Predigt zum 5. Sonntag im Jahreskreis 'A'
am 5. Februar 2017
Evangelium: Mt. 5, 13-16
Autor: P.Heribert Graab S.J.
Unmittelbar an die Acht Seligkeiten der Bergpredigt
schließt sich das heutige Evangelium an:
„Ihr seid das Salz der Erde…“
„Ihr seid das Licht der Welt…“
„Ihr seid die Stadt auf dem Berge…“

Es fällt auf: Da spricht Jesus nicht von Forderungen an uns!
Es heißt eben nicht: Ihr sollt Salz, Licht, die Stadt auf dem Berge sein!
Vielmehr beginnen alle drei Bildworte
mit der unerhörten Feststellung: „Ihr seid!"
Der Jüngergemeinde werden diese Bildworte zugesprochen.
Es wird nüchtern festgestellt, was Christen als Gemeinde sind.
Es geht um ein „Sein" und nicht um ein „Sollen“ bzw. „Tun"!
Wie Paulus können wir auch sagen:
Indem wir „in Christus“ sind und „in Christus“ leben,
sind wir schon dadurch und nur dadurch
Salz der Erde, Licht der Welt und die Stadt auf dem Berge.

Natürlich sind wir das alles nicht so sehr für uns selbst,
sondern vor allem für diese Erde, für die Welt
und für die Menschen, die uns begegnen und in deren Mitte wir leben.
Gleich zu Beginn Seines öffentlichen Wirkens
und sozusagen in Seinem Lebensprogramm
formuliert Jesus also einen missionarischen Anspruch
und den missionarische Charakter Seiner Sendung,
zu der Er auch uns berufen hat.

Jesus trägt uns damit keineswegs eine ‚Leistung‘ auf:
Es geht nicht darum, Werbekampagnen zu planen und durchzuführen;
es geht überhaupt nicht um besondere Aktivitäten.
Es geht schlicht und einfach darum,
ganz und gar zu sein, was wir schon sind -
was wir sind durch unsere Berufung,
was wir sind durch unseren Glauben,
was wir sind durch die Taufe.

Nicht durch unsere Leistung,
sondern durch das Geschenk der Freundschaft Jesu Christi,
durch diese enge Verbundenheit mit Ihm,
durch dieses „in Christus sein“ und „in Christus leben“
sind wir Salz der Erde, Licht der Welt, Stadt auf dem Berge.

Betrachten wir diese Bilder ein wenig genauer,
um besser zu verstehen, inwiefern Jesus Christus
- auch durch uns und einfach dadurch, daß wir „in Ihm sind“ -
diese Welt verwandeln und zum Reich Gottes umgestalten möchte.

1.    „Ihr seid das Salz der Erde.“

Salz dient damals wie heute vor allem dazu,
Nahrung zu würzen und schmackhaft zu machen,
sowie vor Fäulnis zu bewahren.
Speisen, die nicht gesalzen sind,
schmecken in der Regel fade
und laden nicht dazu ein, sie zu genießen.
In Zeiten ohne Kühltruhe und Kühlschrank
wurden Lebensmittel vor allem durch Salz haltbar gemacht.

Das Bild vom Salz für Christen und christliche Gemeinden
bringt also zum Ausdruck:
Diese Erde als ein Ort des Zusammenlebens von Menschen
wird durch die Präsenz von Christen erst wirklich ‚genießbar‘.
Diese Erde wird durch Christen - so sie wirklich Christen sind -
erst zu einem Ort, an dem Menschen ‚menschlich‘, konstruktiv
und in Gerechtigkeit und Frieden zusammenleben können,
wo das Leben miteinander nicht nur gelingt, sondern Freude macht.

Außerdem sagt uns dieses Bild vom Salz:
* Das Leben von Christen und christlichen Gemeinden auf dieser Erde
trägt wesentlich zum Erhalt der unseres Lebensraumes
und zur Bewahrung Schöpfung insgesamt bei.
* Sodann fügt sich auch eine nicht biblische,
sondern eher moderne Deutung des Bildes vom Salz
in den Kontext der Reich-Gottes-Verkündigung Jesu ein:
Heute hat Meersalz durchaus auch eine heilende Funktion
(denken Sie z.B. an Nordseekuren).
Christen tragen dementsprechend durch ihr „In-Christus“-Sein
wesentlich dazu bei,
unsere so vielfach kranke und verletzte Erde zu heilen.

Das Salz aus dem Toten Meer, das Jesus kannte,
besaß nur eine eingeschränkte Haltbarkeit.
Es war irgendwann nicht mehr brauchbar und wurde ‚entsorgt‘.
Entsprechend kann die Warnung Jesu
im zweiten Teil des Verses verstanden werden:
Seinen Jüngerinnen und Jüngern wird es ähnlich ergehen
wenn sie nicht mehr in Christus verwurzelt sind
und dementsprechend nicht mehr so leben,
wie es der hereinbrechenden Gottesherrschaft entspricht.

2.    „Ihr sei das Licht der Welt.“

Manchmal sagen wir einem anderen:
„Stell dein Licht nicht unter den Scheffel!“
Wir meinen dann, er solle sein eigenes Licht leuchten lassen.
Genau darum geht es jedoch hier nicht!
Hier kommt es vielmehr darauf an,
das göttliche Licht, das in Jesus Christus aufgeleuchtet ist,
nicht zu verdunkeln.
Wir sind „Licht der Welt“, weil wir ‚in Christus‘ sind!
Sein Licht macht diese Welt hell -
vor allem durch die Präsenz lebendiger, christlicher ‚Gemeinden;
dann aber auch durch jeden einzelnen Christen,
der das Licht Jesu Christi zum Strahlen bringt,
anstatt es „unter den Scheffel“ zu stellen.

Dies ist ein ganz wesentlicher Aspekt unseres Glaubens:
Die erschreckende Dunkelheit dieser Welt,
diese finstere Politik, die weltweit zu Gewalt und Krieg führt,
diese rabenschwarze Wirtschafts- und Sozialpolitik,
die unzählige Menschen im Elend verkommen läßt, -
all das kann hell werden wie der Tag
einzig und allein durch jenes Licht, das die Völker erleuchtet,
und in dem der greise Simeon das Heil der Welt erkannt hat.

3.    „Ihr seid die Stadt auf dem Berge.“

Eine Stadt auf dem Berg bietet Schutz und zieht an.
Dahinter steht wohl der Gedanke an die Völkerwallfahrt,
von der Jesaja spricht (vgl. Jes 2,2-5):
Zur Stadt auf dem Berge, also zur heiligen Stadt Jerusalem,
zur Stadt Gottes ziehen alle Völker -
fasziniert von deren beglückend menschlichen Lebensordnung.
Jetzt ist die Jüngergemeinde die Stadt auf dem Berge,
die den Menschen Orientierung bietet.

Insgesamt macht Matthäus seiner Gemeinde deutlich,
daß ein Sich-Zurückziehen und Leisetreten
aufgrund der „Beschimpfungen und Verfolgungen"
genauso paradox wäre wie schal gewordenes Salz
oder ein Licht unter dem Scheffel.
Heute würde Matthäus wahrscheinlich
vom Licht unter dem Scheffel sprechen, weil gar zu viele von uns
ihren Glauben als reine Privatangelegenheit betrachten.

Ganz im Gegenteil dazu ist es vielmehr das Wesen der Christen,
Salz der Erde zu sein, damit Menschen essen und genießen können;
Licht der Welt zu sein, damit Menschen einander
vertrauen und lieben können;
Stadt auf dem Berge zu sein, damit Menschen sich orientieren
und sicher fühlen können.

Amen.