Eine kurze
Vorstellung des Jesuitenordens |
im Rahmen des Ökumenischen Abendgebetes am 29.
August 2010 in der evangelischen Antoniterkirche zu Köln. Autor: P.Heribert Graab S.J. |
Bei Ihrem Ökumenischen
Abendgebet
Bei Ihrem Ökumenischen Abendgebet darf ich in der Reihe über Geistliche Gemeinschaften heute über die “Gesellschaft” Jesu zu Ihnen sprechen. In der Regel wird die einfach “Jesuitenorden” genannt, und dieser Orden ist gerade der Stadt Köln sehr eng verbunden: • Hier in Köln gründete der Orden seine erste deutsche Niederlassung. • Hier in Köln entstand das erste deutsche Jesuitenkolleg, das erste von weit über fünfzig Kollegien im deutschen Sprachraum: Das Collegium Tricoronatum, dessen Tradition heute noch fortlebt im Dreikönigsgymnasium. • Hier in Köln wurden die Mitglieder der “Gesellschaft Jesu” zum ersten Mal “Jesuiten” genannt. • Hier in Köln lebten und arbeiteten so bedeutende Jesuiten wie Petrus Canisius, Peter Faber und Friedrich von Spee. Der Name des Ordensgründers ist Ihnen vermutlich ein Begriff: Ignatius von Loyola ist ein Zeitgenosse Martin Luthers. Martin Luther wurde 1483 geboren, Ignatius wenige Jahre später, im Jahre 1491. So unterschiedlich beide Persönlichkeiten auch sind, es verbindet sie deutlich mehr, als auf den ersten Blick sichtbar wird. • Beide sind zutiefst betroffen von den unhaltbaren Zuständen in der Kirche des ausgehenden Mittelalters. • Beide brennen darauf, diese Kirche zu reformieren. • Beiden ist es ein Anliegen, dies von innen heraus zu tun und auf der Grundlage des Evangeliums Jesu Christi. • Beide stoßen mit diesem Anliegen auf erbitterten Widerstand in der etablierten Kirche. • Beide bekommen es mit der Inquisition zu tun. • Beide finden zugleich jedoch auch begeisterte Zustimmung bei all denen, die wie sie unter dem Niedergang der Kirche leiden. Leider haben sich Martin Luther und Ignatius von Loyola wohl nicht gekannt. Wenn das der Fall gewesen wäre, hätten sie möglicherweise bei der “Reformation” der Kirche - also bei einer Erneuerung der Kirche von ihren Wurzeln her - zusammengearbeitet, und vielleicht wäre uns die Spaltung der Kirche erspart geblieben. Lassen Sie mich die wichtigsten Elemente nennen, die Ignatius für seinen Weg der Kirchenreform wichtig waren: • Da stehen an allererster Stelle die “Exerzitien”, die aus den geistlichen Erfahrungen seiner eigenen Bekehrung entstanden sind. Durch die Exerzitien versuchte Ignatius gemeinsam mit seinen Gefährten vor allem “Multiplikatoren” - zumal aus dem Klerus - für eine engagierte Nachfolge Jesu Christi und damit auch für eine Erneuerung der Kirche zu gewinnen. • Sodann stellten er selbst und viele seiner Gefährten sich in den Dienst der unzähligen Armen, Kranken und Ausgebeuteten seiner Zeit, um so das Evangelium nicht nur zu verkündigen, sondern es konkret zu leben. Etliche der ersten Jesuiten haben sich im Dienst an den Pestkranken selbst angesteckt und sind gestorben. • Sehr früh schon entstanden die ersten Kollegien, um dem katastrophalen Bildungsmangel entgegenzuwirken. Es ging in diesen Kollegien um eine möglichst ganzheitliche Bildung, in der selbstverständlich die Glaubensbildung einen zentralen Platz hatte. • Wie schon Franz von Assisi in der großen Reformbewegung des 12. und 13. Jahrhunderts legte auch Ignatius Wert auf eine religiöse Bildung der kleinen und weitgehend ungebildeten Leute. Darauf zielte die breit angelegte Pastoral der Jesuiten: * Der Katechismus des Petrus Canisius wurde zu einer Art Bestseller der religiösen Grundbildung für Jahrhunderte. * Volkspredigt und Volksmission griffen die Anliegen und Themen der Exerzitien für eine breite Bevölkerungsschicht auf. * Volkssprachliche, religiöse Lieder dienten der Grundlegung und Vertiefung des Glaubens - ähnlich wie bei vielen protestantischen Reformatoren. Friedrich von Spee war wohl der bedeutendste Jesuiten-Autor, dessen Lieder heute noch gesungen werden und sich auch im Evangelischen Gesangbuch finden. * Neben den Liedern wurden Bilder, Krippen und Theaterspiele für die Glaubensverkündigung eingesetzt. * Formen der Volksfrömmigkeit wurden von Aberglauben gereinigt und in neuer Weise gepflegt. (Ich selbst war während meiner Zeit in Göttingen erstaunt, wieviel von all dem im benachbarten Eichsfeld bis heute lebendig geblieben ist,) • Schließlich wollte Ignatius eine “Reformation”, also eine Erneuerung der Kirche von den Wurzeln her, mit dem Papst und nicht gegen ihn. In dieser Hinsicht war Ignatius ein Optimist - wie sich herausstellte, durchaus zu Recht. Ein letztes noch aus dieser frühen Zeit: Für Ignatius und seine Jesuiten war von Anfang an der weltweite Missionsgedanke unverzichtbar. Damit stellten sie sich vorbehaltlos in den Dienst des Auftrages Jesu: “Geht zu allen Völkern, macht alle Menschen zu meinen Jüngern und tauft sie im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.” (Mt. 28, 19). Sicher waren sie als Kinder ihrer Zeit auch begeistert von jener “Globalisierung”, die durch die weltweiten Entdeckungen angestoßen wurde. Ein Name steht vor allem für diese Seite jesuitischer Sendung: Franz Xaver. Ein wichtiger Aspekt der Missionsarbeit von Jesuiten ist bis heute die Inkulturation des christlichen Glaubens in fremde Kulturen. Leider wurden (und werden) sie dabei immer wieder “ausgebremst” durch eine manchmal sehr unbewegliche Kirche. Die Grundanliegen der ersten Zeit prägen die Arbeit von Jesuiten durch die Jahrhunderte bis auf den heutigen Tag, obwohl diese Arbeit sich selbstverständlich jederzeit wandelt - dem Wandel der Zeiten und ihren jeweiligen Anforderungen entsprechend. Auch heute geht es • um die ignatianischen Exerzitien, • um Wissenschaft und Bildung, • um eine am Menschen orientierte Pastoral, • um die Mitgestaltung einer lebendigen und glaubwürdigen Kirche • und um ein weltweites Engagement im Dienst des Evangeliums. Konkret möchte ich beispielsweise einfach sagen, in welchen Bereichen ich selbst gearbeitet habe und teilweise auch noch arbeite: Zwanzig Jahre lang war ich hier in Köln in der kirchlichen Schüler- und Studentenarbeit tätig. Dann habe ich nochmals zweiundzwanzig Jahre als Pfarrer und Cityseelsorger in der Innenstadt von Göttingen gearbeitet. In diesem Rahmen ging es selbstverständlich • um grundlegende Glaubensbildung, • vielfach auch um eine erste Hinführung zum Glauben, • um die Erfahrung von Gemeinschaft im Glauben • und um eine glaubwürdige Kirche im Kleinen. Während all der Jahre konnte ich immer wieder erfahren, wie hilfreich ignatianische Exerzitien für persönliche Entscheidungen aus dem Glauben sind. Aus diesem Grunde organisiere und begleite ich heute Online-Exerzitien und bin höchst erstaunt, wieviel auch diese “virtuelle” Form von Exerzitien bewegen kann. Damit die Gesellschaft Jesu den Anforderungen einer so umfassenden Sendung entsprechen kann, hat Ignatius sich bei deren Gründung ziemlich radikal von den Traditionen eines klösterlichen Ordenslebens getrennt und gegen alle Widerstände den damals neuen Versuch einer Ordensgemeinschaft mitten in der Welt gewagt. Der Verzicht auf Klausur, auf gemeinsames Chorgebet, auf dauerhafte Bindung an einen Ort und auf eine gemeinsame Ordenstracht, sowie die Ausrichtung auf das jeweils Notwendige und auf eine entsprechend hohe Mobilität machten eine prägende, eine verbindende und verbindliche Spiritualität erforderlich, die Ignatius gerade in den Exerzitien grundlegte. Darum soll es gleich noch in der Schriftauslegung und Predigt gehen. |