Predigt zum Fest der Taufe des Herrn (B) 
am 12. Januar 2003
Lesung: Jes. 42, 1-9;
Evangelium: Mk. 1, 7 - 11;
Autor: P.Heribert Graab S.J.
Wir feiern noch einmal das Fest der Erscheinung des Herrn:
Gottes Messias, Gottes Erretter Seines Volkes und der Menschheit insgesamt,
ja sogar Gott selbst erscheint in dieser Welt.
Am Jordan wird es offenbar:
„Du bist mein geliebter Sohn,
an Dir habe ich Gefallen gefunden."

Im Grunde findet Jesus Christus 
in diesem Ereignis zu sich selbst und zu Seiner Sendung.
Was bereits die Engel
auf den Hirtenfeldern von Bethlehem verkündet hatten,
bekommt in der Gottesoffenbarung bei der Taufe Jesu
eine neue Dimension:
Die neue Realität beginnt sich zu entfalten,
es wird öffentlich sichtbar und wirksam:
„Der Retter ist erschienen, der Messias, der Herr".

Für alle Berichterstatter, also für die Evangelisten ist klar: 
Hier bekommen die Verheißungen der alten Propheten
Hand und Fuß,
hier findet die Sehnsucht des Volkes Israel,
die Sehnsucht der ganzen Menschheit ihre Erfüllung.

Und so deuten sie das Geschehen
mit Hilfe der alten biblischen Überlieferungen.
Und auch heute noch werden deren Texte 
von der Kirche in ihrer Liturgie herangezogen,
um uns das Verständnis dessen zu erschließen,
was die Evangelien berichten.

Vom Licht ist da in der Heiligen Nacht die Rede,
das aufstrahlt über denen, die im Dunkeln wohnen.
Der, dessen Erscheinung wir feiern,
wird das drückende Joch,
unter das so viele gebeugt sind, zerbrechen.
Seine Erscheinung in unserer von Gewalt geprägten Wirklichkeit
wird jeden Stiefel, der dröhnend daherstampft,
und jeden Mantel, der mit Blut befleckt ist,
zu einem Fraß des Feuers machen.

Man nennt Ihn:
Wunderbarer Ratgeber, Starker Gott, Vater in Ewigkeit,
Fürst des Friedens.
Wo Seine Erscheinung wirksam wird,
wird der Friede kein Ende haben.

Am Weihnachtstag selbst heißt es dann:
„Willkommen die Schritte des Freudenboten,
der Frieden ankündigt,
der Rettung verheißt...
Alle Enden der Erde sehen das Heil unseres Gottes."

Und heute haben wir die Ansage Gottes gehört:
„Auf Ihn habe ich meinen Geist gelegt,
er bringt den Völkern das Recht...
Ja, er bringt wirklich das Recht.
Er wird nicht müde und bricht nicht zusammen,
bis er auf der Erde das Recht begründet hat...
Ich habe dich dazu bestimmt,
das Licht für die Völker zu sein...
Und alle, die im Dunkel sitzen, 
aus ihrer Haft zu befreien."

Das alles also beginnt endlich Wirklichkeit zu werden
in dem, was uns das Evangelium heute verkündet,
was wir am Fest der Erscheinung des Herrn
und heute am Fest Seiner Taufe
und eben auch mit diesem Gottesdienst feiern.

Was uns in der Erscheinung des Herrn geschenkt ist,
ist einerseits unwiderruflich,
ist uns andererseits jedoch überantwortet
sozusagen „in zerbrechlichen Gefäßen".
Menschen werden nicht müde,
sich selbst zum Maß aller Dinge zu machen,
eigene Interessen und Machtansprüche durchzusetzen
und so dem Heil- und Frieden-schaffenden Handeln Gottes
entgegen zu wirken.

Als Christen, die wir uns zum Heiland 
und Friedensfürsten Jesus Christus bekennen,
können und dürfen wir das nicht dulden.
Wir können und dürfen es nicht dulden,
daß Menschen auch heute versuchen,
die Uhren der Heilsgeschichte zurückzudrehen
hinter jenes Eingreifen Gottes,
das uns heute im Evangelium verkündet wird,
und das wir als befreiende und frohmachende Botschaft 
immer wieder bekennen und feiern.

Das Bekenntnis zu Jesus Christus
hat nicht nur Konsequenzen für unser privates Lebens,
sondern auch für unser politisches Handeln.
Wir haben einzustehen für Recht und Gerechtigkeit.
Christliche Barmherzigkeit bedeutet nicht 
Aufweichung oder Privatisierung von Gerechtigkeit.
Barmherzigkeit und Liebe überbieten vielmehr
landläufige Gerechtigkeit -
spitzen sie zu!
Aufgrund unseres Glaubens haben wir einzustehen
auch für Frieden und Gewaltlosigkeit.
In der frühen Christenheit war das selbstverständlich.
Und nicht wenige Martyrer dieser Zeit,
die wir als Blutzeugen des Glaubens bezeichnen
waren in Wirklichkeit Blutzeugen 
für christliche Gerechtigkeit
und für christliches Friedensengagement.

Erst als durch Kaiser Konstantin
eine manchmal unheilvolle Liaision entstand
zwischen Staat und Kirche,
zwischen politischem Kalkül und dem Anspruch Jesu Christi,
begann auch die Zeit fauler Kompromisse.
Aus dieser Zeit stammt auch die Lehre
vom sogenannten „Gerechten Krieg".
Dabei handelt es sich letztlich um den Versuch,
sich um die Klarheit der biblischen Botschaft herumzudrücken,
und das Evangelium mit der politischen Macht 
unter einen Hut zu bringen.

Der Säkularisierungsprozeß der Neuzeit,
der noch keineswegs an seinem Ende angekommen ist,
hat wenigstens diesen einen Vorteil:
Er gibt der Kirche ihre Freiheit zurück
und erlaubt ihr wieder,
in aller Deutlichkeit zu sagen,
was sie aus der Kraft des Evangeliums sagen muß.

So ist es kein Zufall,
daß angesichts eines drohenden Krieges gegen den Irak
vor allem Christen
- und unter ihnen an erster Stelle Papst Johannes Paul -
eine deutliche Sprache sprechen
und unüberhörbar „NEIN" sagen:
Es gibt aus christlicher Sicht keine Rechtfertigung für diesen Krieg!

Dabei darf nicht vergessen werden,
daß ebenfalls gerade Christen am 11. September 2001
mit ihrem Mitleiden, mit ihrem Gebet
und auch mit der eindeutigen Verurteilung des Terrorismus
unverbrüchlich auf der Seite der Menschen
in den Vereinigten Staaten standen.

Die angemessene Antwort auf terroristische Gewalt 
gegen unschuldige Menschen
darf jedoch nicht kriegerischer Gewalt
gegen ebenfalls unschuldige Menschen bestehen!
Und erst recht wird der christliche Glaube in sein Gegenteil verkehrt,
wenn der realen oder vermuteten Vermengung 
von Politik und islamischem Fundamentalismus auf der einen Seite
eine christlich-fundamentalistische Überhöhung des Krieges 
auf der anderen Seite gegenübergestellt wird.

Wir feiern heute die Besiegelung Jesu Christi
als Messias und Friedensfürst.
Und der „wird nicht müde und bricht nicht zusammen,
bis er auf der Erde das Recht begründet hat."

Wenn wir heute das Glaubensbekenntnis sprechen,
geht es nicht um ein theoretisches oder liturgisches Bekenntnis,
sondern um die Entscheidung,
auf welcher Seite wir stehen wollen.

Amen.