Predigt zum dritten Adventsonntag
am 12. Dezember 2010
Lesungen: Jes. 35, 1 - 6b.10 und Jak. 5, 7 - 10
Evangelium: Mt. 11, 2 - 11
Autor: P.Heribert Graab S.J.


Depression gilt heute fast schon als Volkskrankheit.
Soweit es sich wirklich um eine Krankheit handelt,
geht es häufig um eine sehr schwerwiegende Erkrankung,
die nicht selten zum Tode führt.
Darüber kann und will ich nicht sprechen.

Wohl aber legt es dieser dritte Advent nahe,
über jene Niedergeschlagenheit nachzudenken,
die uns alle immer mal wieder befällt:
•    Der erhoffte Erfolg bleibt aus - wir sind frustriert.
•    Ein Mensch, der uns sehr wichtig ist, läßt uns links liegen -
    Enttäuschung macht sich breit.
•    Wir blicken auf die Fülle von Erwartungen und Verpflichtungen -
    und lassen uns von deren Last niederdrücken.
•    Wir erkennen hier und da, wie weit wir noch entfernt sind
    von unseren eigenen Idealen -
    voller Trauer schauen wir auf den,
    der wir eigentlich sein möchten,
    der wir jedoch längst nicht sind.

Jesaja ermuntert uns heute:
“Macht die erschlafften Hände wieder stark
und die wankenden Knie wieder fest!
Sagt den Verzagten: Habt Mut, fürchtet euch nicht!
Seht, hier ist euer Gott!”

Schon im Eingangsvers der heutigen Liturgie heißt es:
“Freut euch im Herrn zu jeder Zeit!
Noch einmal sage ich: Freut euch!
Denn der Herr ist nahe.” (Phil. 4, 4.5)

Das Evangelium berichtet von Johannes dem Täufer:
Den hatte Herodes ins Gefängnis werfen lassen.
Seine Niedergeschlagenheit läßt sich leicht nachempfinden:
•    War seine Sendung gescheitert?
•    Seine Predigt ins Leere gelaufen?
•    All seine Hoffnung vergeblich?
In seiner Not schickt Johannes seine Jünger zu Jesus.
Und der trägt ihnen die tröstende Botschaft auf:
“Geht und berichtet Johannes, was ihr hört und seht:
Blinde sehen wieder, und Lahme gehen;
Aussätzige werden rein, und Taube hören;
Tote stehen auf, und den Armen wird das Evangelium verkündet.”

Gegen Ende des öffentlichen Wirkens Jesu
sind schon die dunklen Wolken des Karfreitags
nicht mehr zu übersehen.
Da hat Jesus Grund, Seine eigenen Jünger ermutigen.
Denn unter ihnen macht sich eine endzeitliche Stimmung breit.
So spricht Jesus ihnen zu:
“Richtet euch auf, und erhebt eure Häupter!
Denn eure Erlösung naht.” (Lk. 21, 28)

Nahezu alle Texte dieses Sonntags
- die markantesten habe ich gerade genannt -
ermutigen uns, auch in schwierigen Situationen
den Kopf nicht hängen zu lassen.
Die Peanuts-Karikatur,
die ich in einem etwas anderen Adventskalender gefunden habe,
geht sogar davon aus,
daß wir uns sofort besser fühlen,
wenn wir aufrecht und mit erhobenem Kopf dastehen.

Genau dazu möchte uns der dritte Advent animieren.
Und dieser dritte Advent sagt uns auch,
warum wir allen Grund haben,
frohen Herzens und erhobenen Hauptes
die Tage und Wochen auch unserer Zeit anzugehen:

Hören Sie nochmal hin:
•    Freut euch! Denn der Herr ist nahe.
•    Unser Herz darf sich bereiten für das Geschenk der Erlösung.
•    Seht, hier ist euer Gott!...
    Er selbst wird kommen und euch erretten.
•    Macht euer Herz stark,
    denn die Ankunft des Herrn steht nahe bevor.
•    Der Herr wird kommen,
    den Armen die Frohe Botschaft zu bringen.
•    Allüberall können wir Zeichen
    des schon anbrechenden Himmelreiches entdecken:
    Blinde sehen wieder, und Lahme gehen;
    Aussätzige werden rein, und Taube hören;
    Tote stehen auf, und den Armen wird das Evangelium verkündet.

Entscheidend ist, daß wir all unsere Sinne öffnen,
um die “Wunder” des Himmelreiches
in uns und um uns zu entdecken.
Es gibt sie in Hülle und Fülle:
•    Manch eine Genesung wider alle Hoffnung
    ist fürwahr ein Wunder.
•    Zugleich ist das größere Wunder,
    das es überall auf der Welt Menschen gibt,
    - die durch empfindsame und rücksichtsvolle Pflege
      Kranken ein Bewußtsein ihrer Würde geben,
    - die geduldig an Krankenbetten ausharren,
    - die liebevoll die Hände eines Sterbenden halten.
•    Ein Wunder ist, daß es in einer Welt voller Ungerechtigkeit
    immer wieder und an allen Orten Inseln der Gerechtigkeit gibt.
•    Und erst recht ist es ein Wunder,
    wie viele, vor allem junge Menschen
    ein Jahr ihres Lebens oder mehr einsetzen,
    um sich ganz in den Dienst von Gerechtigkeit und Frieden
    zu stellen.
•    Ein Wunder ist es, wenn Mütter und Väter
    zu einem behinderten Kind “Ja” sagen
    und ihm alle Liebe dieser Welt schenken.
•    Ein Wunder ist es aber auch, wenn Ärzte und Hebammen
    gegen den massiven Druck der öffentlichen Meinung
    auch schwer behinderten Kindern zum Leben verhelfen,
    und wenn Sozialarbeiter, Erzieher, Lehrerinnen und viele andere
    dazu beitragen, dieses Leben lebenswert zu machen.

Wunder dieser Art finden Sie in allen denkbaren Lebensbereichen.
Selbst in der Welt der Politik,
die auf erschreckende Weise in Verruf geraten ist,
können Sie, wenn Sie wollen,
Wunder der Menschlichkeit entdecken.

Advent - Ankunft - Ankunft Gottes in dieser Welt -
Ankunft des Himmelreiches, des Reiches Gottes -
Ankunft nicht erst morgen - Ankunft schon heute -
Ankunft Tag für Tag!
Wir müssen diese Ankunft nur aufmerksam wahrnehmen!
Dann habe wir keinen Grund, die Köpfe hängen zu lassen
und niedergeschlagen durch’s Leben zu gehen.
Dann können wir unbeschwert
das “Gaudete” dieses Sonntags aufgreifen;
dann können wir hier und heute
Bedingungen für eine solche Freude schaffen;
dann können wir dieses “Freuet euch!” mit anderen teilen.

Freut euch im Herrn zu jeder Zeit!
Noch einmal sage ich: Freut euch!
Denn der Herr ist nahe.

Amen.