Predigt zum
31. Sonntag im Jahreskreis A am 5. November 2017 (zweite Fassung) |
Lesung: Mal. 1, 14b-2.2b.8-10 Evangelium: Mt. 23, 1-12 Autor: P.Heribert Graab S.J. |
Es ist nicht so ganz einfach, als Priester zu predigen über zwei biblische Texte, die sich beide mit ganz massiver Kritik ausgerechnet gegen Priester wenden. Aber vielleicht können wir ja alle miteinander von diesen Texten das ein oder andere lernen. In der Sakristei von Sankt Peter hängt seit kurzem ein eindrucksvolles Gemälde des österreichischen Malers Oscar Stocker „Jesus wird seiner Kleider beraubt“. Ausgerechnet über dem Ankleidetisch der Priester ist dieser Kontrast eine ständige Mahnung, auch in der Liturgie nicht vor allem auf Äußerlichkeiten wert zu legen. Stille
Jesus sagt: „Alles, was sie tun, tun sie nur, damit die Menschen es sehen: Sie machen ihre Gebetsriemen breit und die Quasten an ihren Gewändern lang.“ Da geht’s nicht um liturgische Gewänder, sondern um ‚standesgemäßes‘ Auftreten im Alltag. Im Alltag soll jeder sehen können, wer man ist, und wie sehr man geprägt ist von Frömmigkeit und Gebet. Dabei sind prunkvolle Textilien so manch einem wichtiger als die Botschaft des Glaubens. Unser ehemaliger Kirchenrechtsprofessor erklärte in einer Vorlesung mit einer gewissen Süffisanz in der Stimme die verschiedenen Titel in der Kirche und vergaß nie zu erwähnen, daß dieser oder jener Titel mit einen auszeichnenden Kleidungsstück verbunden sei. Päpstliche Ehrentitel mit ‚auszeichnender Kleidung‘ hat Papst Franziskus übrigens kürzlich entweder ganz abgeschafft, oder doch erheblich eingeschränkt. Allerdings: Mehr Scheinen als Sein - das ist für uns alle eine Versuchung - nicht nur in der Kirche: Modische Kleidung, der besondere Geschmack bis zur Extravaganz, teurer oder ins Auge springender Schmuck, bedeutende Orden, prachtvolle Uniformen oder auch betont schlichtes Outfit rücken uns in genau das Licht, in dem wir gesehen werden wollen. Wie möchte ich wahrgenommen werden? Und wer bin ich wirklich? Was ist Fassade? Und was ist echt? Stille
Persönlich fühle ich mich immer wieder besonders betroffen durch den einen Vers des heutigen Evangeliums: „Ihr sollt niemand auf Erden euren Vater nennen; denn nur einer ist euer Vater, der im Himmel.“ Ja, ich lasse mich ‚Pater‘ nennen, wie es in nahezu allen Orden selbstverständliche Tradition ist. Nachdenklich machen mich da die Franziskaner, die in seit einiger Zeit weitgehend von dieser Tradition Abschied genommen haben. Franziskaner lassen sich in der Regel nur noch als ‚Bruder‘ ansprechen - ob sie nun Priester sind oder nicht. Auch in diesem Kontext gilt: Nicht nur in der Kirche dienen Titel dazu, sich selbst ins rechte Licht zu rücken, das eigene Selbstbewußtsein zu stärken und unter den Mitmenschen Beachtung und Anerkennung zu gewinnen. Stille
Ein Problem weit über die Kirche hinaus dürfte wohl auch die Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit sein. Diese Diskrepanz tritt ebenfalls überall dort auf, wo Menschen Autorität haben, und zugleich untergräbt sie die Autorität. Das gilt z.B. schon in der Familie, wenn Eltern ihre Kinder mit (wohlgemerkt: berechtigten) Ansprüchen konfrontieren, denen sie selbst offenkundig nicht gerecht werden. Jesus meint zwar, wir sollten solche Anforderungen dennoch befolgen; gleichzeitig behält eine alte pädagogische Erfahrung trotz dieses Jesuswortes ihre Gültigkeit: Gerade die Vermittlung von Werten und ethischen oder auch religiösen Orientierungen geschieht nicht in erster Linie durch Ermahnungen und Belehrungen, sondern vor allem durch das gelebte Beispiel. In der Kirche ist unter dieser Rücksicht Papst Franziskus ein Glücksfall: Er gewinnt Menschen nicht so sehr auf Grund seiner Amtsautorität, sondern vor allem durch die persönliche Autorität, die er dadurch gewinnt, daß er glaubwürdig und überzeugend zu leben versucht, was er predigt. Stille
Maßstab eines gewinnend gelebten und überzeugenden christlichen Glaubens ist und bleibt Jesus Christus selbst und sein irdisches Leben. Er verkündet nicht nur die Gottes- und Nächstenliebe als das erste und wichtigste Gebot, Er praktiziert vielmehr diese Liebe in Seinem sehr persönlichen Verhältnis zum Vater und in all Seinen Begegnungen mit Menschen - zumal mit den Kleinen und Armen, mit den Schwachen und Kranken. Vielleicht läßt sich die Botschaft des heutigen Evangeliums gut zusammenfassen mit einem anderen, uns vertrauten Jesuswort: „Wer bei euch groß sein will, der soll euer Diener sein, und wer bei euch der Erste sein will, soll euer Sklave sein. Denn auch der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele.“ (Mt. 20, 26-28) Amen. |