Predigt zum 14. Sonntag im Jahreskreis C
am 3. Juli 2016
Lesung: Jes. 66, 10-14c
Evangelium: 10, 1-9.17-20
Autor: P.Heribert Graab S.J.
Gibt es für Sie hier und da
beglückende und frohmachende Erfahrungen
mit Ihrem Glauben als Christin, bzw. als Christ?
Gibt es evtl. sogar Zeiten, in denen Sie froh sind,
zur katholischen Kirche oder zur Gemeinde dazuzugehören?
Und eine dritte Frage:
Sprechen Sie über solchen Erfahrungen
in Ihrem Freundes-, Bekannten- oder Kollegenkreisen?
Sprechen Sie davon vielleicht sogar in einer Weise,
die ansteckend und gewinnend wirkt,
oder doch wenigstens neugierig macht?

Stille

Im Evangelium wird berichtet,
Jesus habe 72 Seiner Jünger jeweils zu zweit
in Städte und Dörfer gesandt, um genau dies zu tun:
von Jesus und ihren Erfahrungen mit Ihm zu erzählen,
Seine frohe Botschaft weiterzusagen,
den Menschen Seinen Frieden zu bringen
und ihnen Gutes zu tun, wie Jesus selbst Gutes tut.

Schließlich kommen die Zweiundsiebzig voller Begeisterung zurück
und berichten mit überschwenglicher Freude über all das,
was sie erlebt haben:
Man kann sich leicht vorstellen,
wie sie vor lauter Freude durcheinander reden,
und wie ihnen immer wieder noch Berichtenswertes in den Sinn kommt.

Mir scheint, da gibt’s bei uns Christen heute enorme Defizite!
Das fängt schon damit an, daß wir vielfach
Religion als unsere Privatangelegenheit betrachten:
Über Glauben und Glaubenserfahrungen spricht man nicht;
die sind Tabu.
Es kommt hinzu, daß wir uns oft auch unseres Glaubens
und unseres Christseins schämen.
Wir fürchten abwertende, vielleicht sogar verletzende Reaktionen:
„Sag bloß, du bist von so etwas überzeugt!“
„Ich hab‘ dich immer für einen modernen
und aufgeschlossenen Menschen gehalten.“
„Wie kannst du nur zu einer Kirche gehören,
die den Mißbrauch von Kindern vertuscht
und die recht fragwürdig und unkontrolliert
mit ihrem Reichtum umgeht?
Liest du keine Zeitung???“

Stille

Auch ich lese natürlich die Zeitung.
Und manchmal ärgere ich mich über die Unkenntnis einzelner Autoren,
und über den Unsinn, den sie kolportieren.
Noch öfter bin ich traurig über so manchen Skandal in der Kirche,
der zu Recht an die Öffentlichkeit gebracht wird.
Dann aber weiß ich auch:
Diese Kirche ist selbstverständlich eine Gemeinschaft von Menschen,
in der es leider, aber durchaus erwartungsgemäß
gar zu oft allzu-menschlich oder sogar unmenschlich zugeht.
Diese Erkenntnis ist auch für mich Anstoß zur Gewissenserforschung,
Anstoß zur selbstkritischen Frage
nach meiner Mitverantwortung in der Kirche,
Anregung, vor meiner eigenen Türe zu fegen.

All das überschattet jedoch keineswegs die vielen beglückenden
und manchmal auch begeisternden Erfahrungen,
die mir in der Kirche und durch meinen Glauben geschenkt werden:
•    Die Begegnung mit Menschen, die aus der Kraft des Glaubens leben.
•    Die Erfahrung von anziehender und lebendiger Gemeinschaft
im Glauben.
•    Hier und da eine spürbare ‚Nähe Gottes‘.
•    Die Kraftquelle und praktische Lebenshilfe, die manchmal das Gebet schenkt.
•    Die grundsätzliche Gewißheit, daß ich nicht allein auf dem Weg bin.
•    Das in vielen Erfahrungen gewonnene Wissen: Du mußt nicht alles alleine machen; der ‚Heilige Geist‘ wirkt mit.
•    Die Freude an meinem Beruf (wörtlich im Sinn von ‚Berufung‘).
•    Die Möglichkeit, mich auch an kleinen Dingen des Lebens
und der Schöpfung zu freuen.
•    Die Entdeckung des Guten, das in jedem Menschen steckt,
so man nur hinter die Fassade schaut.
•    …

Die Liste ließe sich verlängern;
und ich bin sicher: Auch Sie werden in Ihrem Leben als Christen
kleine und große Schätze des Glaubens finden,
wenn Sie nur ernsthaft auf die Suche gehen.
Und wenn Sie dann welche gefunden haben,
behalten Sie die nicht für sich!
Erzählen Sie davon, wie die Zweiundsiebzig erzählt haben,
und wie bis auf den heutigen Tag unzählige Christen
Begeisterndes von ihrem Glauben erzählt
und so andere für den Glauben gewonnen haben.

Stille

Wenn wir nun noch einen kurzen Blick auf die Lesung werfen,
könnte uns auffallen: Es geht nicht nur darum,
von frohmachenden Glaubenserfahrungen zu reden.
Der Prophet, den man den ‚Dritten Jesaja‘ nennt, spricht vielmehr
- wie viele andere Propheten und wie später auch Jesus -
von seinen ‚Träumen‘, von seinen ‚Visionen‘, von seinen Hoffnungen.
Er spricht begeistert vom ‚Neuen Jerusalem‘,
von der ‚Neuen Stadt Gottes‘,
wenige Verse später sogar
vom ‚Neuen Himmel‘ und von der ‚Neuen Erde‘.
Da klingt schon das Thema vom kommenden Reich Gottes an,
das immer wiederkehrende Thema der Verkündigung Jesu.

Jesaja und auch Jesus sprechen vom anbrechenden Heil Gottes
in einem klaren und bewußten Kontrast
zum Unheil ihrer jeweiligen Zeit.
Sie wissen sich von Gott selbst berufen,
das Heil zu verkünden, Hoffnung zu wecken,
zu einem Neuanfang zu ermutigen.
Sie sprechen aus der felsenfesten Überzeugung ihres Glaubens.
Aus dieser Glaubensüberzeugung heraus
befreit Jesaja die Heimkehrer aus dem Babylonischen Exil,
die alles andere als eine einladende Stadt vorfanden,
aus ihrer Resignation und Mutlosigkeit.
Er ermutigt sie zur Freude:
„Freut euch mit Jerusalem!
Jubelt in der Stadt, alle, die ihr sie liebt.
Seid fröhlich mit ihr, alle, die ihr über sie traurig wart.“

Genau so dürfen und sollen auch wir Zeugnis ablegen
von der Hoffnung und der Freude unseres Glaubens.
Von welchen ‚Visionen‘ leben wir?
Was läßt uns zuversichtlich in die Zukunft blicken?
Wo und in welchen konkreten Situationen
erahnen wir hier und heute schon
etwas von der Lebensfülle, dem Frieden,
der Gerechtigkeit und der Freude des kommenden Gottesreiches?

Und sind wir im Herzen von solchen Träumen,
Visionen und Hoffnungen so erfüllt,
daß unser Mund davon überfließt,
daß wir also gar nicht anders können, als davon zu erzählen
und diese Freude weiterzugeben an die Menschen um uns herum?

Ich glaube, erst dann wird man uns wirklich abnehmen,
daß unser Glaube seine Wurzeln im Evangelium Jesu Christi hat,
in Seiner frohen und frohmachenden Botschaft.

Amen.