Die Herbergssuche

Einige Schrifttexte zur Szene:

Lukas, 2, 4 - 7:

So zog auch Josef von der Stadt Nazaret in Galiläa hinauf nach Judäa
in die Stadt Davids, die Betlehem heißt; denn er war aus dem Haus und Geschlecht Davids. Er wollte sich eintragen lassen mit Maria, seiner Verlobten, die ein Kind erwartete. Als sie dort waren, kam für Maria die Zeit ihrer Niederkunft, und sie gebar ihren Sohn, den Erstgeborenen. Sie wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe, weil in der Herberge kein Platz für sie war.

Was Lukas erzählt, bringt Johannes theologisch zum Ausdruck:

Er war in der Welt, und die Welt ist durch ihn geworden, aber die Welt erkannte ihn nicht. Er kam in sein Eigentum, aber die Seinen nahmen ihn nicht auf. (Johannes, 1, 10 f).

Später dann hatte jesus selbst auf seinen Wanderungen durch Galiläa auf dem Weg nach Jerusalem Anlaß zu sagen:

"Die Füchse haben ihre Höhlen und die Vögel ihre Nester; der Menschensohn aber hat keinen Ort, wo er sein Haupt hinlegen kann. (Lukas, 9, 58).
 

Die Krippenszene in St.Michael:


Erklärung:

Der schlichte Halbsatz von der vergeblichen Herbergssuche in Bethlehem findet seine theologische Deutung zunächst im Prolog des Johannesevangeliums (Joh.1, 10 und 11). In dieser Deutung wird deutlich, daß die Kritik an den Wirtsleuten von Bethlehem, die die spätere Volksfrömmigkeit aus dem Halbsatz des Lukas herausgelesen hat, sich eigentlich an uns alle richtet: Wer "erkennt" denn schon den menschgewordenen Gott wirklich - z.B. in den Armen unserer Tage - und wer nimmt ihn denn angemessen auf?

Darüber hinaus gehört die "Herbergssuche", wie auch die Geburt Jesu in einem Stall in den Kontext der theologischen Interpretation der Menschwerdung Gottes als "Erniedrigung", in der bereits zu Beginn der Jesusgeschichte das Kreuzmotiv anklingt. In einem uralten Christushymnus, der uns im Philipperbrief des Paulus überliefert ist, heißt es:

"Er war Gott gleich,
hielt aber nicht daran fest, wie Gott zu sein,
sondern er entäußerte sich
und wurde wie ein Sklave
und den Menschen gleich.
Sein Leben war das eines Menschen;
er erniedrigte sich
und war gehorsam bis zum Tod,
bis zum Tod am Kreuz." (Phil. 2, 6 - 8).

Der gleiche Kontext findet seinen Ausdruck im Zweiten Korintherbrief:
"Denn ihr wißt, was Jesus Christus, unser Herr, in seiner Liebe getan hat: Er, der reich war, wurde euretwegen arm, um euch durch seine Armut reich zu machen." (2. Kor. 8, 9).

Nach einer Überlieferung, die auf das apokryphe Protoevangelium des Jakobus zurückgeht, lag der Stall (die Höhle), in der Maria und Josef schließlich Unterkunft fanden, an der Straße von Jerusalem nach Bethlehem. An dieser Stelle errichtete im 4. Jahrhundert Kaiser Konstantin eine noch heute (allerdings nicht mehr in ursprünglicher Gestalt) stehende fünfschiffige Basilika, die älteste noch erhaltene Kirche der Christenheit. Die  Weihnachtskrippe von St. Michael bezieht sich auf diese Überlieferung, wenn sie das Hirtenfeld und den Stall von Bethlehem mit dem Stadtbild von Jerusalem in Beziehung setzt.

Die Überlieferung der "Herbergssuche", die auf jenen Halbsatz bei Lukas zurückgeht, hat mehr noch als in der Theologie in der Volksfrömmigkeit eine große Bedeutung erlangt. Viele Erzählungen, Lieder, Gedichte und Krippenszenen nehmen sich dieses Themas an und bringen nicht nur das "Mitleiden" der Menschen zum Ausdruck, sondern spiegeln auch eigene Erfahrungen z.B. von "Fremden in einem fremden Land" und von Flüchtlingen wieder.


"Aufenthaltsbewilligung"