Predigt zum 4. Adventssonntag (B) am 22. Dezember 2002
Lesung: 2. Sam. 7, 1-5.8b-12.14a.16;
Evangelium: Lk. 1, 26-38;
Autor: P.Heribert Graab S.J.
Leider mußten wir wegen der Weihnachtskrippe
die zweite Szene unserer Adventskrippe abbauen.
Aber vielleicht erinnern Sie sich:
Diese Szene zeigte die Verkündigung des Engels an Maria,
also die Geschichte des heutigen Evangeliums.

Ungewohnt war die Art der Darstellung:
Die Begegnung zwischen Maria und dem Erzengel Gabriel
spielte sich ab in einem Nomadenzelt in der judäischen Wüstenlandschaft.
Dennoch wich diese Darstellung nur in einem Punkte
ausdrücklich von der Evangelienerzählung ab:
insofern nämlich im Evangelium der Ort Nazareth genannt ist.

Alle anderen Abweichungen von unseren Erwartungen
haben ihren Grund darin,
daß unsere traditionellen Vorstellungen
sehr stark geprägt sind von der mittelalterlichen Kunst,
die diese Szene in einer gutbürgerlichen Wohnstube spielen läßt.
Aber darüber ist in den Evangelien nichts gesagt.

Das Nomadenzelt kann uns anregen,
diese Geschichte mit neuen Augen zu sehen -
und das auch im Kontext der alttestamentlichen Lesung,
die die liturgische Leseordnung des vierten Adventssonntags
in Beziehung setzt zum Evangelium.

Da ist die Rede von König David,
der Gott ein festes Haus bauen will,
einen repräsentativen Tempel.
Es geht ihm dabei nicht nur um die Ehre Gottes.
Vielmehr hat er durchaus auch politische Ambitionen:
Das Nomadendasein seines Volkes,
für das die mitwandernde Bundslage ein Symbol ist,
steht seinem Anliegen, 
mit den Großkönigen seiner Zeit auf einer Stufe zu stehen,
im Wege.
Die Stabilität der mächtigen Großreiche
findet ihren Ausdruck und auch ihr politisches Zentrum
in den prachtvollen Tempeln ihrer Götter.
Damit will David gleichziehen.
Und dieser politischen Intention stellt Gott sich 
durch den Propheten Natan entgegen.

Damit ist ein Spannungsverhältnis angesprochen,
das zu allen Zeiten und gerade auch heute aktuell ist.
Menschen sind unterwegs - ewige Nomaden -
heute mehr denn je.
Die modernen Sitchworte zu diesem Tatbestand:
Mobilität, Flexibilität, Migration.
Berufswechsel, Wohnortswechsel, Tourismus, Flucht, Vertreibung...

Auf der anderen Seite macht gerade die Tradition 
unserer deutschen Art, Weihnachten zu feiern, deutlich,
wie sehr Menschen sich sehnen nach „Heimat",
nach Geborgenheit in einem eigenen „Heim",
nach Verläßlichkeit ihrer Lebensverhältnisse.

Und in Politik und Wirtschaft ist es im Grunde nicht anders:
Auch da geht es um institutionelle Stabilität,
die übrigens wie in den Zeiten Davids ihren Ausdruck findet
in festen, repräsentativen und möglichst für die „Ewigkeit" gebauten „Tempeln":
Schauen Sie sich das neue Berlin an
oder auch modernen Finanztempel in Frankfurt.
Immer wieder sind es „Götter-" - oder besser „Götzentempel",
die Stabilität und Verläßlichkeit 
gegen die gefährlichen Mächte des Chaos grantieren sollen.

Gegen solche Ambitionen ergreift Gott selbst die Initiative:
„Ich baue dir ein Haus", läßt er dem David durch Natan sagen,
„Ich werde deinem Königtum Bestand verleihen" - und das auf meine Art.
Und letztendlich findet diese Verheißung Gottes 
ihre Erfüllung in dem Geschehen, das der Engel Maria verkündet,
und das wir an Weihnachten feiern:

Gott selbst „baut" sich ein „Haus" in einem Menschen, in einem Kind:
In ihm wollte Er in Seiner ganzen Fülle wohnen. (Kol.1,19).
Maria ist sozusagen die „neue Bundeslade",
durch die Gott selbst in dieser Welt ankommt - und das für immer.
Seitdem sind nicht Gotteshäuser
die eigentliche „Wohung" Gottes auf dieser Erde,
sondern lebendige Menschen.
Seit damals ist Gott bis auf den heutigen Tag auf der Suche
nach immer mehr Menschen, 
die wie Maria empfänglich sind für Seine Ankunft.
„Ich stehe vor der Tür und klopfe an.
Wer meine Stimme hört und mir öffnet,
bei dem werde ich eintreten
und wir werden Mahl halten." 
heißt es in der Offenbarung des Johannes. (Offb.3,20).
Wer sich also von Ihm „bewohnen" läßt,
wird selbst zum Tempel Gottes.

Sie kennen das geflügelte Wort des hl.Augustinus:
„Unruhig ist unser Herz, bis es ruht in Dir."
Wir sind nur Gast auf Erden,
wir bleiben Nomaden, Pilger und sind ständig unterwegs -
und doch: Insoweit wir uns öffnen für Ihn
und wie Maria Ja sagen zu Seiner „Einwohnung",
sind wir zugleich auch schon angekommen
am Ziel aller menschlichen Sehnsucht:
Die „Herbergssuche" hat ein Ende gefunden;
wir sind bei Ihm daheim und Er bei uns.
Unsere Seele ist nicht mehr obdachlos auf der Suche nach Sinn;
wir feiern Weihnachten Gottes sinnstiftende Ankunft in unserem Leben.

Wie wir miteinander unterwegs sind
und dieses Miteinander der Pilgerschaft auch dringend brauchen,
so feiern wir auch miteinander Advent und Weihnachten:
Ankunft des Herrn.

Wir haben heute die Freude,
einen Menschen, der sich schon lange in unserer Gemeinde zu Hause fühlt,
auch ausdrücklich in dieses Miteinander 
unseres Unterwegsseins und unseres Ankommens aufzunehmen.
Ich begrüße ganz herzlich Frau.....
Bischof Josef Homeyer hat mir die Vollmacht erteilt,
sie heute in unsere Gemeinde und in die katholische Kirche aufzunehmen
und ihr das Sakrament der Firmung zu spenden.
Das werden wir nun - nach einer kurzen Zeit der Stille - tun.