Predigt zum 34. und letzten Sonntag im Jahreskreis (B): 
Christkönigsfest am 20 November 2021
Lesung: Dan. 7, 2a,13b - 14 und Offb. 1, 5b - 8
Evangelium: Joh.. 18, 33b - 37
Autor: P.Heribert Graab S.J.
Heute liegt es nahe,
einmal einen Blick auf all sie Kontraste zu werfen,
die im Fest Christkönig drinstecken.
Das beginnt schon mit der Kernbotschaft Jesu vom „Reich Gottes“:
Obwohl der Begriff vom „Reich“
doch wohl mit dem des „Königs“ korrespondiert,
gibt es das Fest Christkönig in der Kirche erst seit 1925.

Papst Pius XI. sprach sodann zur Einführung des Festes,
noch unter dem Eindruck des Ersten Weltkrieges und seiner Folgen
von enormen „Eifersüchteleien unter den Völkern,
die eine friedliche Wiederversöhnung noch weitgehend behindern“.
Zudem erhoffte er sich durch eine Orientierung an Christus, dem König,
einen engagierteren Widerstand und Kampf der Katholiken
gegen den „Laizismus“ einer mehr und mehr säkularisierten Welt.
Den „König Christus“ und die Wert-Orientierung Seiner Herrschaft
versteht Pius XI. also als Kontrast und als Alternative
zu den Zielvorstellungen und „Werten“
der säkularisierten Nachkriegsgesellschaft.

Ganz ähnliche Kontraste und Alternativen zur alltäglichen Erfahrung
finden sich auch in der Heiligen Schrift und
zumal in den Lesungen des Christkönigsfestes:

Da heißt es z.B. in der Lesung aus dem Danielbuch:
Dem Menschensohn „wurden Herrschaft, Würde und Königtum gegeben.
Alle Völker, Nationen und Sprachen müssen ihm dienen.“
Anders ausgedrückt:
Nicht mehr weltliche Herrscher wie die von Babylon
machen sich Völker untertan;
vielmehr schafft Gott selbst sich durch den „Menschensohn“ (NT: J.Chr.)
eine neue Welt, in der alle Völker und Nationen friedlich vereint sind,
und allein Ihm, dem König des Friedens, dienen.
Die Vision des Daniel geht darüber sogar noch hinaus:
„Seine Herrschaft ist eine ewige, unvergängliche Herrschaft.
Sein Reich geht niemals unter.“

Natürlich ist diese Vision in der aktuellen Zeit des Babylonischen Exils
zugleich auch ein Bild des Trostes und Ausdruck der Hoffnung
für Gottes Volk Israel unter der Fremdherrschaft Babylons.

Im Antwortpsalm 93 wird der trostreiche Kontrast der Daniel-Vision
aufgegriffen und noch einmal deutlich zugespitzt.
Dort heißt es:

    Dein Thron steht fest von Anbeginn,
       du bist seit Ewigkeit.
            (R) Der Herr ist König, bekleidet mit Hoheit.
    Fluten erheben sich, Herr,
    Fluten erheben ihr Brausen,
    Fluten erheben ihr Tosen.
            (R) Der Herr ist König, bekleidet mit Hoheit.
    Gewaltiger als das Tosen vieler Wasser, /
        gewaltiger als die Brandung des Meeres
        ist der Herr in der Höhe.
    Deine Gesetze sind fest und verläßlich /   
    Deinem Haus gebührt Heiligkeit,
    Herr, für alle Zeiten.
            (R) Der Herr ist König, bekleidet mit Hoheit.

Die zweite Lesung aus der Offenbarung des Johannes
sieht nun in dem „Menschensohn“ als König
ausdrücklich Jesus von Nazareth, -
der, den sie ans Kreuz gehängt haben, Jesus Christus.
Schon darin steckt ein nahezu „umwerfender“ Kontrast:
    „Jesus Christus ist der treue Zeuge, der Erstgeborene der Toten,
    der Herrscher über die Könige der Erde.“
    Und weiter dann:
    „Siehe, er kommt mit den Wolken, und jedes Auge wird ihn sehen,
    auch alle, die ihn durchbohrt haben;
    und alle Völker der Erde werden seinetwegen jammern und klagen.“
    Und dann zur Bekräftigung dieses unglaublichen Kontrastes:
    „Ja, Amen!“

Ja, und der Halleluja-Vers verweist uns wieder
auf die alte biblische Tradition:
Für Israel ist David der König schlechthin.
Bei all seinen Schwachpunkten steht er doch
für von Gott gesegnete Zeiten.
Und selbstverständlich orientieren sich alle Vorstellungen Israels
vom verheißenen Messias-König am Bild des Königs David.
Dementsprechend heißt es dann auch im Engelsgruß an Maria:
„Gott, der Herr, wird ihm den Thron seines Vaters David geben.“ (Lk. 1,32)
Der Halleluja-Vers nimmt heute am Christkönigsfest
diese jüdisch-christliche Tradition wieder auf:
„Gesegnet sei er, der kommt im Namen des Herrn! 
Gesegnet sei das Reich unseres Vaters David, das nun kommt.
Hosanna in der Höhe!“ (Mk. 11,9-10) 
Anmerken möchte ich im Kontext dieser Predigt noch:
Indem die Heilige Schrift Jesus, den Christus,
in der Königs-Tradition des David sieht,
übersieht sie natürlich auch nicht,
daß schon König David als Kontrast
und von Gott geschenkte Alternative
zu den Königen der Völker dargestellt wird -
die allesamt mehr oder weniger ihre Macht mißbrauchen.

Jesus selbst versteht Sein Königtum als Kontrast zu dieser Welt:
„Mein Königtum ist nicht von dieser Welt“ – sagt Er zu Pilatus.
Zugleich bekennt Er sich ausdrücklich
zu einer „alternativen Königswürde“:
„Ich bin ein König. Ich bin dazu geboren
und dazu in die Welt gekommen,
daß ich für die Wahrheit Zeugnis ablege.
Jeder, der aus der Wahrheit ist, hört auf meine Stimme.“

Ganz anders als die Könige und Politiker dieser Welt
steht Er nicht nur für die Wahrheit ein -
Er selbst ist vielmehr die Wahrheit!
Die Wahrheit ist sozusagen das Fundament Seiner Macht.
So kann Er von sich sagen:
„Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben…

In Jesus ist die Wahrheit Gottes sichtbar geworden.
Die Welt hat sich dem Licht versperrt.
Pilatus entzieht sich der Auseinandersetzung mit der Wahrheit,
die ihm diesem Jesus von Nazareth gegenüber tritt.
Er erkennt zwar Jesu Unschuld,
aber seine eigene Machtposition ist ihm wichtiger als die Wahrheit.
So wurde mit Jesus die Wahrheit gekreuzigt.
Vom Kreuz aus hat Er als der Christus die Königsherrschaft angetreten.

Den Kontrast und den scheinbaren Widerspruch,
der in unserem Bekenntnis zum „König am Kreuz“ steckt,
diesen grundlegenden Kontrast bringen zwei Kreuzesdarstellungen
zum Ausdruck:

 
     Das Pestkreuz in Sankt Georg, Köln (14. Jahrh.)
und



volto santo (um 900) in der Kathedrale von Lucca

Aus der leidvollen Erfahrung der mittelalterlichen Pestzeiten
stammt das Pestkreuz in Sankt Georg zu Köln.
Gerade auf dem Hintergrund des unmittelbar erfahrenen Leids
gelingt dem Künstler eine sehr glaubwürdige und beeindruckende
Darstellung des gekreuzigten Christus.
Dagegen ist die viel ältere Darstellung des Gekreuzigten
(aus der Kathedrale von Lucca)
ganz und gar geprägt vom christlichen Osterglauben:
Die leidvolle Realität des Kreuzes deutet sich nur an im Kreuzessymbol.
Christus am Kreuz ist dargestellt als der österliche Sieger über den Tod,
der einmal von sich sagte:
„Der Menschensohn muß erhöht werden,  
damit jeder, der (an ihn) glaubt,
in ihm das ewige Leben hat.“ (Joh.3,14 f)
Und „wenn ich über die Erde erhöht bin,
werde alle zu mir ziehen. (Joh. 12,32)