Predigt zum 28. Sonntag im Jahreskreis (B) 
am 10. Oktober 2021
(mit den Lesungen vom 27. Sonntag im Jahreskreis)
Lesung:  Gen. 2, 18-24;
Evangelium: Mk. 10, 2 - 12; 
Autor: P.Heribert Graab S.J.
(Da am vergangenen Sonntag das Erntedankfest gefeiert wurde und die Sonntagslesungen entfielen, bildeten diese Lesungen wegen ihrer Aktualität heute die Grundlage für die Predigt.)
Das Evangelium bringt einen Skandal zur Sprache,
den die Menschheit im Grunde genommen
nie wirklich aufgearbeitet hat:
Das Verhältnis von Mann und Frau war zu allen Zeiten
-    mal mehr, mal weniger -
durch Über-, bzw. Unterordnung bestimmt.
Zur Zeit Jesu war z.B. das Scheidungsrecht
weitgehend auf Männer zugeschnitten und machte Frauen rechtlos.
Die Pharisäer basteln aus dieser Tatsache eine Falle für Jesus:
Widerspricht Er dem Recht des Mannes,
seine Frau aus der Ehe zu entlassen,
setzt Er sich zugleich in Widerspruch zum geltenden Recht Israels.
Und das geht schließlich auf Gottes Gesetz vom Sinai zurück!
Stimmt Er jedoch der frauenfeindlichen Rechtspraxis zu,
stellt Er sich damit gegen Seine eigene Liebesbotschaft,
die keine Unterschiede zuläßt.

Wie sehr solche und ähnliche Fragen uns auch heute noch umtreiben,
wird deutlich an den aktuellen eherechtlichen Auseinandersetzungen
zwischen den weitgehend säkularisierten Gesellschaften unserer Zeit
und z.B. der Institution der katholischen Kirche.
Dabei gelingt es der Kirche scheint’s nicht,
angemessene Konsequenzen aus der Tatsache zu ziehen,
daß ihr überliefertes Ehe- und Familienverständnis
heute offenkundig nicht mehr funktioniert,
und vielfach auch von gläubigen Katholiken nicht mehr gelebt wird.

Jesus weist die Pharisäer Seiner Zeit
vor allem auf die Schöpfungsordnung hin:
Danach sind Mann und Frau gleich und einander ebenbürtig.
Und gegen alle patriarchale Praxis sagt Jesus sogar:
Darum werde der Mann (und eben nicht die Frau!)
Vater und Mutter verlassen um der neuen Einheit mit seiner Frau willen.

Wie aber konnte aus der Schöpfungsordnung Gottes
das geltende und als ‚göttlich‘ deklarierte Scheidungsrecht entstehen?
Jesu Antwort ist knapp und unzweideutig:
Nur weil ihr Pharisäer und Männer (!) so hartherzig seid,
konnte das geschehen,
obwohl es der Schöpfungsordnung und damit dem Willen Gottes widerspricht!

Diese Antwort liegt ganz auf der Linie
der alttestamentlichen Überlieferung.
Im Schöpfungsbericht wird die Frau charakterisiert
als „Partnerin, die dem Mann entspricht“,
die also zu ihm paßt und ihm wesensgleich ist. (Gen, 2,18)
Diese Gleichstellung und Ebenbürtigkeit wird noch unterstrichen
durch die bildliche Ausmalung des Geschehens:
Gott „baute aus der Rippe, die er vom Mann genommen hatte,
eine Frau und führte sie dem Mann zu“.
Aber schon bald darauf gibt dieselbe biblische Urgeschichte wieder,
wie es dann tatsächlich um die Stellung der Frau bestellt ist:
„Der Mann wird über sie herrschen!“ (Gen. 3,16)

Wie wir im Evangelium gehört haben,
erklärt Jesus diese Herrschaft des Mannes
mit dessen Hartherzigkeit.
Und auch das liegt ganz auf der Linie der biblischen Urgeschichte,
die die Über-, und Unterordnungssituation zwischen Mann und Frau
zurückführt auf den „Sündenfall“ des Menschen.
Bei diesem „Sündenfall“ geht es im Kern letztlich um „Macht“:
Der Mensch erliegt immer wieder der Versuchung,
sein zu wollen „wie Gott“. (cf. Gen. 3, 5).

Da sagt nun so manch einer:
„Das ist nun einmal so! Do kann man nichts machen!“
Dem aber widerspricht Jesus entschieden:
Er wird Mensch, um uns von diesem Fluch zu erlösen:
Männer und Frauen gleichermaßen.
Er setzt gegen alle Macht von Menschen über Menschen
Sein umfassendes Liebesgebot: (Joh. 15,9 und 12)
„Wie mich der Vater geliebt hat, so habe auch ich euch geliebt...
„Das ist mein Gebot: Liebt einander, so wie ich euch geliebt habe.“
Jesus spricht also von einer Liebe in Augenhöhe!
Und selbstverständlich gilt Sein Gebot
nicht zuletzt für das Miteinander von Frauen und Männern:
Liebe und Partnerschaft in Augenhöhe!
Liebe und Partnerschaft in Augenhöhe
- natürlich im privaten und persönlichen Miteinander!
- aber erst recht auch in der Gemeinschaft derer, die Ihm nachfolgen,
also in der Kirche!
Eine Schande, daß für die kirchliche Praxis von 2000 Jahren
die Tradition des Patriarchats prägender war und prägender ist
als die Tradition der Botschaft und Praxis Jesu!

In der Nachfolge Jesu dürfen wir jedoch vom Vertrauen erfüllt sein:
Seine Verheißung
vom kommenden und bereits angebrochenen Reich Gottes
wird mehr und mehr Wirklichkeit - schon in dieser Zeit.
In dieser neuen, von Gott geschenkten Wirklichkeit
kommt die Schöpfung zur Vollendung.
In dieser neuen Schöpfung werden vor allem
die Beziehungen von Menschen untereinander
durch die Gegenwart Gottes grundlegend verwandelt:
Sie werden zu einem Spiegelbild Gottes
und der innergöttlichen Beziehungen Seiner Dreifaltigkeit.
Sie werden ganz und gar geprägt sein von jener Liebe,
die in Gott selbst ist und von der Jesus sagt:
„Liebt einander, so wie der Vater mich liebt,
und wie ich euch geliebt habe.“

Amen.