plan.
    Macht sich vollständig abhängig von zwei Nobodies:
    Der träumende Bauhandwerker und Tagelöhner Josef.
    (Er war kein Kleinunternehmer mit eigener Werkstatt, wie es manche Bilder
    sugerieren.  Als die Eltern Jesu ein Opfer zum Tempel brachten, um Gott für den
    Erstgeborenen zu danken, brachten sie  zwei Tauben, und nicht ein Schaf, wie es
    sich für einen ordentlichen Juden geziemt. Ein Armeleuteopfer!!)
    Die junge Frau Maria, von der kein Mensch zuvor irgendetwas besonderes
    gehört hat. Und dann das uneheliche Kind!

    Gott sei Dank stellt Josef sie nicht bloß und agiert als der Vater des Kindes!

    Gott entwaffnet nicht die römische Besatzungsmacht.
    Er streckt die Bevölkerung von Bethlehem, die für seinen kleinen Sohn keine
    Herberge hatten, nicht mit Pech uns Schwefel nieder.
    Er kippt nicht das ägyptische System der Sklaverei,
    die Tausenden das Leben kostet.

Er wird Mensch.
    Wird Mensch am Rande der Welt,
    in der Dunkelheit von den meisten unbemerkt.
    Und gleich am Anfang hat er es schwer:
    „In der Herberge war kein Platz für sie.“ Ein Armeleutekind.
    Kein Geld für ein Hotel, aber schwanger! Na super!
    „Er kam in sein Eigentum, aber die seinen nahmen ihn nicht auf.“

    Ist es ein guter Plan „zu einem Armeleutekind zu werden“
    angesichts unserer menschlicher Härten?
   
    Bringts das, daß Gott das Schicksal von unerwünschten Flüchtlingen und
   Tagelöhnern teilt? Was bringt uns das göttliche Handeln?

Die Bibel macht deutlich, wo Gott steht:
Was ihr dem geringsten meiner Brüder getan habt, das habt ihr mir getan!
    Besuche ich einen Kranken, besuche ich Gott.
    Helfe ich einem Hungrigen, helfe ich Gott.

Er lenkt unseren Blick auf die kleinen Anfänge,
wo sich Heil und Heilung ereignen.

    Er kommt als Kind, um unsere Hartherzigkeit zu überwinden. Wir müssen uns
    nicht fürchten, nichts gewaltiges tun, einfach nur ein wenig zärtlich und aufmerksam
    sein. Und 24 Stunden präsent sein, damit dem kleinen Gott nichts passiert und er
    nicht im Dreck liegt und genug Nahrung hat.

Er lenkt unseren Blick auf die kleinen Anfänge,
wo sich Heil und Heilung ereignen.

•    In diesem Jahr wurden von Deutschland 2500 Iraker aufgenommen, die vorher in Lagern Syriens und Jordaniens hausten. 2500 Iraker angesichts von Millionen von Geflüchteten? Das ist doch nichts! So denke ich zornig. Aber vielleicht ist das ein Anfang, 2500 Menschen sind mehr als nichts. Ein kleiner Ansatz von Barmherzigkeit! Gott hat auch ganz klein angefangen.  (Iraker in St. Canisius)

•    In diesem Advent machten in unserer Gemeinde 12 Menschen bei den Exerzitien im Alltag mit. Die Gemeinde hat über 4000 Mitglieder! Prozentual ist das also nichts! Und auch war ist: Diese 12 haben Gott gesucht und wunderbares gefunden. Ein Neuanfang für sie,  sie nahmen sich Zeit zur Betrachtung der Bibel. Die Bibel nahm Fleisch an durch sie. Und wie komme ich dazu zu sagen, daß das nichts ist! Ein Haus weiter, im Forum liefen auch Exerzitien, und andere gingen zu Besinnungszeiten im Advent und andere übten für die Musik in Gottesdiensten.
    Mengenweise kleine Anfänge, wo Menschen sich für Gott öffnen, und wo Gott     in ihnen, durch sie Fleisch annimmt.

Was nützt es mir, wenn Jesus geboren wird aus der Heiligen Jungfrau Maria, aber nicht in meinem Innern?  (Origines +253)
    Diese Wahrheit kann man bei vielen Gestalten der Kirchengeschichte hören: 
Was nützt es, wenn Jesus vor 2000 Jahren geboren wurde, aber nicht in mir?

•    Wahrscheinlich steht Jesus nicht im Zentrum der meisten Menschen.
Auch bei Christen nicht. Streben wir doch neben der Nachfolge Jesu noch nach Anerkennung durch unsere Umgebung, nach Sicherheit, nach Geld, nach noch einem schönen Weihnachtessen, Gemütlichkeit, Urlaub und …. Vieles nimmt bei uns mehr Raum ein, als die Sehnsucht nach Gott.

•    Und dennoch kommt er zur Welt, kommt in unser Herz.
Er läßt sich nicht abschrecken durch: Ich habe jetzt keine Zeit, ich habe leider keinen rechten Platz für Dich. Er kam am Rande der Welt zur Welt und kommt in den Ecken unserer Herzen und unseres Verstandes zur Welt. Und jeder, der ein Leuchten in dem Dunkel der eigenen Seele sieht und dem Leuchten folgt, wird mit der Fülle des Heiles beschenkt. So ist das.

Gott fängt klein an, läßt sich nicht entmutigen durch die harte menschliche     Realität. Sein kleines Licht unter uns entzündet weitere kleine Lichter.

•    Vor 21 Jahren versammelten sich Christen in den Kirchen der DDR. Anfangs zaghaft, ängstlich, besorgt. Sie ließen sich durch Gottes Botschaft entzünden und gingen dann auf die Straßen.  Das System der kommunistischen Parteidiktatur konnte die vielen kleinen Lichter nicht mehr löschen.

Immer, wenn sich Menschen aufmachen, Gottes Liebe und Gerechtigkeit zu suchen, wirken sie ansteckend. Kommt Licht ins Dunkel. Gott sei Dank! 

Gott sei Dank, macht uns Gott Mut durch all die vielen kleinen Anfänge von  Barmherzigkeit und Liebe.

Gott sei Dank ist sein Wesen nicht Härte, sondern Barmherzigkeit,
wie es bei 114 Suren/ Kapiteln im Koran 114 mal betont wird.
    „Im Namen Allahs, des Erbarmers, des Barmherzigen.“

Gott sei Dank gibt er sich in unsere Hand,
und wächst mitten unter uns.
 
Ich wünsche Ihnen alles Gute, daß der Heiland heilt! 

Und ich wünsche Ihnen die Klarheit des Geistes,
    um die kleinen Anfänge Gottes zu entdecken:
    unter uns, durch uns, mit uns, in uns. AMEN