Predigt zum 6. Sonntag im Jahreskreis B
am 14. Februar 2020 
Lesung: Lev. 13, 1-2.43-46
Evangelium: Mk. 1, 40-45
Autor: P.Heribert Graab S.J.
Aussatz (Lepra) ist eine gefährliche Infektionskrankheit.
Die war im Mittelalter in Europa sehr weit verbreitet
und kommt auch heute noch weltweit vor.
Der ursprüngliche Name „Aussatz“ stammt vermutlich daher,
daß infizierte Personen ausgesetzt leben mußten -
also außerhalb menschlicher Siedlungen.
In Köln gab es an der Aachenerstraße weit außerhalb der Stadt
für diese Kranken eine Leprosenhaus.
Heute befindet sich dort der Friedhof Melaten (von Malad = krank).
Nur selten durften sie in einer kleinen Gruppe die Stadt aufsuchen.
Dann aber mußte jeweils „Klappermann“ vorausgehen
und vor den Kranken warnen. (Nachbildung an der Friedhofsmauer).

Heute ist der Corona-Virus weltweit
zu einer tödlichen Bedrohung geworden.
Interessanterweise fällt uns als Mittel gegen diese Bedrohung
zuerst genau das ein,
was schon zur Zeit Jesu und dann auch im Mittelalter half:
Abstand-wahren, Ausgrenzen, Isolieren.
In Mailand wurde während der Pestpandemie des 14. Jahrhunderts
sogar behördlich verordnet, Pestkranke in ihren Häusern einzumauern.
Verglichen damit war es während der ersten Corona-Welle eher harmlos,
wenn alte und kranke Menschen in Pflegeheimen
von ihren Angehörigen über lange Zeit rigoros abgeschnitten wurden
und sogar ohne Abschied von ihren Lieben sterben mußten.

Die Pflegekräfte wurden vor einem Jahr als „Helden“ gefeiert -
allerdings ohne daß sich das auf ihr Gehalt auswirkte.
Früher wurden solche „Helden“ heilig gesprochen:
So wurde z.B. der Belgier  Damian de Veuster heilig gesprochen,
der auf der Quarantäne-Insel  Molokaʻi Leprakranke gepflegt,
sich dabei selbst infiziert hatte und schließlich an dieser Krankheit starb.
Er wird bis heute als „Apostel der Leprakranken“ verehrt.

Der hl. Aloisius von Gonzaga pflegte während eine Pestepidemie in Rom
die Sterbenden und starb selbst schon mit 23 Jahren,
nachdem er sich bei seinem fürsorgendem Engagement infiziert hatte.

Wenn das Evangelium immer wieder berichtet,
Jesus habe Kranke und sogar Aussätzige geheilt,
und wenn Jesus diese heilende Zuwendung zu den Kranken
als einen wesentlichen Aspekt der Reich-Gottes-Botschaft versteht,
dann stellt sich uns als Christen die Frage:
Was können wir in der aktuellen Pandemie-Situation konkret tun,
und wie wollen wir uns entsprechend der Nachfolge Jesu verhalten?
Vermutlich sind wir uns einig: Klatschen reicht nicht!

Fragen wir uns also:
Wie kann es gelingen, mehr Menschen für die Pflege von Kranken,
und überhaupt für den Dienst an einem menschenwürdigen Leben
zu gewinnen? Und was können wir selbst dazu beitragen?

Das Evangelium dieses Sonntags legt es also nahe,
ein wenig über uns
und unsere Reaktionen auf die Corona-Pandemie nachzudenken.
Und diese Pandemie ihrerseits regt mich darüber hinaus an,
auch noch über die unmittelbar vor uns liegende Fastenzeit nachzudenken:
Das Wort „Fastenzeit“ führt leider etwas in die Enge,
insofern es vor allem „Verzicht“ meint.
Deswegen „verzichten“ ja viele von uns z.B. auf den Konsum
von Süßigkeiten, von Alkohol oder Tabak und auch von Fernseh-Konsum.

Haben Sie sich schon einmal gefragt:
Was soll eigentlich noch die „offizielle“ Fastenzeit,
nachdem wir doch nun schon ein ganzes Jahr „fasten“
und wegen Corona auf sehr vieles verzichten?
Für diese Fastenzeit haben wir uns allerdings nicht selbst entschieden;
und auch all das, worauf wir konkret verzichten (verzichten müssen?),
ist uns durch Vorschriften von außen auferlegt.
Was kann da die Fastenzeit in christlicher Tradition noch bringen?

In unserer christlichen Tradition steht m.E.
nicht der Verzicht im Vordergrund!
Es geht vielmehr positiv um das Ziel, woraufhin wir „fasten“!
Und dieses Ziel der Fastenzeit heißt Ostern!
Es geht also um den Sieg Jesu Christi über die Macht des Todes.
Es geht um das neue Leben,
in das Jesus Christus uns vorausgegangen ist.
Es geht um das neue, das österliche, das wirkliche Leben,
das der Auferstandene uns allen eröffnet,
nachdem wir Menschen uns von Anfang an und immer wieder
von Gott losgesagt haben, der das Leben schlechthin ist;
nachdem wir Menschen also dem Tod in Gottes Schöpfung
diese Macht gegeben haben,
vor der wir heute Tag für Tag erschrecken müßten,
wenn wir die Zeitung aufschlagen.

Aber statt zu erschrecken, haben wir uns
an den Tod und an seine Macht in dieser Welt gewöhnt.
Und genau von dieser Gewöhnung an den Tod
gilt es Abschied zu nehmen.
Darum geht es letztlich in der Fastenzeit auf dem Weg nach Ostern!

Und darum geht es ja wohl auch in der aktuellen Corona-Fastenzeit.
Wir haben es weltweit zu tun mit einer todbringenden Pandemie.
An all den Maßnahmen,
die die Politik gegen die tödliche Gefahr verordnet,
mag im Einzelnen Kritik angebracht sein.
Aber all diese Maßnahmen stehen im Dienst des Lebens!
Wer also kritisiert, sollte konstruktiv Alternativen aufzeigen,
wie wir dem Leben noch besser dienen,
die tödliche Gefahr noch effektiver überwinden können.
Und das sollte natürlich auf eine Art und Weise geschehen,
die demokratisch legitimiert ist
und der Würde eines jeden Menschen gerecht wird.

Der Sinn der Fastenzeit, die in dieser Woche am Aschermittwoch beginnt,
könnte also darin liegen,
die Corona-Fastenzeit für uns fruchtbar zu machen.
Das kann beginnen mit einer Besinnung auf das,
was diese Zeit bei uns selbst möglicherweise positiv bewirkt:
z.B. eine „Entschleunigung“, die den so oft beklagten Streß mildert;
oder auch eine neue Erfahrung des Wertes familiärer Beziehungen,
und die Erkenntnis, welchen Reiz auch Feste im kleinsten Kreis haben.

Darüber hinaus die Frage:
Wieviel Zeit vergeude ich in „normalen“ Zeiten für Unwesentliches?
Und wieviel Zeit könnte ich zukünftig gewinnen
für „heilende“ Begegnungen mit Kranken
und mit Menschen, die sich freuen würden über jemanden,
der ihnen einfach nur zuhört.

Amen.