Predigt zum Hochfest der Aufnahme Mariens
in den Himmel am 15. Juli 2021 |
Lesung: Offb. 11, 19a; 12; 1-6a.10ab Evangelium: Lk. 1, 39-56 Autor: P.Heribert Graab S.J. |
In beiden Lesungen des Festes „Mariä
Himmelfahrt“ geht es um eine einschneidende „Wende“ in der Menschheitsgeschichte, bzw. auch im Leben einzelner Menschen. Im Text der Johannes-Offenbarung geht es um die endgültige und nicht mehr revidierbare Entscheidung im kosmischen Kampf zwischen Gut und Böse. Die Menschwerdung Gottes in Jesus Christus und die „Erlösung“ durch sein Leben, Sterben und Auferstehen markieren die menschheitsgeschichtliche Wende schlechthin: „Jetzt ist er da, der rettende Sieg die Macht und die Herrschaft unseres Gottes und die Vollmacht seines Gesalbten.“ (Offb. 12,10 > Lesung) Man muß das Bild der gebärenden Frau nicht unbedingt auf Maria beziehen. Dieses Zeichen am Himmel steht wohl ursprünglich für das Gottesvolk Israel. Aber schon früh hat christliche Frömmigkeit diese Frau mit der Gottesmutter in Zusammenhang gebracht. Fest steht jedenfalls, daß Maria - wie niemand sonst - in das erlösende Handeln Gottes integriert ist und den eigentlich Entscheidenden - Jesus Christus - zur Welt gebracht hat durch ihr dienendes „Ja“. Und wir Menschen brauchen nun einmal lebendige Zeichen für unseren Glauben. Maria ist ein solches Zeichen - in der Kunst- und Frömmigkeitsgeschichte immer wieder dargestellt als die kosmische Frau mit dem Sternenkranz, mit der Sonne bekleidet, den Mond unter ihren Füßen; als die Frau, die in Jesus Christus den Drachen besiegt. Um die entscheidende Wende in der Schöpfungs- und Menschheitsgeschichte geht es auch in der Begegnung der beiden Frauen des Evangeliums: Maria und Elisabeth. Sie stehen einander gegenüber - zwei schwangere Frauen in einer für beide unglaublich verdichteten Situation. Sie sind sich beide dessen bewußt, daß sich in ihrem Leben etwas abspielt, was weit über ihren intim-privaten Rahmen hinaus für ihr Volk und für die Menschheit von einmaliger Bedeutung ist, und daß hier einer in ihr Lebensschicksal eingreift, der mehr ist als bloß „Schicksal“ - Gott selbst. Seine Verheißung geht endlich in Erfüllung: Die unheilvolle Geschichte wird ein Ende haben. Endlich tritt die sehnsuchtsvoll erwartete Zeitenwende ein - mit diesem Kind, das Maria unter ihrem Herzen trägt. Diese unüberbietbare Offenbarung bringen beide in jubelndem Lobpreis zum Ausdruck. Das Fest, das wir heute feiern, hat seinen Ursprung nicht in einem historischen Ereignis, von dem biblische Berichte erzählen. Es ist vielmehr Ausdruck dieses Glaubens, den wir mit Maria und Elisabeth teilen: Gottes Verheißung und der Traum der Menschheit geht in Erfüllung durch Gottes heilbringendes Handeln. Unser Leben ist dem Tod entrissen. Wir haben nicht mehr den Tod als endgültiges Aus vor Augen. Wir dürfen auf eine erfüllte Zukunft hoffen. In unzähligen Bildern und Legenden bringt die christliche Frömmigkeitstradition genau dieses hoffnungsvolle Vertrauen zum Ausdruck. Zumal die duftenden Blumen, die die Apostel nach der Legende bei der Öffnung des Mariengrabes vorfanden, sind ein lebendiges Bild des uns allen geschenkten neuen und wundervollen Lebens. Noch einmal eine Steigerung erfährt dieses Bild durch die Kräuter, die seit mehr als tausend Jahren am Tag „Mariä Himmelfahrt“ gesegnet werden: Die Kräuter geben unserem Leben hier Geschmack, die Kräuter dienen uns als Heilmittel, als heilende Kräfte der guten Schöpfung Gottes. Sie können deshalb zu Zeichen werden für das endgültige Heil und für die Schönheit eines vollendeten Lebens in der Gemeinschaft mit Gott und allen Heiligen, die uns in seine Herrlichkeit vorausgegangen sind. Amen. |